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Ein Gastbeitrag von Barbara Z.

„Maaaaamaaaaa, nur noch fünf Minuten“

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Dies ist die übliche Bitte meines älteren Sohnes, wenn mein Mann und ich ihn ins Bett bringen, ihm vorlesen und wenn wir versuchen, ihn in den Schlaf zu begleiten. An seinem plötzlichen auftretenden Verhandlungsgeschick merken wir, dass er nun wirklich kein Baby mehr ist. Um ehrlich zu sein, habe ich seine Bitte nach weiteren fünf Minuten öfter abgelehnt. Als Mutter zweier Kinder habe ich quasi nie einen Moment für mich. Die seltenen Momente, in denen sie beide schlafen, sind mir extrem heilig; Sobald sie ihre Äuglein geschlossen haben, beginnt meine kurze, aber dennoch so kostbare Zeit NUR für mich. Feierabend! 

Während ich also seine kleine Hand streichle und versuche ganz ruhig zu bleiben, plane ich innerlich, was ich mir im Anschluss so gerne gönnen würde: Ich stelle mir mich selbst in 10 Minuten vor, zusammengerollt auf der Couch, mit der Fernbedienung in der einen Hand und einem Glas Rotwein in der anderen. Ich werde sinnlose Sachen schauen und ich werde einfach nur meinen Seele baumeln lassen. 

Meistens jedoch plane ich innerlich ganz schrecklich, praktische Dinge: Ich stelle mir vor, wie viel Wäscheladungen ich wohl noch erledigen kann oder, dass ich zumindest das Geschirr in die Spülmaschine räumen werde. Es gibt einfach noch so viele Dinge, die ich tun könnte, anstatt hier neben meinem Sohn im Bett zu liegen, während er zappelt und sich windet, nur um nicht einzuschlafen zu müssen. Der Gedanke, dass Mami eventuell gleich den Raum verlassen könnte, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Ich weiß das. Jetzt fragt er lediglich noch nach weiteren fünf Minuten und schon bald wird diese kleine Bitte durch viel größere Diskussionen und Bitten ausgedehnt werden. 

Im Alter von 6 Jahren wird er mich bestimmt um fünf weitere Minuten anflehen, um mit seinem Freund von nebenan noch etwas draußen bleiben zu dürfen. Diese beiden Jungs, die sich wahlweise die Köpfe einschlagen oder sich in den Armen liegen. Dann, wenn er in die Grundschule geht, wird er fast den ganzen Tag drinnen eingesperrt sein, lediglich kurze Pausen an der frischen Luft wird es geben. Obwohl er bestimmt Vokabeln lernen muss oder Matheformeln büffeln muss, werde ich versuchen, nachsichtig zu sein, weil seine Kindheit einfach schneller vorbei sein wird, als uns allen lieb ist. 

Im Alter von zirka 11 Jahren werden er und ich jeden Morgen Kämpfe ausfechten müssen, weil er weitere fünf Minuten schlafen möchte. „Bitte Mama, nur noch fünf Minute schlafen!“ Ich werde ihn daran erinnern, dass er das letzte Mal, als er noch fünf Minuten geschlafen hat, direkt den Bus verpasst hat. Ich werde ihm erzählen, dass, wenn er wieder den Bus verpasst, diesmal zur Schule trampen wird müssen. Ein Teil von mir freut sich auf den Tag, an dem er selbst zur Schule fahren kann, anstatt mich als Taxi-Service zu benutzen; der andere Teil ist jetzt schon am Boden zerstört, dass dieses letzte bisschen Abhängigkeit von mir bald der Vergangenheit angehören wird.

Zusammen mit seiner 17-jährigen Freundin wird er um weitere fünf gemeinsame Minuten betteln, obwohl es schon viel zu spät ist. Er wird mir sagen, dass der Film noch nicht zu Ende ist und er jetzt noch nicht gehen möchte, er mir aber verspräche, sofort nach dem Film nach Hause zu kommen. Ich werde kein Wort davon glauben, da es selten um ein Filmende geht, wenn Jungs sich nicht von Mädchen trennen können. Ich war ja auch mal jung. Trotzdem werde ich ihn verstehen, ich werde mich an meinen Mann und mich als liebeskranke Teenager erinnern, die um jede weiteren gemeinsamen fünf Minuten kämpften. „Guck den Film zu Ende“, werde ich zurückschreiben. „Um 23 Uhr bist du hier. Keine Minute länger!“ 

Und dann, gar nicht viel später, wird er auf die Uni gehen und mich nicht mehr um etwas bitten, außer die Waschmaschine für ihn parat zu halten, wenn er am nächsten Wochenende nach Hause kommt. Ich werde meine Tage mit anderen Dingen füllen – Arbeit und Besorgungen und vielleicht auch Sport – aber mein Handy wird immer griffbereit sein, falls mein Sohn eine wichtige Frage hat 🙂

Ein paar Jahre später werden uns mein Sohn und seine Familie besuchen, sie werden unser Haus an den Wochenenden mit viel Liebe füllen und wieder ordentlich Schwung in unsere Hütte bringen. Ich werde mich daran erfreuen, wie sich der Kopf meiner Enkelin zur Seite neigt, wenn sie sich konzentriert, genau so, wie ich es von ihrem Papa kenne; Ich werde mich selbst in ihren Augen wieder erkennen: Sie wird meine langen Wimpern haben seine rehbraunen Augen erben. Haaaaaccchhhhh 🙂

„Ich denke, wir müssen uns auf den Weg machen“, wird mein Sohn seiner Frau dann zuraunen. „Wenn Emil im Auto einschläft, kann er später wieder nicht einschlafen. Und Emma hat ein Schulprojekt, da muss sie dringend noch etwas für tun.“

Ich weiß jetzt schon, dass es mir schwer fallen wird, ihn gehen zu lassen, aber ich weiß auch, dass ich dann loslassen muss. Während er die Sachen der Kinder einsammeln wird, die sie überall im Haus verteilt haben, wird mich ein überwältigendes aber sehr bekanntes Gefühl überkommen…

„Bleibt ihr bitte noch fünf Minuten?“, werde ich meinen Sohn fragen, eine Bitte, die er seinen alten Mama bestimmt nicht ausschlagen wird. .

„OK, Mama“, wird er mir nachsichtig sagen. „Noch fünf Minuten.“

 

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