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Ein wundervoller Gastbeitrag von S. aus Hamburg

Es gibt nur wenige Daten die ich mir gut merken kann. So vergesse ich niemals die Geburtstage meiner Kinder oder meines Mannes.

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Seit letztem Jahr gibt es jedoch neue Daten die ich mein Leben lang nie vergessen werde. Der wichtigste Tag ist Mittwoch der 15.August 2018. An diesem Tag wurde unserer kleinen Familie der Boden unter den Füßen weg gerissen. Bei einem Telefonat wurde mir gesagt dass ich Leukämie habe.

Mein erster Gedanke war: Na toll, nun wirst du sterben! Ich war paralysiert. Ausgerechnet in einem Moment wo ich mit den Kindern alleine zuhause war. Nach ein paar Minuten rief ich meinen Mann an und polterte es direkt hinaus. Schatz komm bitte sofort nach Hause. Ich habe Leukämie! Es gibt keinen Weg so etwas ruhig zu sagen. Doch da waren auch noch die Kinder. Wie sollte ich es ihnen erklären? Was bedeutet es für sie? Was passiert nun mit ihnen? Was ändert sich nun für sie? Eine Wut und Entschlossenheit entstand und ich sagte mir: Nein Stina, du wirst nicht sterben! Du hast noch eine Aufgabe. Du möchtest deine Kinder aufwachsen sehen und sie auf das Leben vorbereiten. Ok auf diese Art der Vorbereitung hätte ich wirklich gut verzichten können.

Zum Abend hin wurde ihnen dann alles erklärt. Die Körperpolizei, also die kleinen Männchen im Blut die auf uns aufpassen sind bei mir ganz krank und schwach. Daher muss ich für viele Tage ins Krankenhaus gehen und die Ärzte versuchen die Polizisten wieder gesund zu machen. Natürlich kamen dann viele Fragen. Wer singt uns unser Gutenachtlied? Was Kindern halt wichtig ist.

Wortwörtlich stand mit einem mal die ganze Familie Kopf. Und ich? Ich musste plötzlich alles loslassen, meine Tasche packen und ist Krankenhaus fahren. Mit ungewissem Ausgang.

Zum Glück durfte ich nach zwei Nächten erst nochmal nach Hause. Dies gab uns als Familie die Möglichkeit nochmal etwas Luft zu holen. Das Wohnzimmer wurde in ein großes Familienbett verwandelt und es wurde ganz viel gekuschelt.

Mit zwei Kindern im Kitaalter gilt es viel zu organisieren. Innerhalb von zwei Tagen stand ein Plan, den es ohne unsere Familien nicht gegeben hätte.

Wir sind von Anfang an mit allen Bereichen ganz offen mit der Situation umgegangen. So wussten alle wichtigen Personen in unserem und ganz besonders im Leben der Kinder Bescheid. Die Kitastunden wurden kurzerhand aufgestockt und die Großeltern würden sich morgens um die Kinder kümmern, damit mein Mann weiterhin normal arbeiten gehen konnte. Mit mir würden die Kinder täglich übers Handy Kontakt haben. Wo wir konnten wurden die Kinder mit eingebunden, solange sie es wollten. So durften sie mir die Haare abschneiden und brachten mir Bilder mit, damit mein Platz im Zimmer nicht so langweilig aussah.

Meine größte Sorge war und blieb, wie es meinen Kindern geht. Wie verkraften sie es? Die Trennung von mir? Die neuen Tagesabläufe? Was haben sie für Ängste? Ich konnte ja nichts tun, um ihnen zu helfen. Verbannt ins Krankenhaus. Weg von der Familie, weg von meinen Kindern. Zweimal musste ich für einen ganzen Monat im Krankenhaus bleiben, inklusive Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation. Am Samstag den 24. November 2018 war dann dieser Alptraum vorbei. Meine Familie durfte mich wieder mit nach Hause nehmen. Doch es ist nichts mehr wie vorher. Die Kinder sind plötzlich gereift. Wirken so groß. Alles kleinkindartige ist bei meiner Tochter verschwunden. Mein Sohn ist ernst und überlegt geworden. Mein Mann ist erschöpft und ausgebrannt. Ich wiege mehr als zehn Kilo weniger und trage durch den starken Muskelschwund zwei Konfektionsgrößen kleiner. Schon kleinste Wege waren für mich eine große Herausforderung. Morgens die Kinder für die Kita vorzubereiten brachte mich an meine Grenzen. Übelkeit und Erschöpfung sowie eine strenge Diät machten den Weg zurück in den Alltag schwer. Und doch schafften wir es immer wieder den Alltag der Kinder so regelmäßig und gewohnt zu gestalten wie es möglich war. Ab Januar fing mein Körper langsam an Schritt für Schritt wieder in Bewegung zu kommen. Ich schaffte es wieder ohne Pause in den 4. Stock zu laufen und ab März konnte ich die Kinder auch wieder selbst zur Kita bringen. Seit Anfang Mai kommen wir einem so gut wie normalem Alltag nahe. Ich darf wieder normal essen, bringe die Kinder zur Kita, hole sie oft ab, gehe mit meiner Tochter wieder selbst zum Tanzen. Genieße es mit ihnen zu basteln oder Roller zu fahren. Es gibt immer noch oft Tage, an denen ich einfach nur endlos erschöpft bin und die Kinder traurig sind, dass ich nicht so mit ihnen spielen kann wie sie es sich wünschen. Auch sehen sie mich mal weinen, wenn das Erlebte mal wieder hervorbricht. Dies geht auch an den Kindern nicht spurlos vorbei. So fing meine Tochter den einen Tag plötzlich an zu weinen und rief ganz wütend: Blödes Krebsblut geh weg und lass meine Mama in Ruhe! Und mein Sohn kommt noch öfters als vorher zu mir und möchte noch mehr kuscheln. Aber auch das hält uns nicht davon ab unser Familienleben wieder neu und gleichzeitig gewohnt weiter zu führen. Wir genießen die Zeit zusammen bewusster. Wir können wieder Ausflüge machen. Und bereiten uns gemeinsam auf das nächste unvergessliche Datum vor. Die Einschulung unseres Sohnes im August 2019.

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