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Ein sehr ehrlicher Gastbeitrag von Kathrin aus Brandenburg.

Letztes Jahr wurde ich Mutter, der Titel, von dem ich bereits seit Jahren geträumt hatte. Ich habe Babys und Kinder immer schon geliebt, und diese Liebe wurde durch die Geburt meiner Nichten und Neffen noch mehr gefestigt. Nachdem mir immer gesagt wurde „Du bist ein Naturtalent“ und „Kinder lieben Dich“ und „Du wirst eines Tages eine tolle Mama sein“, vertraute ich auf diese Aussagen. Ich war mir zu 100% sicher, dass ich diesen Mama-Job perfekt erledigen werde. Ein Job, der wie für mich gemacht zu sein schien – Ich meine, jeder sagte das, die konnten sich alle doch nicht irren, oder?

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Dann kam der Tag der Tage. Die Realität sah leider ganz anders aus…..

Nichts läuft nach Plan – nichts.
Tja, genauso sieht es aus. Die erste Wahrheit, mit der ich konfrontiert wurde, war die Tatsache, dass beim Thema Elternschaft eben nichts nach Plan verläuft. Vom ersten Tag an wurde jeder meiner sorgfältig ausgearbeiteten Pläne nacheinander vereitelt, jede Enttäuschung stand als Denkmal für diese Tatsache. Die Erkenntnis, dass dieses ganze Mamasein-Ding nicht dem entsprach, was ich mir immer erträumt hatte, war eine bittere Pille, die ich erstmal schlucken musste.

Die ersten 8 Lebenstage meines Babys auf dieser Erde verbrachten wir auf der Neugeborenenintensivstation, und während dies an sich schon traumatisch genug war, hatte ich die Mammutaufgabe, die mein Mann und ich freiwillig angetreten haben, noch gar nicht realisiert. Wir hatten lediglich kleine Zeitabschnitte mit ihr verbracht und befanden uns immer in der Nähe einer beruhigenden Krankenschwester mit viel Erfahrung. In diesem Umfeld hielt ich noch an der einstigen Fantasie, wenn auch verbeult und wackelig, fest.

Meine Vorstellungen brachen endgültig in zwei, als wir nach Hause kamen und plötzlich waren nur noch wir zwei für dieses winzige, faltige Alien-Wesen verantwortlich, die sich anscheinend auf uns zu verlassen schien.

Der Spruch „Jede Medaille hat zwei Seiten“ bewahrheitet sich immer wieder, wenn es um Erziehung geht. Auch wenn ich mir sicher bin, dass jeder unterschiedliche Erfahrungen macht, kann ich dennoch behaupten, dass es nicht immer einfach ist, ein Kind in diese Welt zu setzen und es  ist nicht einfach, dieses zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Einige Tage, vor allem am Anfang, sind schrecklich und es gibt mit Sicherheit niemanden, der sich nicht mal fragt, warum zum Teufel man sich darauf eingelassen hat. Warum um alles in der Welt habe ich mir das angetan?

Egal wie gut man sich vorbereitet, es kommt eh anders. 
Auch das habe ich schnell gemerkt: Du kannst dich nicht auf all das vorbereiten, was auf dich zukommen wird. Es wird die härteste Prüfung werden, an der du jemals teilnehmen wirst, weil es kein Training dafür gibt, es gibt kein Handbuch, auf das du dich verlassen kannst, kein Wikipedia-Baby-Nachschlagewerk, keine richtige oder falsche Antwort. Warum nicht? Weil es für nichts eine richtige oder falsche Antwort gibt. Jede einzelne unserer Reisen und Erfahrungen ist einzigartig, jedes Baby oder Kind ist anders, so dass das, was für das eine Kind funktioniert hat, nicht unbedingt für das andere Kind genauso funktioniert. Und um es noch schwieriger zu machen: Was am Montag für euch funktioniert hat, könnte bereits am Dienstag schon nicht mehr funktionieren.

Jeder hat eine Meinung aber keiner hilft dir wirklich weiter. 
Der dritte „Realitätscheck“ kann sowohl nervenaufreibend als auch beruhigend für dich werden. Es ist nämlich so: Nicht nur DU hast keine Ahnung, was du tun sollst, nein, KEINER weiß wirklich, wie er dir helfen kann. Wenn das eine echte Prüfung wäre, würden die meisten von uns scheitern. Jede Mama auf dieser Welt muss ihren eignen Weg durch den Irrgarten an Ratschlägen und gut gemeinten Tipps finden. Glaub mir, JEDE.

Dieser Punkt ist eine knifflige Angelegenheit. Um dich herum scheint nahezu jeder einen Master-Abschluss in Erziehung zu haben, auch und besonders diejenigen, die selbst noch keine Kinder haben. Diese vermeintlich wohlmeinenden Individuen sind oft die schlimmsten, sie teilen dir unvorsichtig Tipps und Tricks mit, die sie irgendwo aufgeschnappt haben. Natürlich haben sie nicht überprüft, ob das sinnvoll ist oder nicht. Sie hauen es dennoch einfach so raus.

Unter all den Ratschlägen, die ich erhalten habe, gab es einen Tipp der letztlich der Schlüssel zum Erhalt meines Verstandes war und ich werde ihn jetzt an dich weitergeben: Finde eine Person, der du vertrauen kannst, eine Person, die zu deiner Erziehungsphilosophie passt, eine Person, der du gerne zuhörst – ob diese Person eine Krankenschwester, eine Doula, ein Freund, ein Arzt, ein Familienmitglied, ein Buch oder auch aber deine Friseurin ist, ist VÖLLIG EGAL. Wichtig ist nur: Höre nur auf diese Person. Alle anderen Ratschläge nimmst du nicht mehr an, du lächelst und nickst höflich, während es in einem Ohr rein und aus dem anderen wieder raus flutscht.

Bedingungslose Liebe auf den ersten Blick ist keine Garantie.
Die vierte Wahrheit ist die härteste von allen, die es zu bewältigen gilt. Frauen sind angeblich biologisch darauf programmiert und ausgerüstet, Kinder auf diese Welt bringen zu können. Und als solche wachsen die meisten von uns in dem Glauben auf, dass unser Schicksal darin besteht, Leben zu erschaffen und dann dieses neue Leben bis zum Ende unseres eigenes Lebens zu begleiten und zu lieben. Eine Mutter soll ihr Kind auf den ersten Blick bedingungslos lieben. Die hässlichste Wahrheit ist jedoch, dass nicht alle Mütter ihr Kind vom ersten Tag an bedingungslos lieben. Für einige von uns braucht es Zeit – Viel Zeit.

In den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt wurde mir schnell klar, dass man nicht jedem Hashtag glauben sollte, den man liest. Die Menschen stellen nicht die ganze Wahrheit auf Social Media dar.  #liebedeslebens, #liebesblase #immerwieder #ichwünschtediezeitwürdestehenbleiben und #meinherzschlägtjetztauerhalbmeinesbrustkorbes – um nur einige gängige zu nennen. Warum war meine Erfahrung also nicht mit der von allen anderen vergleichbar? Warum habe ich nicht gefühlt, was jede andere Mutter zu fühlen schien? Warum habe ich es nicht richtig gemacht? Was habe ich falsch gemacht?

Ich fühlte mich nach der Geburt mit niemandem verbunden, besonders nicht mit meinem Kind. Ich fragte mich, ob ich jemals diese überwältigende Bindung fühlen würde, die mir Hollywood und Facebook doch versprochen hatten. Ich suchte wochenlang nach einem Schimmer dieses Gefühls. Aber es entzog sich mir weiterhin.

Die ersten 16 Wochen als Mutter waren schrecklich und dann begannen die Dinge sich plötzlich ganz langsam zu ändern. Das Gefühl der Angst bei dem Gedanken, mit ihr allein sein zu müssen, schwand von Minute zu Minute. Ich konnte nach und nach mit ihr alleine sein und entspannte mich dabei sogar. Nach fünf Monaten merkte ich eines Tages, dass ich diese Muttersache anscheinend ganz gut bewältigt bekomme. Als ich sie schreien hörte, zuckte ich nicht mehr zusammen und ich wollte auch nicht mehr wegrennen; Ich wusste instinktiv, was ich tun oder zumindest versuchen sollte. Unsere Bindung war nicht mehr beängstigend, sie hatte sich leise in etwas verwandelt, das – an den meisten Tagen – irgendwie süß und liebenswert war.

Ich schätze, die Moral meiner Geschichte ist, dass, egal wie viele Hollywood-Filme dir was anderes vorgaukeln und egal wie viele Hashtags dir etwas anderes erzählen: Jeder Mutter darf ihre neue Rolle auch mal scheiße finden! Es ist in Ordnung sich selbst mal zu fragen, auf was man sich da eingelassen hat. Und jede Mutter darf sich auch mal an die kinderlose Zeit erinnern und sich diese zurück wünschen. Diese Gefühle sind nur Gefühle, du handelst ja nicht nach ihnen.

Mütter sind verdammt belastbar 
Die wichtigste Sache, die ich entdeckt habe ist, dass anscheinend alle Mütter dieser Welt diese beschriebenen Gefühle kennen und jede Mama mal einen schlechten Tag, einen schlechten Monat oder auch ein schlechtes Jahr hat. Ich kam zu der Erkenntnis, dass diese Tatsache anscheinend ganz normal ist und nichts ist, wofür man sich schämen müsste.

Diese hässlichen Wahrheiten anzuerkennen, macht dich nicht zu einer schlechten Mutter. Tatsächlich ist jede Frau, die trotz der Erschöpfung, trotz des Selbstzweifels, trotz all der neuen Erfahrungen, trotz der dunklen Gedanken und Gefühle, in meinen Augen eine echte Kriegerin!

 

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