Sybille aus Hannover hat uns einen herrlichen Text über das Leben mit einem Teenager geschickt.
Lustig, wie sich Dinge wiederholen
Es fühlte sich an, als wäre es gestern gewesen, als ich mit meinem eigenen Vater eine Diskussion über ein Piercing hatte! Gott, das waren die 80er Jahre. Schon so lange her. Damals war dieser Trend noch etwas ungewöhnlicher als heute. Auf jeden Fall wurde mir mein so sehr gewünschtes Bauchnabelpiercing verboten und natürlich habe mir dann diese sogenannte Klebepiercings besorgt um damit in meiner Clique zu glänzen. Ich kaufe auch diese Fake-Ringe, die man sich als Nasenpiercing reinmachen konnte. Derbe cool!
Schnell war der Trend wieder out und ich hatte später gar nicht mehr das Verlangen danach. Gott sei Dank!!
Heute ist es meine eigene Tochter, inzwischen 13, die mir ständig versucht, neue Trends schmackhaft zu machen. Erst gestern war es, als sie mich fragte, ob sie sich bitte die Lippen aufspritzen könnte. Die LIPPEN??? Mit Engelsworten versuchte ich meinem Kind zu erklären, dass sie das nicht nötig hätte, schon gar nicht mit 13. Das Ende unserer Diskussion war alles andere als friedlich. Es war eher eine Aneinanderreihung meiner Tochter von “nicht einsehen wollen“ bis zum Vergleich mit irgendwelchen Teeny-stars oder anderen Eltern welche ja viel „cooler“ wären als ich.
Ja…es gibt diese Tage, an denen man als alleinerziehende Mama glaubt, auch eine Freundin für sein Kind zu sein und dann gibt es auch die Tage, an denen ich deutlich zu spüren bekomme, was für ein Drache ich doch bin. Nach wie vor bleibe ich dabei, dass ein 13- jähriges Mädchen noch lange nicht alles machen kann, was sie will, insbesondere nicht dann, wenn es um irgendwelche kosmetischen „Modeeingriffe“ am Körper geht.
Das Thema, verfolgte mich noch Wochen. Jeden Tag wenn Lara aus der Schule kam, gab es direkt wieder die gleichen Fragen um das Thema Lippen. Mein Gott was wurden für Vergleiche gezogen, was wurden für Argumente gefunden, was wurden für Stimmungsschwankungen an den Tag gelegt. Ihr ganzes Glück hing buchstäblich an dem Aussehen Ihrer Lippen ab. UND diese Lippen sind auch ohne Korrektur wunderschön:
Mir wurde in dieser Zeit klar, wir kreativ meine Tochter sein konnte, um Ihr Ziel zu erreichen. Es war schon zeitweise so weit, dass ich mir insgeheim Vorwürfe machte, ihr dieses Verbot ausgesprochen zu haben.
Gott sei Dank waren es nur kurze Momente, in denen ich, wenn auch nur wenig, ins Schwanken geriet.
Meine Tochter ist hübsch, nichts an ihrem Gesicht berechtigt irgendeinen kosmetischen Eingriff und das predigte ich meiner schönen Tochter immer und immer wieder. Die große Einsicht ließ jedoch sehr lange auf sich warten. Ein paar Mal warf sie mir in ihrem Zorn Dinge vor, welche mir sehr weh getan haben.
Ich sah mich nicht als Mutter, die alles verbot, die zu streng war und keinEinfühlungsvermögen besaß.
Alles, was ich immer für mein Kind wollte, war Normalität und eine gesunde Einstellung zu sich selbst und dem Leben.
In der heutigen Welt, dachte ich mir, ist es doch sehr schwer gegen virtuelle Vorbilder und Muster vorzugehen. Sie lauerten überall. Angefangen an Laras Zimmerwänden auf den unzähligen Postern, im Fernsehen und auch im Internet. Ganz zu schweigen von der Schule! Da waren es die Mitschülerinnen.
Die Wochen vergingen und ich merkte wie unser Verhältnis sich immer mehr veränderte.
Ich die böse Rabenmutter und Lara das gepeinigte Opfer. Übrigens fühlte sich mein Kind in der Rolle des Opfers sehr gut und lebte diese auch so aus, dass Hollywood die direkt für den nächsten Oscar hätte nominieren können. Kategorie: Beste Schauspielerin DRAMA.
Dieses Drama hielt genau bis zu einem bestimmten Tag an, als Lara nämlich nach 5 Tagen von einer Klassenreise zurückkehrte. Sie war wie ausgewechselt und ich freute mich, dass ich meinen nervigen Schatz endlich wieder zu Hause hatte.
Sie war ausgeglichen und sie freute sich, mich wiederzusehen. Ich wartete beim Abendbrot schon gewappnet auf das Große Thema, welches unser beider Leben die letzten Wochen so zur Hölle gemacht hatte.
Wann fängt sie an, mich wieder nach einer Lippenkorrektur zu fragen? Wann schiesst sie los?
Nix!! Es war vor der Klassenreise kein Tag vergangen, an dem wir uns deswegen nicht in den Haaren hatten. Nichts…gar nichts kam. Sie saß entspannt vor mir ruhig und ich merkte, dass irgendetwas auf der Klassenreise passiert sein musste. Ich fühlte direkt, dass mein Kind mir etwas erzählen wollte… Ich sah sie lächelnd an und knabberte mit fragenden Augen an meinem Brötchen. Sie sah mich an und grinste etwas unsicher und verschämt.
Als ich dann die Teller in die Küche bringen wollte und bereits im Flur stand, rief sie: „Sebastian aus meiner Klasse hat mir einen Brief in meinen Rucksack gelegt!“ Ich betrat die Küche stellte die Teller auf die Ablage und dachte mir:“Na, nun gehts los, meine Kleine ist verknallt“. Ich rief wie völlig selbstverständlich zurück:“ Aha, och, wie nett“. Blöd eigentlich, aber damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich ging zurück an den Esstisch und sie sagte offensichtlich sehr aufgeregt: „Der sieht ganz toll aus und der mag mich ganz doll“. Ich erwiderte lächelnd: „Hat er das in dem Brief geschrieben?“ Lara sah mich verträumt an und sagte nur :“JA“(Gefolgt von einem Seufzer)
Ich setzte mich neben meine Tochter und sagte Ihr: „Der mag Dich, weil Du genauso bist, wie Du bist, und weißt Du“ fuhr ich fort: „Ich liebe Dich auch so, weil Du so bist, wie Du bist“.
Lara nahm mich in den Arm und schien erleichtert zu sein, mir die Geschichte mit Sebastian erzählt zu haben.
Ab diesem Abend, hat sie nie wieder über Lippenkorrekturen oder sonstiges gesprochen. Mein Kind war wie ausgewechselt und konnte morgens kaum schnell genug Ihren Ranzen packen, um zu Schule zu gehen. Natürlich „auch“ um Sebastian zu sehen…
Ich spürte, dass sie glücklich ist..Ich spürte, dass sie erwachsen wird, ich spürte aber auch, dass mein Verbot richtig war und das Vieles was unseren Kindern „lebensnotwendig“ erscheint , nur zu einer vergänglichen Phase gehört……..