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Katja aus Hamburg reichte uns diesen wirklich schönen Text ein.

Ich war gerade mal sechs Wochen mit meinem Mann verheiratet und wir hatten unsere erste große Wohnung bezogen. Da ich im sechsten Monat schwanger war, fiel mir vieles schwer. Es gab Tage, an denen ich mich lediglich von einem ins andere Zimmer schleppen konnte. Mein Mann war damals viel unterwegs, da er sich gerade selbständig gemacht hatte und uns als Alleinverdiener versorgen wollte.

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Ich bemühte mich, Haushalt und Heim perfekt in Ordnung zu halten. Wenn er dann geschafft und müde nach Hause kam, war ich sehr glücklich und wir verbrachten schöne Abende. Natürlich auch wegen der Vorfreude auf das Kind.

Dann kam der Tag, an dem wir unsere Eltern in unsere Wohnung einladen wollten. Wohl mehr seine Eltern, da meine Mutter bereits vor 16 Jahren verstarb und sie sich schon lange vorher von meinem Vater getrennt hatte.
Ich erinnerte mich; Bereits bei unserer ersten Begenung war seine Mutter nicht so begeistert von mir.
Sie hatte es nie offen ausgesprochen, dennoch war da immer so ein Gefühl, als wäre ich nicht gut genug für Ihren Sohn. Ralfs Vater hingegen war ein „Lebemann“ und mit Ihm habe ich mich immer gut verstanden.

Ich weiß noch, dass mir das Treffen wirklich „bevorstand“. Ralfs Mutter war immer sehr dominat, sowohl ihrem Mann als auch Ihren Kindern gegenüber. Es war an einem Sonntag, an dem wir die Eltern meines Mannes eingeladen hatten. Ich war immer der Typ, der aus Liebe zu meinem Mann eher mitspielte und versuchte das Positive in allem zu sehen.
Ralf hat mich nie so richtig verstanden, wenn ich ihm erzählte, was für ein Gefühl seine Mutter bei mir auslöste. Es war halt seine „Mama“ und da kommt man als Ehefrau oft sehr schwer gegen an.

Wenn er von seiner Mutter sprach, dann nur in den höchsten Tönen. Ob es der Haushalt war, ihre Kochkunst oder die erhabene Selbstsicherheit, die diese Frau ausstrahlte.

Ich schleppte mich am Tag zuvor in die Supermärkte, um besonders leckere Zutaten einzukaufen, auch schrubbte ich die ganze Wohnung von oben bis unten, damit seine Mutter kein Haar in der Suppe finden konnte. Ich hatte mir vorgenommen einfach „perfekt“ zu sein, um ihr und natürlich meinem, Mann gerecht zu werden. Ich wollte, dass er auf mich stolz ist. Meine Beine waren voller Wasser und meine Haut sah blass und fahl aus. Ich knallte mir Farbe ins Gesicht, machte mir eine nette Frisur, während der Braten im Ofen schmorte. Für das Essen hatte ich mir extra noch ein teures Kochbuch besorgt….

Ja.. Ich war an diesem Tag mega aufgeregt. Ralf stand mir natürlich zur Seite. Er sah blendend aus und genau das machte mich natürlich noch nervöser. Immerhin wog ich bereits locker 15 Kg mehr!
Ich hatte für seine Mutter Pralinen gekauft um ihr diese dann im Laufe des Nachmittags schön verpackt zu übergeben.
Ralfs Mutter war in Ihrer Jugend Opernsängerin, aus irgendwelchen Gründen gab sie das aber auf und Ralf sagte mir, sie sei deswegen immer etwas verbittert gewesen. Außerdem war sie ein Ordnungsfetischist.
Im Hause seiner Eltern hatte alles seinen Platz, seine Ordnung, seine Tradition.

Wir hatten eine schöne große Wohnung, aber ich bin in nie der Typ gewesen, der auf klinische Reinheit Wert legt. Egal…Die Zweifel und die Gedanken, schossen mir kreuz und quer durch den Kopf.
Bald war es soweit und es sollte nicht mehr lange dauern bis es an der Tür schellte.

DIIIIIINNNNNGGGGGGGDOOOOOOOOOOOOONG!

Während Ralf in der Küche eine Weinflasche öffnete, begab ich mich zur Tür.
„Nein..sagte ich mir, es wird alles gut gehen und ich will mich nicht von Vorurteilen beeinflussen lassen“.. Da standen Sie: Seine Eltern! Sein Vater lachte laut und umarmte mich, wie ein alter Kumpel und trat herein. Sie gab mir die Hand, lächelte etwas gezwungen, trat herein und sagte: „Das ist ja eine halbe Weltreise zu Euch“.
Ich hatte klitschnasse Hände und da war es wieder: Dieses Gefühl, als würde ich nicht genügen.


Sie sah mich kaum an und stolzierte Ihrem Mann ins Wohnzimmer hinterher.
Als ich dann alleine im Flur stand, sah ich durch die Tür, wie Ralf seinem Vater Wein anbot, während seine Mutter unser Wohnzimmer musterte.
Ich wusste nicht wohin mit mir und so ging ich erstmal in die Küche um stumm in den Ofen zu glotzen.
Ich musste mich irgendwie sammeln. Ich hatte mir so gewünscht, dass die Begrüßung herzlicher gewesen wäre und dass ich mir hätte keine Gedanken machen müssen.
Ich kann mir nicht helfen…Ich merkte so eine Kälte, dass es mich fast fror. Für Ralf war alles völlig normal.
Angeregt unterhielten sie sich im Wohnzimmer über seinen Beruf, über die Wohnung u.s.w.
Ich wusste, dass ich jetzt auch ins Wohnzimmer gehen musste. Ich wollte ja nicht unhöflich sein.
Auf der Couch sitzend mit dickem Bauch, wurde es dann eher ruhig. Ich konnte die Blicke von Ralfs Mutter förmlich auf mir spüren.
Das Ganze glich einer Party, auf der keiner tanzen wollte, weil die Musik zu schlecht war….
Während ich versuchte zumindest mit Ralfs Vater Small-Talk zu halten, sah ich aus dem Augenwinkel, wie seine Mutter die Kissen auf unserem Sofa zurechtstutzte und prüfend das Tischdeckchen gerade schob.

Ich konnte es nicht fassen…In meinem Kopf hatte ich mir so etwas schon ausgemalt.
Sobald Ralf von mir oder meinem Alltag als werdende Mutter anfing, gab es von seiner Mutter eher reduziertere Bemerkungen wie: „Ja, das haben wir ja nun alle mal durch gemacht“ oder“Man sollte auch im schwangeren Zustand etwas für seinen Geist tun“.
Das ist also der berühmte Schwiegermutterdrachen, dachte ich mir!

Der Nachmittag verlief im Grunde auch eher schlecht für mich : Ralf und sein Vater waren vertieft in Männergespräche, während seine Mutter eher unterkühlt daneben saß und ihre teure Bluse zurecht zupfte.

Was mache ich falsch? Alle Versuche meinerseits, mit Ihr in ein nettes Gespräch zu kommen endeten mit belehrenden Blicken oder einfachem Nicken.
Sie war ja so perfekt und so belesen und so überlegen.
Mein letzter Versuch an diesem Nachmittag, Ihr eine Freunde mit den Pralinen zu machen endete mit dem Satz: „Das ist aber aufmerksam, aber da sind ja Nüsse drin und dagegen bin ich allergisch“.

Ich stand da wie eine blöde Kuh und ja, sie hatte mir, wie die wenigen Male vorher, an denen wir uns gesehen hatten, erneut vermittelt, wie unerfahren, jung, dumm und unerfahren ich als Ehefrau doch bin.
Und das bildete ich mir DEFINITIV nicht ein!!

Selbst nach dem Essen, welches sie natürlich kaum angerührt hatte, zeigte sie mir in der Küche wortlos, wie man die Teller richtig in die Spülmaschine stellt.
Das alles lief wie ein Geheimcode zwischen uns Frauen ab. Keiner bemerkte was.

Das Ganze ist 15 Jahre her.
Als Ralfs Mutter durch einen schweren Herzinfarkt zum Pflegefall wurde und weder sprechen noch laufen konnte und Ihre Zeit nur noch im Bett verbrachte, übernahm ich die Pflege. Wir nahmen Sie zu uns und ich fütterte, massierte und wusch sie. Aus ihren Lieblingsbüchern lass ich ihr jeden Abend vor. Ich spielte ihr alte Aufnahmen von Ihr vor, aus der Zeit Ihrer Gesangskarriere.
Das Ganze tat ich zwei volle Jahre lang. Tag für Tag.
Zwar konnte sie nicht mit mir sprechen, es waren immer nur undeutliche Laute, die sie von sich gab, aber ich verstand mit der Zeit was „Durst“,“Musik“oder „“Vorlesen“ bedeuteten.
Es war nervenaufreibend. Aber da ich nicht gezwungen war, arbeiten zu gehen und mein Sohn bereits aus den Gröbsten raus war, konnte ich das alles leisten. Hinzu kommt, dass meine Mutter schon sehr lange tot war und ich es deswegen gerne tat, auch aus Liebe zu Ralf, der sehr an seiner Mutter hing.

Eines Morgens, saß ich wieder an Ihrem Bett und unterhielt mich einseitig mit Ihr, während ich Ihr das Nachthemd wechselte und eine ihrer alten Cassetten spielte, als sie sich aufraffte, mich ansah und undeutlich von sich gab:“Ich Hab Dich Lieb“.
Ich strich ihr langsam über das graue Haar und merkte wie sie reden wollte, aber nicht mehr konnte.
So viele Jahre haben wir verschwendet und erst jetzt hatten wir zueinander gefunden.
In der gleichen Nacht verstarb Ralfs Mutter und es ging mir sehr nah. Trotz ihrer Art und Weise in den vergangenen Jahren hatte ich mich an sie gewöhnt und ich hatte immer das Bedürfnis in mir, Ihr was Gutes zu tun.

Ab und zu spiele ich ihre Aufnahmen heute noch und denke dann mit guten Gedanken an sie zurück.

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