Ein Gastbeitrag von Lena aus München.
Ich halte mich selbst für eine ziemlich gute Mama.
Meine Kinder sind am Ende des Tages alle noch am Leben. Ihre Bäuche sind gefüllt, ihre Hintern sind sauber und sie sind meistens auch sehr glücklich. Es schüchtert wahrscheinlich die anderen Mütter ein, dass meine Kinder sogar abends noch frisch riechen aber ich kann nicht anders.
Im Grunde genommen bin ich Supermom.
Ich würde allerdings lügen, wenn ich euch sagen würde, dass sich mein Erziehungsstil seit der Ankunft des zweiten Kindes nicht ein kleines bisschen entspannt hat. Ich wurde gewarnt, dass das passieren würde. Ich wurde stets mit dem Satz „Warte nur ab Lena, warte ab“ behelligt, aber ich habe nur mit den Augen gerollt, weil ich anders sein wollte! Andere Mütter mögen sich vielleicht mit dem zweite Kind verändern aber ich nicht! Das zweite Baby soll genauso behandelt werden wie das erste Kind! Keine hohen Absätze für Mutti. Es wird Fotoalben mit Bildern geben! Wir werden die Nächte durchschlafen! Es wird Teller voller Gemüse geben! Jawohl!
Ein Jahr später.
Unser erstes Kind wurde jede Woche auf seinem Kinderstuhl fotografiert, um jeden Zentimeter seines Wachstums aufzuzeichnen. Das zweite Baby hatte nicht mal einen eigenen Stuhl. Das erste Kind genoss eine Mottoparty anlässlich des 1. Geburtstags, mit thematisch passenden Kuchen und einer gefühlten Million Familienmitgliedern von außerhalb. Unser zweites Baby bekam einen Donut in ihrem Hochstuhl und Oma und Opa kamen zu Besuch. Unser erstes Kind bekam ausschließlich hausgemachten Babybrei, welcher bei Raumtemperatur gedämpft wurde, um ja alle Nährstoffe und Farben erhalten zu können. Er aß Kürbis, Äpfel, Zuckererbsen, Hummus, Guacamole, so ziemlich alles. Er war ein kleiner Feinschmecker, und seine Ernährung war so bunt wie ein Regenbogen.
Unser zweites Baby?
Nun, unser zweites Kind isst Brot und Käse.
Bevor du jetzt ausflippst, versuche ich, dir zu erklären, wie es dazu kam. Es ist so: Wir haben acht Milliarden Dinge während des Tages zu erledigen und leider fehlen mir die 60 Minuten, in denen ich selbstgedämpfte Möhren in die Speiseröhre des Kleinkindes befördere. Meine Prioritätenliste hat sich dahingehend leider stark verschoben. Es ist nicht so, dass sie keine Abwechslung in ihrer Ernährung hat. Unser zweites Kind isst ein breites Sortiment….an Kohlenhydraten und Milchprodukten. Zum Frühstück gibt es Rosinentoast und Mozzarella-Käse. Zum Mittagessen, Käsecracker und Saft. Und zum Abendessen? Pizza! Das ist italienisch, wir achten sehr auf Vielfalt! Das Kind mag vielleicht mit Kohlenhydraten vollgestopft werden, aber immerhin achten wir auf kulturelle Vielfalt!
Ich hatte die besten Absichten, als sie alt genug für den ersten Brei war. Ich hatte meinen Dämpfer entstaubt und meinen ersten Butternusskürbisbrei fertig, aber sie lachte mir nur ins Gesicht und: „Yaaaah, nein. Ich möchte lieber einen Käsestick!“
Ich habe wirklich alles versucht.
Herr, wie ich es versucht habe.
Ich habe alles gekocht! Fettucini alfredo mit Huhn und Erbsen? Sie aß nur die Nudeln und natürlich Brot und Käse. Ein frischer Caesar-Salat mit Shrimps? Sie aß nur die Croutons und den Parmesan und Brot und Käse. Ein richtiges englisches Frühstück? Yep. Brot und Käse.
Und als ich mir nicht mehr zu helfen wusste, brachte ich Mia schließlich zum Kinderarzt, ich war mir ziemlich sicher, dass mir mein Supermom-Status offiziell aberkannt werden sollte. Der Termin verlief gut. Mein kleines Mädchen blühte auf und zeigte, was in ihr steckte. Sie war in jeder Hinsicht ein wandelndes, sprechendes Wunder. Ein Baby-Genie!
Ihre unfreiwillige Talentshow gab mir dann das Selbstvertrauen, die ganze Brot-und-Käse-Nummer doch einmal anzusprechen.
„Frau Doktor, ich bin nur ein wenig besorgt, dass wir als Eltern anscheinend nicht in der Lage sind, genug Gemüse in dieses Baby rein zu bekommen.“
„Oh? Was isst sie denn?“
„Nun, eine Menge Dinge. Sie wissen schon. Cracker…Käse…Toast…Käse…Toast…Brot…Käse…Pizza.“
Die Ärztin hielt mit dem Stethoskop inne und lachte ein wenig.
„Nun, ich bezweifle, dass sie mit Ende 20 noch so essen wird, also ich würde mir an ihrer Stelle keine Sorgen machen. Versuchen Sie einfach immer wieder, ihrer Tochter unterschiedliche Dinge anzubieten. Achten sie darauf, besonders farbenfrohe Lebensmittel anzubieten. Wenn die Ernährung nächstes Jahr immer noch ein Problem ist, dann schauen wir weiter.“
Klingt einfach oder? Ich ging also zum Supermarkt, eine Mama auf einer Mission, überzeugt davon, dass dies der Tag sein würde, an dem das zweite Kind seine Farbpalette erweitern würde und an dem es zu den glorreichen Farben-Liebhabern werden würde. Wir schlenderten also durch alle Abteilungen und beluden den Wagen.
Äpfel, Erbsen, grüne Bohnen, Grünkohlchips. Alles landete in unserem Wagen. Unser zweites Kind war dabei, eine First-Claas-Premium-Behandlung zu bekommen. Zu Hause angekommen, befreite ich Töpfe, Pfannen und Dämpfer aus ihrer Gefangenschaft. Mia ging in den Hochstuhl, wo sie spielerisch auf ihren Teller klopfte. Essenszeit!
Sei ruhig aufgeregt, kleine Mia. Heute ist der Tag der Tage.
Als mein Mann mit unserem ältesten Sohn durch die Tür schlenderte, sah die Küche aus, als wäre eine Bombe explodiert.
„Äh, Schatz? Was gibt’s heute zum Abendessen?“
„Oh, das hier ist für Mia“, sagte ich und schnitt noch einen kleinen Kürbis auf. „Wir müssen mehr Farbe in ihre Ernährung bringen.“
Ich warf beiläufig eine Karotte auf das Hochstuhltablett. Mia hob sie auf, machte ein Erbrochenes-Emoji-Gesicht und warf sie weg.
Ich legte eine Erbse aus ihr Tablett. Kotz Emoji. Brokkoli. Kotz Emoji. Butternusskürbis. Kotz Emoji.
„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll!“ Ich war so frustriert. „Warum lehnt sie all dieses farbenfrohe Essen ab, verdammt?“
Und genau in diesem Moment marschierte mein 3-jähriger Sohn mit einem Lächeln im Gesicht durch die Küche. Er hatte eine halboffene Tüte Gummibärchen in der Hand. Er warf drei verschiedenfarbige Gummibärchen auf die Hochstuhlablage und sagte: „Schau, Mami! Mia liebt buntes Essen!“
Das Baby lächelte von Ohr zu Ohr, nahm einen ersten Bissen vom grünen Gummibärchen und knabberte fröhlich vor sich her. Es ist ein wenig unkonventionell, das gebe ich zu, aber ich zähle es dennoch als Erfolg.
Endlich konnten wir etwas mehr Farbe in die Ernährung von Mia bringen 🙂
Fazit: Jedes Kind „isst“ anders.