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Ein Gastbeitrag von Stephanie aus Saarbrücken

Okay, ich betrachte mich selbst als sehr aufgeschlossen, wenn es um die individuellen Entscheidungen von Frauen im Allgemeinen geht. Insbesondere denke ich, wenn du in einer Wanne in deinem Hinterhof gebären willst, tue es. Wenn du dein Kind nicht, ohne eine  Epiduralanästhesie gebären kannst, super.

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Ich glaube, dass das Wichtigste bei einer Geburt, neben der Sicherheit natürlich, ist, dass sich die Mutter mit der Art und Weise der gewählten Entbindungsart wohl fühlt. Ganz egal, wie sie sich letztlich entscheidet.

Ich habe mich während meiner Schwangerschaft für die „alternative“ Seite entschieden. Ich habe mein Kind, mit Hilfe von zwei gut ausgebildeten Hebammen bekommen zu Hause bekommen. Ich badete unsere Baby die ersten Tage nach der Geburt nicht (abgesehen von punktuellen Reinigungen hier und da), und Grunde hatten wir ununterbrochen Hautkontakt und taten nichts als Kuscheln und Stillen.

Nun bin ich auf einen neuen Trend gestoßen, der die Geburtswelt und alle sozialen Medien überschwemmt: DIE LOTUSGEBURT! Du hast keinen Schimmer, wovon ich rede? Dann werde ich dir einen kleinen Überblick geben:

Anstatt die Nabelschnur direkt nach der Geburt durchzutrennen oder sie abzuklemmen, bis sie aufhört zu pulsieren, bleibt das Baby mit der gesamten Plazenta verbunden, bis die Schnur natürlich austrocknet und abfällt. Dieser Prozess kann einige Tage dauern (3-10 Tage c.a.), folglich muss man die Plazenta überall mit herumtragen werden- normalerweise in einer Schüssel oder einem Topf, wie hier zusehen :

Ich verstehe das nicht.

Wenn das etwas ist, was du unbedingt willst, dann tu es bitte. Aber die Vorstellung, dass ein verrottetes Organ nach der Geburt tagelang an meinem Baby hängt, ist etwas, was ich mir persönlich absolut gar nicht vorstellen kann.

Anhänger der Praxis glauben, dass die Lotusgeburt der natürlichste und spirituell erfüllendste Weg ist, mit der Nachgeburt umzugehen. Wie die Leute von LotusBirth.net es ausdrücken: „Lotusgeburten verlängern die Geburtszeit während der ersten, heiligen Tage und ermöglichen dem Baby, Mutter und Vater und allen Familienmitgliedern, innezuhalten, nachzudenken und sich am natürlichen Lauf zu beteiligen. Die Lotusgeburt ist ein Weg, zu den Rhythmen der Natur zurückzukehren, zu der natürliche Ordnung. Und die Erfahrung zu machen, nichts zu tun und einfach nur zu sein. “ –> ÄHM. Okay.

Nun, das ist alles schön und gut, aber warum muss ich mit einem Organ in einem Kochtopf im Haus herumlaufen, um das zu erreichen? Soweit es mich betrifft, finde ich, dass dieser Aufwand völlig kontraproduktiv ist, wenn wir von „einfach nur zu sein“ sprechen.

Es scheint, als würde dieses Lotus-Gedöns die ersten Tage nach der Geburt noch viel schwieriger machen, als es sowieso schon ist. Sind die ersten Stillversuche dadurch nicht total umständlich? Windelwechsel, mit dem Ding ist doch auch kein Zuckerschlecken, oder? Außerdem ist es ja so, dass deine Hände eh dauernd schwer beladen sind. Mit dem Neugeborenen und all den Sachen, die du herumschleppst; muss man sich dann noch eine Schale voller Verwesung zumuten, die man sich unter den Arm klemmt? Und wenn man auch noch andere, kleine Kinder hat, kann ich mir nicht vorstellen, welche stressigen und fiesen Situationen dadurch noch entstehen könnten. Noch eine weitere Sache, über die man sich Sorgen machen muss? Ich kann das nicht nachvollziehen.

Letztendlich bleibt die Frage offen, ob die Praxis aus gesundheitlicher Sicht einen Sinn macht. Keine der Lotus-Geburtswebseiten zitierte irgendwelche medizinischen Beweise für die Praxis, und ich konnte keine medizinische Studie da draußen finden, die diese Praktik unterstützt. Ich fragte meine Hebamme um Rat und wollte wissen, was sie zu diesem Trend zu sagen hat.

„Ich kenne keine medizinische Notwendigkeit für eine Lotus Geburt“, sagte sie mir. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand eine Kontrollstudie über Lotus- und Nicht-Lotus-Geburten durchgeführt und die Gesundheitsergebnisse untersucht hat.“

Meine Hebamme zeigte sich außerdem besorgt über die Möglichkeit von Infektionen, die  bei der Zersetzung der Plazenta entstehen könnten, und warnt deshalb vor der Praxis. (Nein, auch wenn du dein Salatdressing über die Plazenta kippst, ändert das anscheinend nichts.)

Meine Hebamme erzählte mir, dass Lotusgeburten von der Idee der „verzögerten Nabelschnurabklemmung“ bei der man die Nabelschnur für einige Minuten nach der Geburt pulsieren lässt, um sicherzustellen, dass das gesamte Blut aus der Plazenta in das Baby geflossen ist, unterschieden werden müssten. Diese Praxis hat tatsächlich gesundheitliche Vorteile und wird von vielen großen Gesundheitsorganisationen unterstützt.

„Die gesundheitlichen Vorteile der Verzögerung der Nabelschnurabklemmung für ein paar Minuten sind gut dokumentiert“, sagte sie, „Lotusgeburten gehen jedoch weit über diese Empfehlung hinaus und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie ähnliche Risiken oder gar Vorteile haben.“

Nenn mich verbohrt. Nenn mich spirituell verklemmt. Aber ich glaube nicht, dass ich einen  Topf mit verrottendem Gewebe herumtragen muss (auch nicht herumtragen kann oder gar möchte), um meine Chakren nach der Geburt neu auszurichten. Ich finde es ekelhaft und es macht für mich absolut keinen Sinn. Dann kann ich genauso gut 3 Spinnenbeine mit 12 Einhorntränen vermischen und diese bei Vollmond auf meine Familie spritzen. Da glaube ich  sogar eher noch an einen positiven Effekt.

Ihr könnt mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

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