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Ein anonym eingereichter Gastartikel.

Unsere Beziehung fing an zu bröckeln, als ich mit meinem ersten Sohn schwanger war. Davor hatte ich mir den Arsch aufgerissen, damit meine Schwiegermutter mich genauso liebt, wie ihre anderen Schwiegertöchter auch. Das war ein verdammt harter Kampf – alle Schwiegertöchter leben in der gleichen Stadt wie meine Schwiegermutter, wir tun dies nicht. Ich ließ mich davon nicht abhalten. Ich schickte ihr Karten an entsprechenden Feiertagen, und wenn mein Mann sie mal verschickte, stellte ich stets sicher, dass meine Unterschrift auch mir darunter war. Ich war sogar in dieser schrecklichen, nervigen und unnötigen Familien-WhatsApp-Gruppe. Ich habe ihre Ratschläge befolgt, zumindest befolgte ich sie, wenn sie mal zu Besuch war.

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Aber dann, als ich mit meinem Sohn schwanger war, musste ich mehrere Tage ohne meinen Mann in ihrem Haus verweilen. Ich litt an einer schrecklichen pränatalen Depression, die dazu führte, dass ich stundenlang weinte, bis 4 Uhr morgens las und dann bis 15 Uhr schlief. Sie zeigte keinerlei Empathie. Natürlich gaben sie mir etwas zu essen und sie fütterten mich auch manchmal. Mein Schwiegervater, Gott hab ihn selig, nahm mich sogar mal mit auf eine Tour durch die historische Altstadt und lud mich im Anschluss in ein schönes, italienisches Restaurant ein. Aber als ich stundenlang weinend im Bett lag und in mein Telefon schrie, dass mein Mann jetzt bitte nach Hause kommen sollte, ignorierten sie mich – sie taten so, als wäre ich gar nicht da. Keine Umarmungen. Keine Emotionen. Nichts dergleichen. In diesem Moment starb etwas in mir. Ich war durch mit meiner Schwiegermutter.

Ich habe direkt aufgehört, Dinge zu tun, nur um ihr zu gefallen. Ich hielt unsere Bekanntschaft aus Höflichkeit aufrecht, aber ich blieb stets bei mir. Sie möchte mit ihren Enkeln ins Museum gehen? Bitteschön, ich komme nicht mit. Sie möchte in ihr Lieblingsrestaurant gehen? Nein, ich mag dieses Restaurant nicht. Wir könnten gerne irgendwo hingehen, wo es besseres Essen gibt – denn wenn ich schon nicht koche, möchte ich mein Geld gerne in etwas Gutes investieren.

Ich habe auch dem alljährlichen, gemeinsamen Strandurlaub den Rücken gekehrt. Die Jahre zuvor hatte ich noch lauthals meine Begeisterung darüber geäußert, zwei Wochen in einem kleinen Strandhaus mit der ganzen Großfamilie zu verbringen, eingekeilt in eine Ecke des kleinsten Zimmers mit der schäbigsten Klimaanlage der Welt. Als ich schwanger wurde, bezogen wir immerhin einen etwas größeren Raum mit einer etwas besseren Klimaanlage, was zumindest bedeutete, dass ich mich nachts nicht mehr tot schwitzen musste.

Meine Begeisterung für diese Urlaube nahm irgendwann drastisch ab. Nur weil meine Schwiegermutter immer an die Nordsee wollte und das schon seit ihrer Kindheit jedes Jahr so machte, bedeutete das noch lange nicht, dass ich dasselbe wollte. Sie konnte das nicht verstehen. Aber das musste sie ja auch nicht.

Ich habe also die Urlaubs-Bedingungen verändert. Im ersten Jahr fuhren wir gar nicht mit. Außerdem fahren wir grundsätzlich nicht länger als 12 Tage in den Urlaub. Wir essen nicht immer genau in dem Restaurant, welches sie so liebt, weil ich keine Meeresfrüchte mag. Außerdem fing ich an, darauf zu bestehen, dass unser Frühlingsurlaub auch unser Frühlingsurlaub blieb. Eine Reise, die wir als Familie gestalten, kein Urlaub, den die Schwiegereltern ausrichten und bestimmen. Danke. Es war meiner Schwiegermutter klar, wer für all diese Entscheidungen verantwortlich war. Meine Schwiegermutter wusste es. Sie dachte, ich halte sie von ihrem armen Jungen fern. Nein. Ich hielt sie von mir fern.

Mittlerweile tänzeln wir wie zwei Kobra-Schlangen umeinander her. Unsere Beziehung kann man durchaus als „kühl“ bezeichnen. Meine Weihnachtsgeschenke haben in Qualität und Quantität deutlich abgenommen. Der Kinder wegen halten wir uns wacker. Grundsätzlich akzeptiere ich meine Schwiegermutter nach wie vor. Darüber hinaus muss ich natürlich zugeben; dass ich sie allein schon deswegen respektiere, weil sie meinen Mann großgezogen hat, und er ist einer der besten Männer ist, die ich je getroffen habe.

Vielleicht mag sie mich nicht, weil ihr meine Haare, meine Hunde oder mein Büchergeschmack nicht gefallen. Vielleicht bin ich in ihren Augen in zu ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Vielleicht ist sie auch einfach nur vergesslich, zu sehr mit sich selbst beschäftigt und sie merkt vielleicht gar nicht, wie sehr sie andere Menschen mit ihrer Art verletzt. Ich merke das jedoch sehr genau, weil sich ihr Verhalten und ihre Art und Weise auf mich und meine Familie auswirkt. Und ich bin durch damit.

Ich bat meinen Mann neulich, ihr auszurichten, dass wir uns dieses Jahr keine großen und teuren Weihnachtsgeschenke schenken werden. Sie hat es trotzdem getan. Ich ärgerte mich und spendete diese nach kurzer Zeit an eine gemeinnützige Organisation.

Mir wurde plötzlich klar, dass ich mich gar nicht mit den anderen zuckersüßen Schwiegertöchtern messen will, die mit ihr in der gleichen Stadt leben und deren Kinder sie jede Woche zu Gesicht bekommt, die stets mit ihr beim Lieblings-Italiener zu Abend essen und ihren Rat bei der Auswahl von Geschirr, bis hin zu der Auswahl an Schulen strikt befolgen. Ich hingegen treffe Entscheidungen nicht danach, was sie gerne hätte, sondern danach, was für meine Kinder und uns das Beste ist.

Ich musste lernen, dass ich, anders als ihre Kinder und deren Ehepartner, nie eine von ihnen war. Und inzwischen bin ich damit sogar einverstanden.

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