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Ein Gastbeitrag von Lena aus Koblenz

Ein Teil meiner täglichen Routine, nachdem ich die Kinder in die Schule gebracht habe, besteht darin, die Schlafzimmertür meiner Tochter zu schließen. Ich werfe meist noch einen Blick in ihr Zimmer. Jedes Mal ärgere ich mich aufs Neue, überall liegen Klamotten rum und auf ihrem Schreibtisch stapelt sich das Papier. Jedes Mal, wenn ich die Tür wieder schließen will und dann aber doch in ihr Zimmer schaue, denke ich mir: „Was ist eigentlich ihr Problem? Wie schwer kann es bitte sein, die Klamotten einfach mal in den Wäschekorb zu werfen? “ Und dann merke ich die schlechte Laune empor steigen.

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Dann biege ich um die Ecke, betrete mein eigenes Zimmer und erkenne sofort meine eigene Doppelmoral. Mein Schlafanzug liegt ebenfalls auf dem Boden, die Decke liegt zerknautscht auf dem Bett. Ich erinnere mich an mein Kinderzimmer früher und wie schlimm es dort oft aussah. Es sah oft so aus, als wäre eine Bombe explodiert.

Ich bin ein gescheiterter Perfektionist. Ich wünschte, ich wäre der perfekte Perfektionist und ich kämpfe ständig darum, dieses Bild aufrecht zu erhalten. Diesen täglichen Kampf mit mir selbst übertrage ich dann auf meine Kinder und das ärgert mich zusehends.

Ich las neulich ein Buch einer Kinderpsychologin, sie sagte in Kurzform folgendes: „So oft werden Kinder bestraft, weil sie einfach menschlich sind. Sie dürfen keine mürrischen Stimmungen, schlechte Tage oder einfach mal miese Laune haben. Aber wir Erwachsenen haben diese Emotionen auch. Keiner von uns ist perfekt. Warum setzen wir das Niveau der Vollkommenheit bei unseren Kindern so hoch an? Höher als wir es je selbst erreichen können?“

Ähm. Schuldig.

Ich kann euch gar nicht sagen, wie oft ich mit einer miesen Stimmung aufgewacht bin. Mein Tonfall war zum Kotzen, ich war gemein zu meiner Familie, und es gibt buchstäblich keine Entschuldigung dafür. Außer, verdammt, außer der Tatsache, dass ich eben neben dem Mamasein doch auch nur ein Mensch bin.

Nun stellt sich die Frage: Warum dürfen unsere Kinder das nicht?

Ich versuche, mich zu ändern. Es fällt mir allerdings nicht so leicht.

Bei Kindern gibt es meistens einen Grund, warum ein Tag zu einem Desaster wird. Es ist meine Aufgabe, an die Wurzel dieses Problems zu kommen und es im Idealfall auch zu lösen. Vielleicht war es eine beschissene Nacht, oder vielleicht war es jemand, der gemein in der Kita war, oder vielleicht, nur vielleicht, wachten sie einfach grundlos mit schlechter Laune auf. Schließlich sind unsere Kinder auch nur Menschen.

Wir sollten uns einfach viel öfter an diese Tatsache erinnern. Wir bestrafen, erheben unsere Stimmen und ärgern uns, ziehen uns sogar von unseren Kindern zurück, sogar dann, wenn das für sie so ein mieser Tag war.

Ich weiß nicht wie es dir geht, aber manchmal schaue ich meine kleinen Kinder an und sehe so viel Bedürftigkeit, sie brauchen uns einfach, das ist menschlich. Es ist nicht ihr Ziel, mein Leben unglücklicher zu machen; Sie sind darauf aus, ihr eigenes Leben entdecken und leben zu können. Um sich frei entfalten zu können, brauchen sie all meine Hilfe, Liebe und Unterstützung.

Jeder Mensch ist dann und wann bedürftig. Das macht uns menschlich. In der Tat, wenn es so etwas wie die Königin der Bedürftigkeit gäbe, würde ich wahrscheinlich die Krone tragen.

Ich habe versucht, meinen Kindern beizubringen, dass sie wütend auf mich sein dürfen. Sie sollen nur versuchen, dabei nicht zu verletzend zu sein. Sie dürfen in ihr Zimmer gehen, sich abkühlen und in ein Kissen schreien und dann können sie mit mir darüber reden, was sie belastet. Ich versuche auch, diesem Rat zu folgen, damit ich ihnen ein Vorbild sein kann.

Ich versuche den Unterschied zwischen der Bestrafung von menschlichem Verhalten und der Bestrafung von unangemessenen Verhaltensweisen, genau zu unterscheiden.

Es kann jedoch ausgesprochen anstrengend sein, zwischen diesen beiden genau zu unterscheiden, da das Zusammenleben in einer Familie mit extremen Emotionen verbunden ist.

Wenn das Kind irgendwann ein mürrischer Teenager ist, der die Welt grundlos hasst und die eigene Mutter in Frage stellt, erhält dieses Thema noch mal seinen Höhepunkt.

Es ist also wichtig, uns selber immer wieder daran zu erinnern, dass diese winzigen Menschen, die wir aufziehen, winzige Menschen sind. Sie brauchen etwas Gnade und Mitgefühl für ihre großen Gefühle. Wenn wir sie also für ihre individuellen Gefühle und Emotionen betrafen, kann das nicht richtig sein.

Also, hier kommen meine Stickpunkte, an denen ich mich bei Entscheidungen orientiere:

  • Ich höre in mich hinein, ob da etwas ist, was mein Kind belasten könnte
  • Ich frage meine Kinder, ob es etwas gibt, was sie belastet
  • Wie würde ich mich fühlen, wenn ich auf die gleiche Weise bestraft worden wäre
  • Würde es sich gerecht anfühlen, wenn ich für eine Sache bestraft worden wäre, wenn ich mich in die Rolle des Kindes versetze?

Eines Nachmittags weinte meine Tochter nach der Schule, sie war sehr wütend. Meine Laune wurde auch immer mieser. Ich war doch noch gut gelaunt, bevor sie nach Hause kam. Warum kann sie nicht einfach aufhören, mir den Tag zu vermiesen? Das ist ehrlich, ich dachte es aber genau so.

Ich wollte sie für den Rest des Tages am liebsten in ihr Zimmer verbannen, damit ich nicht  in ihre Achterbahngefühle reingezogen werde. Dann hörte ich auf mein Herz und gab meinem Kind einfach eine extra Portion Liebe. Ich gab ihr den Raum, den sie brauchte.

Ich lies die Küche Küche sein und wir setzten uns auf die Couch. Sie sagte nicht viel, aber ich konnte an der Art und Weise erkennen, wie sich ihr Atem verlangsamte und nach und nach stellte sich ein ruhiger Blick in ihren Augen ein, als sie aus dem Fenster schaute. Das, was sie von mir brauchte war – meine Anwesenheit, meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Und das ist schon alles, der große Trick: Wir müssen uns nur daran erinnern, dass unsere Kinder menschlich sein dürfen. Genau wie du. Du bist auch nicht perfekt, also warum erwartest du das von deinen Kindern? Wenn wir alle diese Erwartungen loslassen, können wir alle viel glücklicher zusammen leben. Und darauf kommt es an.

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