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Ich bin Susanne aus München und ich habe meinen Mann verloren.

Ihr wisst schon, es war gerade wieder Valentinstag. „Love ist is the Air“, läuft in Dauerschleife auf jedem Radiosender.

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Viele Menschen denken am Valentinstag an Blumenlieferungen, ausgefallene Abendessen, Wein und Pralinen. Schokolade in Herzform. Süß und klebrig, wie Liebe eben ist. Sie denken an schöne Dessous und auch an Sex. Restauranttische werden gebucht, H&M wird wahrscheinlich rote Boxershorts mit Herzchen drauf verkaufen und Facebook wird mit Liebesgeschichten und Bildern von roten Rosen in Vasen auf Schreibtischen nahezu überschwemmt.

Das sind die Dinge, die ich auch jahrelang wirklich genossen habe, jedoch sind diese Erfahrungen wirklich sehr verblasst. Es ist in Ordnung, sage ich mir; das ist Teil des ganzen Trauermists. Therapeuten nennen das Jahr, nachdem dein Partner gestorben ist das  „Jahr der Premieren“. Du erlebst alle Dinge, die du einst zu zweit erlebt hast, plötzlich alleine. Traurige Premieren sind das. Ich werde mir wahrscheinlich wieder all die wunderschönen Karten anschauen, die er mir anlässlich der letzten 16 Valentinstage geschenkt hat. ch werde darüber nachdenken, wie besonders wir uns fühlten, als unser erstes Kind vor 11 Jahren genau am Valentinstag geboren wurde. Ich stelle mir den Blumenstrauß vor, den er mir zu unserem allerersten Valentinstag als Paar geschenkt hat und all die Pralinen, mit denen er mich zwischendurch überrascht hat. Ich werde es durchstehen. Ich kriege das hin. Es ist nur ein weiterer, normaler Tag.

Ich bin nicht die Einzige, die so fühlt.

Es gibt im Moment unzählige Leute da draußen, die sich den 14. Februar am liebsten weg wünschen würden. Er soll einfach schnell vorbei gehen.

So viele Menschen auf dieser Welt leiden und kämpfen wegen einer verlorener Liebe. Viele von ihnen bleiben unbemerkt – hinter dem Einkaufswagen versteckt, während sie die roten Tomaten an der Kasse anstarren oder vor der Valentinskartenabteilung bei Karstadt stehen bleiben, und ihnen schmerzlich klar wird, dass sie niemanden mehr haben, der ihnen eine Karte kauft. Diese Menschen versuchen das knutschende Paar auf dem Parkplatz einfach zu übersehen. Die Anderen sehen dabei nicht, wie das Messer sich tief in die Wunde bohrt, immer dann, wenn irgendwo verliebte Blicke ausgetauscht werden.

Ich fing an über unsere letzte Zeit als Paar zu schreiben, ich veröffentlichte meine Gefühle auf einem kleinen Blog. Als Antwort darauf erhielt ich Dutzende von Nachrichten von Witwen (und auch Witwer) aus dem ganzen Land und sie teilten ihre Erfahrungen mit mir. Ich weiß auch nicht warum. Ich bin die letzte Person auf der Erde, die qualifizierte Ratschläge geben kann, aufmunternde Reden hält oder gar Vorschläge zu allem hat, was mit dem Leben im Allgemeinen zu tun hat. Aber immer noch kommen sie auf mich zu.

Ich bin dann einer jungen online Witwengruppe beigetreten. Eine Geschichte ist herzzerreißender als eine andere. Der Geburtstag einer Witwe ist am Valentinstag. Einige dieser Frauen erzählten ihre Geschichten darüber, wie ihre Ehemänner starben, so das meine Geschichte dagegen echt banal klang. Mit einem Hauch von Krebs. Ich litt mit jedem Menschen mit, besonders mit den Kindern, viele jünger als meine, die sich so sehr nach einer Antwort sehnten, warum gerade sie jetzt ohne Papa da standen. Ich weiß zu gut, wie sich das Fehlen von Antworten anfühlt und wie unfassbar schwer die Stille zu ertragen ist.

Der Herzschmerz ist quasi durch die E-Mails spürbar. Die Tastatur ist nach dem gegenseitigen Austausch meist mit Tränen überströmt. So viele von ihnen sind vor Angst erstarrt, vor Trauer ohnmächtig, sie haben unbändige Furcht vor der Zukunft. Viele von ihnen wissen nicht, wie sie am besten weitermachen sollen. Sie alle wünschen sich, das alles wäre nur ein Alptraum, aus dem sie irgendwann wieder aufwachen werden.

Ich habe keine Antworten für irgendetwas davon gefunden. Leider. Ich suche immer noch nach Antworten. Ich sage ihnen nur, dass sie Hilfe von Freunden und Familie annehmen sollen – alle wissen, wie schwer das ist. Ich frage mich so oft, ob es Frauen in meiner Gruppe gibt, die allein mit ihrer Trauer sind, vielleicht haben sie keine anderen Menschen, die sie bei ihrer Trauer unterstützen können. Vielleicht haben sie keine Freunde, die ihnen einen Topf heiße Suppe bringen oder die ihre Kinder mit zu sich nehmen, damit sie alleine weinen können. Ich weiß wirklich nicht, wie ich diesen Menschen wirklich helfen kann.

Also schreibe ich. Ich schreibe dir und bitte dich, ihnen zu helfen. Es gibt so viele Menschen mit gebrochenem Herzen, die Freundlichkeit, Aufmunterung, jemanden, der zuhört, brauchen. Diese Menschen erleiden täglich so viel Schmerz, der weit darüber hinausgeht, nur am Valentinstag keine Karte vorzufinden. Jeden Morgen wachen sie ohne ihre geliebten Menschen auf. Also bitte tu mir den Gefallen und denk nicht nur an Dich. Du kannst ihre Lücke zwar nicht füllen aber du kannst zumindest eine Stütze sein.

Meine 7-jährige Tochter summte heute Morgen beim Haareföhnen ein Lied. Ich guckte um die Ecke, um sie besser hören zu können. Ich weiß nicht, wie sie auf dieses Lied gestoßen ist, aber ich lächelte, als ich O’Jays Version von „Love Train“ erkannte. Wow, das Lied passte wirklich wunderbar zu meinen Gedanken. Frei übersetzt heißt es: „Menschen auf der ganzen Welt, bildet einen Zug, einen Liebes-Zug! Steigt ein!“

Egal wie schief sie sang, die Botschaft hätte nicht klarer sein können: Liebe muss weiter gegeben werden. Liebe muss geteilt werden. Wir sind alle aus einem Holz geschnitzt.

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