Ich bin eine von diesen Müttern. Weißt du, ich bin die Art von Mutter, die ihre Kinder morgens an der Schule ohne großes Aufsehen absetzt. Ich bringe sie nicht mit peinlichen Kuss-Attacken oder gar Salven wie „Mami hat dich liiiiieb!“ in Verlegenheit….AAABER. Stattdessen traktiere ich sie, indem ich in ihnen jeden Morgen dasselbe sage: „Ok, seid freundlich, ja?!“ Jeden Morgen der gleiche Satz.
Immer dann, wenn ich sie abhole, frage ich: „Zu wem wart ihr heute nett?“ Manchmal dauert das Nachdenken länger, sie grübeln nahezu. Dann sagen sie mir schließlich, dass sie ihrem Lehrer heute gegenüber freundlich waren, weil der sie heute nicht gerügt hat, als sie wieder zuviel Blödsinn gemacht haben. Manchmal sprudeln die Antworten nur so aus ihnen heraus: „Ich habe Paul ganz doll zum Lachen gebracht.“ „Ich habe Bruno heute gesagt, dass er einen schönen Rucksack hat.“ „Ich habe Hanna heute geholfen, als ihr die Bücher runter gefallen sind.“ Ich habe Melissa in das Lehrerzimmer begleitet, als sie sich beim Völkerball das Bein verstaucht hat!“
Erst nachdem wir die Frage „Zu wem warst du heute freundlich“ ausgiebig geklärt haben, frage ich sie nach ihrem restlichen Schultag. „Hast du irgendwelche Hausaufgaben auf?“ „Wie ist dein Mathe-Test gelaufen?“ „Müssen wir heute für das Diktat lernen?“ Diese Fragen sind für mich von geringerer Bedeutung, verglichen mit der Freundlichkeit, die sie am Tag verteilen. Das liegt daran, dass es mir ehrlich gesagt nicht so viel an Hausaufgaben, Mathematik und Rechtschreibung liegt. Mir ist es viel wichtiger, dass meine Kinder aufrichtig freundlich sind.
Ich bin manchmal so wütend, auf den Hass, der unsere Welt regiert. Die Nachrichten lassen mich schaudern. Facebook- Kommentare sind häufig so voller Hass. Öffentliche Beleidigungen, wütende Kraftausdrücke, für die man sich schämen müsste, stehen an der Tagesordnung. Menschen werden öffentlich verletzt und runter geputzt.
Ich frage euch: Was ist das Gegenmittel zu all dem Hass? Freundlichkeit! Einfach nur kein Arschloch mehr zu sein, reicht heute nicht, es brauch FREUNDLICHKEIT, um in dieser Welt bestehen zu können.
Wenn wir mit unseren Kindern lediglich darüber REDEN, wie es ist, freundlich zu sein, dann reicht das nicht. Wir müssen ihnen vorleben, wie Freundlichkeit wirklich gelebt wird. Neulich fuhren wir alle mit dem Auto ins Restaurant und ein Auto drängte sich vor unseres. Fast sind wir zusammen gestoßen, aber er wechselte die Spur und alles schien in Ordnung zu sein – bis das Auto direkt neben uns anhielt und der Fahrer sein Fenster herunterkurbelte. Oh nein, dachte ich. Bitte jetzt nicht vor den Kindern Pöbeln. Der andere Fahrer beugte sich vor und entschuldigte sich bei uns. Er schüttelte den Kopf und lachte über seinen eigenen Fehler. Mein Mann lachte auch und versicherte ihm, dass alles in Ordnung sei. Am Ende konnten wir alle entspannt weiterfahren.
„Was hat er gesagt, Papi?“, fragte eines unserer Kinder.
„Er hat sich entschuldigt“, sagte ich. „Fehler passieren. Man entschuldigt sich, vergibt sich gegenseitig und fährt weiter. Gemeinsam lachen und freundlich sein und schon läuft´s!“
Ist das nicht der Weg zu einer besseren Welt? Etwas, dass wir alle so sehr brauchen?
Meine eigenen, ziemlich hoch gesetzten, Freundlichkeits-Ziele nerven mich allerdings auch selbst manchmal. So sehr ich mir auch wünsche, perfekt zu sein, es haut nicht immer hin. Ich meckere viel mehr als ich eigentlich sollte. Ich bin ungeduldig. Ich vergesse Geburtstage und rufe meine beste Freundin nicht so oft an wie ich eigentlich sollte. Und ich kann regelrecht ungemütlich werden, wenn ich gestresst oder hungrig oder müde bin. Allein aus diesen Gründen muss ich meinen Kindern viel zum Thema Vergebung und Entschuldigung-Sagen beibringen – SEHR VIEL.
Ich versuche meinen Kindern nicht nur zu sagen, dass man nett sein muss, ich versuche ihnen täglich zu zeigen, WIE das geht. Ich bin nett zum Bäcker, ich bin nett zu der Friseurin. Ich erkläre, dass ein Fahrer, der mir gerade den Weg abgeschnitten hat, vielleicht nur abgelenkt war. Ich zeige ihnen die Wichtigkeit von Gnade und Flexibilität. Und ich zeige ihnen, dass es in Ordnung ist, sich hin und wieder auch mal falsch zu benehmen, insofern man in der Lage ist, darüber zu reflektieren. Ich will nicht, dass meine Kinder nur keine Arschlöcher sind. Ich möchte, dass meine Kinder freundliche Menschen sind.
Für viele mag das vielleicht übertrieben klingen. Es scheint so, als ob die meisten Eltern sich nur darum kümmern, ob aus ihren Kindern großartige Sportskanonen, Manager oder gar die Stars von morgen werden. Wir hören Horrorgeschichten über Eltern, die Lehrer für die Faulheit ihrer Kinder verantwortlich machen. Das Wort „hoch begabt“ fliegt durch jeden Elternabend. Eltern unterhalten sich stundenlang über die wunderbaren Ergebnisse des letzen Sportfestes. Und wir reden lediglich über Freundlichkeit?
Wisst ihr, insgesamt gibt es viel mehr freundliche Menschen auf der Welt, als das es Arschlöcher auf der Welt gibt. Ich denke, dass die meisten Eltern sich mehr darum kümmern, nette Menschen zu erziehen, selbst wenn das bedeutet, dass andere sich das Maul über einen zerreißen. Sei´s drum. Grundsätzlich müssen unsere Kinder eigentlich nicht lernen, freundlich zu sein, Kinder sind von sich aus freundlich. Sie wollen freundlich sein. Wir müssen ihnen nur zeigen, dass ihre Fähigkeit, Freundlichkeit zu verbreiten, für die Welt viel wertvoller ist, als die Fähigkeit, Elfmeter Tore zu schießen.
Also werde ich weiterhin diese „EINE“ Mutter bleiben. Diejenige, die „Sei freundlich!“ schreit anstatt „Hab einen guten Tag!“ Diejenige, der nach dem Maß an Freundlichkeit fragt, statt nach Rechtschreibprüfungen. Diejenige, die auf Eltern-Lehrer-Konferenzen über Freundschaft und Teamwork sprechen möchte, anstatt über mathematische Fakten zu debattieren.
Denn lediglich kein Arschloch zu sein ist reicht nicht mehr aus. Glaubt mir.