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Ein Gastbeitrag von Judith aus Bremen

Mein Leben änderte sich schlagartig an Ostern 2012. Unsere Tochter wurde mit einem schweren angeborenen Herzfehler geboren und meine Reise als „Herz-Mama“ begann.

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Innerhalb weniger Stunden nach ihrer Geburt wurde unser kleines Mädchen von der Neugeborenenstation unseres Krankenhauses auf eine Herzintensivstation eines Kinderkrankenhauses verlegt. Sie verbrachte ihre ersten 70 Lebenstage im Krankenhaus, und als wir sie endlich mit nach Hause nehmen konnten, hatte sie bereits eine Operation am offenen Herzen überstanden.

Im Alter von knapp acht Monaten wurde sie erneut operiert, und nach 20 Monaten wurde uns gesagt, dass es Zeit für eine dritte OP sei. Zum Glück fanden wir einen Arzt, der in der Lage war, den zweiten Eingriff so zu vollziehen , dass uns Zeit geschenkt wurde, bevor eine weitere Operation notwendig sein würde. Mittlerweile ist sie fünf Jahre alt und geht es ihr immer noch gut, allerdings wissen wir bereits, dass sie in Zukunft sicher noch einmal operiert werden muss.

2015 wurde ich erneut Mutter. Unser Sohn kam auf die Welt. Alle vorgeburtlichen Untersuchungen verliefen super und sein Herz schien kerngesund zu sein, wir waren überglücklich und erleichtert. Als er dann zwei Monate alt war, fanden wir leider heraus, dass auch er mit zwei angeborenen Herzfehlern geboren wurde. Obwohl diese nicht ganz so schlimm wie bei unserer Tochter waren, so mussten wir mit ihm dennoch oft ins Krankenhaus. Und so ging unsere Reise weiter.

Die Reise einer „Herz-Mama“ ist voller Höhen und Tiefen. Wenn man noch nie in der Situation war, so kann man das wahrscheinlich kaum nachvollziehen. Ich möchte euch heute mal die wichtigsten Dinge, die ihr über das Leben als Herz-Mama wissen sollten, mitteilen.

1. Es gibt viele von uns.
Angeborene Herzfehler kommen relativ häufig vor. Laut www.kariologie.org gibt es folgende Statistiken für Deutschland:

ZITAT:

„Angeborene Herzfehler sind die häufigste angeborene Fehlbildung überhaupt. Denn jedes 100ste Baby in Deutschland kommt mit einem Herzfehler zur Welt, das sind über 6.500 Kinder im Jahr.“

Das ist eine Menge. Ich nehme an, dass jede Mama eine andere Herz-Mama aus irgendeiner Facebookgruppe kennt. Möglicherweise sogar mehr als eine. Diese Statistik bedeutet auch, dass viele Menschen, die dies gerade lesen, in irgendeiner Weise von einem angeborenen Herzfehler betroffen sind. Vielleicht seid ihr Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde oder sogar selbst betroffen. Ich wusste nicht, wie weit verbreitet angeborene Herzfehler wirklich sind, bis es meine Familie eigene betraf.

2. Ich hadere öfter mit unserem Schicksal. 
Auch es eigentlich nicht der richtige Weg ist, so muss ich gestehen, dass ich manchmal wütend werde und mich frage: Warum wir? Warum meine Kinder? Diese Gefühle waren kurz nach der Geburt meiner Tochter am intensivsten. Es war nicht fair, dass mein Kind so leiden muss, und ich fühlte mich um die erste Zeit betrogen. Ich konnte meine Tochter nicht in meinen Armen halten, bis sie 5 Tage alt war. Sie war an so viele Kabel und Schläuche angeschlossen. Ich konnte sie nicht stillen, weil sie über eine Sonde ernährt wurde, weil sie sich nicht anstrengen durfte. Alles war nicht so, wie es eigentlich hätte sein sollte. Im Laufe der Zeit sind diese wütenden Gefühle zwar viel seltener geworden, aber ich muss zugeben, dass sie manchmal immer noch aufflammen.

3. Unsere Verbindung zu anderen Herz-Mamas.
Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich mittlerweile einige „Herz-Mamas“ zu meinen Freunden zählen kann. Die Gewissheit, nicht alleine zu sein, hat mir sehr geholfen. Die Gefühle, die eine Herz-Mama hat, sich vielschichtig und sehr intensiv. Keiner versteht dich so gut, wie eine andere Herz-Mama. Sie verstehen instinktiv, wie du dich fühlst, ohne dass du die Feinheiten deiner Emotionen erklären musst. Sie kennen die Ängste, die du nicht aussprechen kannst. Sie verstehen es einfach. Wenn ich meine Gefühle mal wieder nicht mit Worten ausdrücken kann, so hilft es mir ungemein, dass ich Leute habe, die mich trotzdem verstehen.

4. Die Reise ist nie zu Ende.
Angeborene Herzfehler hat man meist ein Leben lang. Auch wenn dein Kind keine weiteren Eingriffe mehr benötigt, so wird es immer wieder Kardiologen-Termine geben, die neben neuen Ängsten unweigerlich auch alte Erinnerungen wachrütteln. Der zweite Eingriff am Herzen  meiner Tochter hat uns zumindest erstmal ein wenig Ruhe und Normalität gebracht aber ich weiß, dass sie irgendwann nochmal operiert werden muss. Aus diesem Grund habe ich immer eine tickende Uhr im Kopf, ich weiß eben, dass da noch mehr kommen wird. Mit meinem Sohn befinden wir uns gerade im „Wartezustand“ bis zu seinem nächsten Nachsorgetermin in drei Monaten. Wir wissen also noch nicht, ob er operiert werden muss oder nicht. Das Warten ist oft der schwierigste Teil der Reise.

5. Unsere Kinder sind unsere Helden.
Jedes Kind dieser Welt ist ein Held, versteht mich nicht falsch. Unsere Kinder jedoch müssen nur leider viel öfter Gebrauch von ihren Helden-Kräften machen. Meine Tochter hat in ihrem kurzen Leben mehr durchgemacht als so mancher Erwachsene, und trotzdem ist sie das glücklichste Kind, das man sich vorstellen kann. Sie hat als Baby trotz allem kaum geweint. Unsere Kinder sind wahnsinnig belastbar und sie sind wahre Kämpfer.

6. Wir würden nichts ändern wollen.
Natürlich würden wir alles tun, um unseren Kindern all die Schmerzen und das Leid abzunehmen aber sie sind aus einem bestimmten Grund in unserem Leben. Meine Kinder haben mich verändert und zu einem besseren Menschen gemacht. Sie haben mir so viel über Mut, Kraft und Liebe beigebracht. Sie haben mein Leben und mein Herz erst richtig vollständig gemacht. Für mich sind sie so perfekt, wie sie sind und ich würde sie für kein Geld der Welt ändern wollen.

Liebe Eltern von Herz-Kindern: Ihr seid nicht allein. Unabhängig von eurer spezifischen Situation: Es gibt viele Menschen, die in genau eurer Situation sind und die euch verstehen. Es gibt Menschen, die wirklich wissen, wie ihr euch fühlt. Egal, in welchem Krankenhaus ihr gerade seid: Ich umarme euch aus der Ferne.

 

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