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Es ist schon lustig, wie die Zeit, so heißt es, alle Wunden heilt. Selbst wenn die Dinge, über die man heute schmunzelt, zum Zeitpunkt des Geschehens gar nicht lustig waren.
Ich bin Heike, 40 Jahre, Mutter eines mittlerweile 20 jährigen und nicht mehr verheiratet.
Mein Leben findet sich heute in einer ausgewogenen Beziehung wieder und ich bin glücklich.

Ich weiß es noch, als wenn es erst gestern passiert wäre. Ich war mit meinem Mann Ronald 17 Jahre verheiratet, unser Sohn war damals 15 Jahre alt und ich führte eine für mich glückliche Ehe.
Ronald war Wirtschaftsprüfer und er verdiente eine Menge Geld. Er war ständig auf Achse und ich arbeitete als Buchhalterin in einer großen Firma in Hamburg.
Die Tage waren „normal“, wir frühstückten alle drei zusammen, es wurde am Tisch gelacht und erzählt, bis um kurz nach 8 Uhr. Meistens zog Ronald dann seine teure Krawatte stramm, gab mir und Michael, unserem Sohn, einen Kuss und sagte dann, eher lustig: „So meine Hühnchen..Mandanten, Mandanten..Ich muss los.
Michael, der noch zu Schule ging, machte sich auch auf den Weg und ich war immer die letzte, die unsere schöne, große Wohnung verließ.

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Mein Firmenalltag, war eigentlich immer lustig. Einer meiner männlichen Kollegen, Andreas, so hieß er, hatte es sich zur Aufgabe gemacht mir jeden Tag einen „Coffe to go“ mitzubringen, sich auf meinen Schreibtisch zu setzen und mir Komplimente zu machen. Danach kam wie fast jeden Morgen die Frage: „Heike..Wann darf ich Dich zum Essen einladen?“ Er fand mich toll. Ich war Mitte dreißig, sah super aus und war aber auch verheiratet. Andreas wusste das und wir alberten in der Firma herum. Natürlich hätte ich nie zugesagt. Das wusste der junge Mann auch. Er war so eine Art Witzkumpel, den man in der Firma hat.
Abends dann, nach der Arbeit, ging es nach Hause, ich kochte für Ronald und Michael und wir ließen den Abend ausklingen. Ronald kam oft spät nach Hause, manchmal sehr spät. Oft lag mein Sohn schon im Bett und ich wärmte Ronald dann etwas auf und setzte mich beim Essen zu ihm.
Es war eine völlig normale und für mich stabile Ehe…
Eines Tages…es war ein Mittwoch im November, rief mich Ronald im Büro an und fragte, ob wir uns in der Mittagspause treffen könnten, er wolle mich sehen und er hätte auch meinen Lieblingsburger dabei. Ich muss dazu sagen, dass ich Burger liebe und war erstaunt, dass mein, doch sehr beschäftigter Mann, sich mit mir in seiner Mittagspause treffen wollte, um mit mir zu essen.


Ich fand es schön und sagte noch: Weißt Du eigentlich, wann Du das letzte Mal so spontan mit mir essen gegangen bist und lachte…. Um 12.00, nahm ich dann meine Tasche und ging stolz und erhaben an unserem Komiker Andreas vorbei, der mich fragte: „Na? Schöne Frau…Verabredung? Ich erwiderte mit einem grossen Lächeln:“Ja!! Mit meinem Mann!“
Unten vor meiner Firma wartete ich auf Ronald. Durch die Menge sah ich, wie er auf mich zu lief, in der Hand die Tüte mit den Burgern. Ich dachte mir: „Gut sieht er aus , mein Mann und was für eine süsse Idee!“
Er umarmte mich, küsste mich und gab mir den heiß ersehnten Burger.
Schönes Gefühl, dachte ich mir. Wir haben durch den Alltag oft wenig Zeit füreinander und nun so eine verrückte und romantische Idee. Ich biss voller Wonne in das leckere Teil und er sah mich dabei an.. Wir gingen ein Stück und ich erzählte von Michaels neuer Freundin, als Ronald, der eigentlich gar nicht zugehört hatte, plötzlich stehen blieb und anfing zu weinen.
Versteht mich nicht falsch..Es war eher die Art von Wimmern, wie erwachsene Männer es machen, sie verziehen das Gesicht, ohne eine Träne zu vergießen… Alle an ihm schien zu sagen „FRAG MICH ENDLICH, WAS MICH BEDRÜCKT!“ Das tat ich natürlich auch und das was ich dann hörte, gefiel mir gar nicht.
Er fing an zu stottern: Ich..Ich hab mich verliebt, Heike!! Es ist ernst!

Meine Kaufunktion, war bereits seit drei Sekunden unterbrochen und ich sah diesen wimmernden, großen Mann mit offenem Mund und Augen an. Ich muss fürchterlich bescheuert ausgesehen haben. Der Burger in der Hand fiel auseinander und ich weiss nur noch, dass er mich nach seiner „Aussprache“ ansah und mitleiderregend fragte:“Heike sag doch was..Für Euch ist auf jeden Fall gesorgt“.
Ich gab ihm den Burger zurück und ging einfach stumm weiter und liess ihn stehen. Alles war wie in Zeitlupe um mich herum. An mir zogen der Stadtverkehr und Menschen mit Taschen und Tüten vorbei. Mir war kotzübel. Nachdem ich wie erstarrt 10 Minuten lang gerade aus gegangen war..Musste ich mich im ersten Mülleimer an der Ecke übergeben. Es war mir egal, was die Leute dachten.
Ich rief in der Firma an und meldete mich krank und ging nach Hause!!
Ich konnte es nicht glauben, was mein Mann mir gerade gesteckt hatte! Sobald ich etwas  klarer denken konnte, schossen mir Fragen durch den Kopf;“Wer ist diese Frau?“, „Wie lange geht das schon“, „Wie benimmt Ronald sich wohl, wenn sie zusammen sind…Ich wette hervorragend!“

Ja, da war ich nun in unserer großen Wohnung..alleine. Plötzlich war alles anders. Keine Hemden mehr zu bügeln, kein gemeinsames Essen mehr. Michael war öfters weg, da er nun eine Freundin hatte. Trotzdem hielt er natürlich zu seiner Mutter.
Komisch, selbst 3 Monate nach der Trennung, gab es erstmal kein Zeichen von Ronald und ja, komisch..Ich fühlte mich immer noch verheiratet. Oh Gott, diese langen Nächte…Im Dunkeln nach rechts auf das leere Kissen zu schauen,in der Wohnung herumzulaufen. All seine Sachen waren ja auch noch da. All die Erinnerungen an unsere Urlaube, Zweisamkeit, Versprechungen, die wir uns gegeben hatten…Wertlos? Ohne Bedeutung?
Ich weiss noch, wie ich mir Hilfe bei einer Therapeutin suchte und wie sehr ich mir wünschte, sie könne mir helfen, all die nass geheulten Taschentücher in den Sitzungen..Ich verstand nicht wie mein Leben so auseinander brechen konnte.

An einer der sehr langen, leeren Nächte, ging ich ins dunkle Badezimmer und schaute in den Spiegel, machte dann das Licht an und sah mir selbst ins Gesicht und dachte mir: „Da ist sie, die einsame, verlassene Ehefrau und ich bemerkte , dass ich meinen Ehering immer noch trug! Ich glaube, diesen abzunehmen und den Entschluss zu fassen stark zu sein, war der erste Schritt in die richtige Richtung. All die Gewohnheiten, die man hatte, mussten erstmal ausradiert werden. Ronald hatte sich bis dahin nicht ein einziges Mal gemeldet..Wahrscheinlich war er zu beschäftigt mit seiner neuen Flamme.

Irgendwann dann, es muss so fünf Monate, nach unserem „Traumtreffen“ vor meiner Firma gewesen sein, schlug die Verzweiflung in Wut um. Ich dachte mir. „So ein fromm tuendes Schwein, wer weiss, wie oft der mich schon belogen hat“. Ich hatte zwar mit keinem finanziellen Defizit zu kämpfen, da alle Rechnungen und die Miete weiterhin von seinem Konto abgingen..Es war nur dieses Gefühl der Verbitterung und die ständig wiederkehrenden Zweifel, die Momente der Trauer und der Wutanfälle über Ronald.
Irgendwann sass ich dann morgens im Büro und „funktionierte“ so wie immer, da mein Kopf eher damit beschäftigt war mein Leben zu ordnen, als sich 100 % auf den Job zu konzentrieren. Im Büro wussten es mittlerweile schon viele meiner Kollegen und plötzlich tuschelte man hinten im Büro.
Oh Gott, Ronald stand da…Er kam an meinen Tisch und sagte nur: „Toll siehst du aus!“ Er sagte, er hätte den Termin für die Scheidung und all die Regelungen, was das Finanzielle betrifft dabei. Natürlich wollte er nicht zu mir zurück und ich dachte:“Ich bin nicht mehr verheiratet, das war es jetzt!“

Wass soll ich sagen, natürlich fing ich auf Drängen meiner Freundinnen wieder an, mich mit Männern zu verabreden. Bei jeder Verabredung, hatte ich immer das Gefühl, ich würde meinen Mann belügen…Moment mal..Er hat mich verlassen, sagte ich mir dann. Immer wieder kam es innerlich zu Vergleichen, denke, das ist normal. Und ja, ich liebte ihn auch noch, ..oder sagen wir, das Bild, welches ich von ihm hatte. Auch Andreas, mein lustiger Kumpel, durfte endlich mal mit mir ausgehen, bei einer Freundschaft blieb es dann aber.
Ich erinnere mich, dass ich mich bei einer Verabredung direkt mit einem Mann gestritten habe, da er mir im Restaurant schon an die Wäsche wollte, der Abend ging so zu Ende, dass ich diesen Lustmolch als „dicken Glatzkopf“ beschimpfte.

Diese schrecklichen Datingkatastrophen endeten, als eine meiner Freundinnen mich zu einer Vernissage am Neuen Wall in Hamburg mitnehmen wollte. Irgendein Künstler hatte da seine Werke ausgestellt. Nach langen hin und her machte ich mich abends zurecht und ging hin. Ich werde noch heute das Gefühl nicht los, dass das Ganze geplant gewesen ist. Ich hielt mich an meinem Sektglas fest und schaute mir diese sehr verrückten Bilder an. Marina meine Freundin, zeigte auf einen Mann, der in einer kleinen Menschentraube stand und irgendetwas erzählte: „Du, das ist der Künstler“.
Von dem, was ich erkennen konnte, war ich sehr angetan..Nett sah er aus und auch verdammt gut.
Auf einem der Werke, das konnte ich erkennen, war eine weinende Frau dargestellt.
Schön, dachte ich mir, sehr ausdrucksstark.
Meine Begeisterung hatte auch jemand anderes mit bekommen….Ja!! Der Künstler selber. Stefan, so hiess er, sprach mich mit einer warmen Stimme an und fragte: „Na, gefällt es Ihnen?“ Ich drehte mich um und sah wie er mich mit seinen strahlend blauen Augen ansah.
Mir wurde ganz anders…Es war so ein gewisser Blick, den dieser Mann hatte. Ich war auf einmal wie ausgewechselt und ich merkte, dass ich dieses vertraute Gefühl lange nicht mehr gespürt hatte.
Aufgeregt sagte ich: „Ja ! Es ist sehr schön und es gefällt mir sehr gut!“ Es war komisch ich hörte sprechen aber die Gedanken kreisten wie Kanonenschüsse in meinem Kopf umher.
Es war so, als wenn man eine alte Liebe wieder trifft und übers Wetter redet, obwohl man innerlich total „schutzlos“ in sich zusammensackt und sich denkt, wie unbeholfen man doch rüber kommt.

Der Abend war schön und nach der Vernissage lud Stefan mich und meine Freundin noch auf ein Glas Wein ein. Ich brachte kaum ein Wort raus. Ich vergass an diesem Abend, all meinen Frust und all meine Verbitterung. Er war so unbeschwert und so interessant, er erzählte von fremden Kulturen, von Persien, von einem Leben ohne Grenzen… Wahnsinn.

Als ich am nächsten Tag von der Arbeit kam, erzählte mein Sohn mir, dass etwas für mich angekommen sei.
Ich ging ins Schlafzimmer und sah etwas Riesiges in Packpapier eingewickelt auf meinem Bett stehen.
Ich machte es auf: Es war das Bild mit der weinenden Frau , dabei lag ein Zettel : „Hallo Heike, ich würde dich heute Abend gern zum Essen einladen..Gruss Stefan“.
Lachend dachte ich, meine Freundin, dieses Biest, hat ihm wohl meine Adresse gegeben, aber ich hatte nichts dagegen.
Das Ganze ist jetzt fünf Jahre her und Stefan und ich leben in einer großen Wohnung mit Atelier.


Verheiratet bin ich nicht mehr und ich weiß auch nicht, ob ich das nochmal wage, aber glücklich bin ich dennoch sehr.

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