Ihr Lieben, es ist Zeit für die Halbjahreszeugnisse und unsere Expertin Kirsten Jessen hat einen tollen Artikel dazu verfasst!
Liebe Mutter,
jetzt ist es wieder soweit: Unsere Kinder bekommen ihre Halbjahreszeugnisse. Mein Anliegen ist es, dir die positiven Seiten dieser Zeugnisse zu zeigen – auch wenn die Noten vielleicht nicht immer nach Wunsch ausgefallen sind.
Durch meine Arbeit als Gymnasiallehrerin und Schulcoach wenden sich in diesen Tagen besonders viele Mütter hilfesuchend an mich: „Mein Kind hat nur mittelmäßige Noten. Wie soll es denn später einen Studienplatz in Oxford bekommen?“ Oder „Was? Nur eine Vier in Mathe? Jetzt knöpfe ich mir den Lehrer vor!“ Das Kopfkino läuft – und die Mütter haben sich für einen Horrorfilm entschieden.
Bitte stoppe den Horrorfilm und wandle ihn in ein sachlichen Dokumentarfilm um. Dieses Halbjahreszeugnis ist nur ein Zwischenergebnis, das dir und deinem Kind folgendes zeigt: Was kann mein Kind schon gut und was sollte es noch üben?
„Aber, hat mein Kind denn überhaupt noch Chancen auf ein Gymnasium zu gehen, wenn die Noten sich jetzt im Mittelfeld bewegen?“
Natürlich hat es Chancen – aber bitte gehe konstruktiv an die Situation heran. Reagiere liebevoll und sehe die Talente deines Kindes realistisch.
Wieso planst du jetzt schon ein prestigehaltiges Studium in Oxford/Cambridge/ Harvard usw.? Gib deinem Kind Raum. seine Talente und Interessen zu entfalten. Trenne deine Ziele von denen deiner Kinder. Mit einem „Aber du willst doch in Oxford studieren, oder?“ suggerierst ihm/ihr nur Ihr eigenes Ziel. Aber will dein Kind das wirklich? Ist es überhaupt alt genug, um darüber zu entscheiden? Leider erlebe ich beim Coaching oft Kinder, die ihren Eltern mit guten Noten gefallen wollen, aber am extremen Leistungsdruck zerbrechen. Ist das nicht schade? Die Studien- und Berufswahl kommt später von ganz allein. Ganz sicher.
Bitte ignoriere die überengagierten Eltern in deinem Umfeld. Viele Eltern geben an, wie toll sie ihr Kind schon im Vorschulalter fördern: Musik- und Chinesischunterricht, Tennis- und Schauspielunterricht. Und natürlich das Model-Casting, denn mein Kind könnte ja die neue Kombination aus Albert Einstein und Claudia Schiffer sein. Einige Eltern übertreiben wirklich! Wenn du mit deinen Kindern zum Beispiel nicht zum Model-Casting fährst, tust du ihm etwas Gutes: Du gibst ihm Zeit einfach nur ein Kind zu sein. Und nun sei bitte ganz ehrlich: Wer will, dass dein Kind modelt? Dein Kind oder du?
Lasse dein Kind auch einmal los. „Aber dann tut mein Kind gar nichts mehr!“ Das stimmt so nicht. Jeder Mensch benötigt Freiraum, in welchem er/sie über Zeit und Entscheidungen selbst verfügen kann. Hat dein Kind neben Geigenunterricht, Leistungssport, Nachhilfe und Lernen für Klassenarbeiten überhaupt noch Zeit zum freien Spielen? Spielen ohne Regeln und Leistungsdruck? Lass deinem Kind den nötigen Freiraum und erlebe, wie es intuitiv kluge Entscheidungen für sich treffen wird. Und wenn dir diese Entscheidung nicht gefällt? Locker bleiben!
Ich hoffe, dass meine Tipps eine Inspiration für dich sein werden. zeige deinem Kind, dass es genug ist, so wie es ist. Gestehe es dir auch selbst zu. Du machst deinen Elternjob so gut du kannst – und das ist genug! Lass den vergleich mit anderen Kindern und Eltern einfach sein und du wirst dich viel gelassener fühlen.
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass gelassene Menschen viel erfolgreicher sind als gestresste und aggressiv Menschen?
Wie wäre es denn mal mit einem Kinderfilm im Kopfkino: „(hier den Namen deines Kindes einsetzen) – total locker und erfolgreich“?
Herzliche Grüße,
Kirsten Jessen
Schulcoach