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Ein Gastbeitrag von Jule

Ich werde sie verlieren.

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Ich hörte ein Geräusch aus dem Badezimmer. Das Badezimmer, in dem meine Tochter das Alphabetlied sang und mir gerade noch folgendes gesagt hatte: „Ich bin fast fertig, Mama.“ Ich hatte sie in der leeren Badewanne zurück gelassen, damit sie noch ihre Spielsachen aufräumt, als ich bereits ihren kleinen Bruder im Schlafzimmer nebenan anzog. Alles Abläufe und Routinen, die wir schon millionenfach gemacht hatten.

Etwas stimmte allerdings plötzlich nicht mit dem Lärm, der aus dem Badezimmer kam. Es war ein Geräusch, ein komisches, leises, ungewohntes Geräusch. Lautstärke ist immer ein gutes Zeichen bei Kindern. Ruhe nicht.

Sie lag in der leeren Wanne, zusammengekrümmt, ihre Arme und Hände in Panik ausgestreckt, ihr Kopf nach vorn geschoben und der Mund stand offen. Sie wollte schreien aber sie konnte nicht.

Ich packte ihren nassen Körper, hob sie aus der Wanne und drehte sie auf den Rücken und klopfte. Wieder und wieder. Ich steckte meinen Finger in ihren Mund aber ich fühlte nichts. Ich konnte die Verzweiflung in ihrem Gesicht sehen, das verwirrte mich. Ich wusste, dass sie würgte, aber was steckte da in ihrem Hals? Die Badewannenspielzeuge waren zu groß, um in ihren Mund zu passen. Sie hat noch nie ein Spielzeug in ihren Mund genommen, schon als Baby nicht. FUCK!

Ihre Lippen wurden blau.

Ich werde sie verlieren.

Ich rannte los. Ich rannte mit meiner nassen, kleine Tochter auf dem Arm einfach los. Ich hatte keine Schuhe an. Ich rief meinem kleinen Jungen zu: „Bleib da, Schatz! Mama ist gleich wieder da!“ Und ich rannte so schnell ich konnte.

Ich schrie. Ich schrie lauter als ich jemals geschrien hatte. Ich rannte los und ich schrie – lief durch die Haustür, über unseren Rasen, auf die Auffahrt meines Nachbarn und dann seine Treppe zur Haustür hinauf. Ich schrie und rannte, weil ich wusste, dass ich Hilfe brauchte. Ich schrie und rannte, weil ich nicht wusste, wo mein Telefon war, und ich brauchte jemanden, der den Notruf rief. Ich schrie und rannte, weil ich jemanden brauchte, der mein kleines Mädchen rettete.

Ich werde sie verlieren.

Frau P. unsere geliebte Nachbarin und Tagesmama hörte meine Schreie. Sie öffnete die Tür.

„Ich glaube, sie würgt. Sie kann nicht atmen. Bitte hilf mir.“

Als ich nach vorne fiel, fing Frau P. mein Mädchen mit ihren Armen auf. Ihre Füße waren bereits weiß. Ihre Lippen waren blau. Sie war stumm.

Sie schlug kräftig auf ihren Rücken und ein Spielzeug flog hinaus. Ein Spielzeug, das kein Badewannenspielzeug war. Ein Spielzeug, das ich nicht einmal kannte, war anscheinend mit in der Badewanne gewesen. Ein Spielzeug, mit dem meine 3 1/2-Jährige schon dutzende Male gespielt hatte aber welches sie noch nie in den Mund genommen hatte. Ein Spielzeug, das irgendwie in ihren Mund gelangte und sich in ihrer Kehle fest setzte. Ein Spielzeug, das sie fast umgebracht hätte.

Sie atmete schwer und begann zu husten. Das Blut strömte in ihre Füße und Lippen zurück. Sie sah mich an und fing an zu weinen. Ich griff nach ihrem kleinen, zitternden Körper und umarmte sie, so fest ich konnte.

Ich hatte sie nicht verloren.

Aber es wäre fast passiert. Es hätte böse enden können. Es hätte länger dauern können, bis ich überhaupt eingegriffen hätte. Meine Angst hätte meinen Körper und Geist lähmen können. Meine tolle Nachbarin hätte nicht Zuhause sein können. Alle Nachbarn (Nachbarn, die ehemalige Sanitäter und Feuerwehrleute sind) hätten unterwegs sein können. Ich hätte sie verlieren können.

Ich schreibe euch das nicht, weil es mir Spaß macht, diese schrecklichen Momente noch einmal zu erleben. Dieses Erlebnis sitzt mir in den Knochen, Tag und Nacht.

Ich schreibe euch das, weil ich möchte, dass ihr meine Gefühle genau nachvollziehen könnt. Ich möchte, dass ihr die Panik spürst, die ich hatte, und ich möchte, dass ihr so etwas nie erleben müsst.

Nicht alle Eltern haben das Glück, einen Nachbarin zu haben, die mehr als 35 Jahre Erfahrung mit Kindern hat und demnach eine Erste-Hilfe-Ausbildung hat. Nicht alle Eltern haben einen Feuerwehrmann oder ehemaligen Feuerwehrmann auf der anderen Straßenseite. Nicht alle Eltern leben in einer Nachbarschaft mit einer Feuerwache in der Straße oder Ersthelfern, die schnell genug da sind, um das Leben deines erstickenden Kindes zu retten.

Nicht alle Eltern haben Erste-Hilfe-Schulungen absolviert, die es ihnen ermöglichen, das Leben ihres Kindes zu retten.

Nicht alle Eltern, einschließlich mir.

Wenn ihr früher mal Kinder betreut habt, z.B indem ihr einen Babysitter Job hattet, dann kann es sein, dass ihr bereits einen Erste-Hilfe-Kurs belegt habt. Meistens ist das aber locker 10, 15 oder gar 20 Jahre her.

Ich hoffe, du liest das hier mit rasendem Herzen und Tränen in deinen Augen. Ich hoffe, du atmest erleichtert auf, dass es meinem kleinen Mädchen gut geht – und dann hoffe ich, dass du dich durch den Rest deines Tages an meine Worte erinnern wirst. Es soll in dir brodeln. Ich hoffe, du googelst  bereits auf deinem Telefon, deinem Laptop nach freien Plätzen in einem Erste-Hilfe-Kurs.

Ich hoffe, du musst  dein erlerntes Wissend nie anwenden. Aber ich hoffe, dass du weißt, was du tun musst, wenn du es mal tun musst.

Ich habe sie nicht verloren.

Ich mache im November einen Erste-Hilfe-Kurs.

Es gibt u.a hier bundesweite Kurse: https://www.johanniter.de/kurse/erste-hilfe-kurse/

Bitte, bitte, bitte schließt dich mir an. Ich bitte dich so sehr.

 

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