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Ein Gastbeitrag von Hannah aus Hamburg

Es war Sonntagabend 21 Uhr und ich und mein Mann wollten uns eine Folge unserer Lieblingsserie angucken. Mit dem Babyphone in der Hand sank ich gemütlich auf die Couch. Es lag ein aufregendes Wochenende hinter uns und der Montag klopfte mal wieder viel zu früh an unserer Tür.

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Das Letzte, was ich an diesem Abend noch tun wollte, war, mich wieder an meine Milchpumpe anzuschließen. Ich hasste es. Ich arbeitete seit 4 Wochen wieder und ich hatte es noch nicht geschafft, die Stillbeziehung zu beenden. Es war ein Hürdenlauf von Pumpvorgang zu Pumpvorgang geworden: In der Mittagspause, vor großen Meetings, nach großen Meetings…. das Füttern meiner Tochter hatte an Zauber verloren. Dennoch wollte ich sie sachte von meiner Milch entwöhnen. Zunächst lehnte sie das Fläschchen ab, immerhin klappte das mittlerweile wenigstens. Ihr jetzt auch noch die Muttermilch vorzuenthalten war undenkbar für mich.

Als die Titelmelodie unserer Serie begann, blickte ich zu meinem Mann hinüber, der sich gerade ein Bier aufgemacht hatte und seine Füße hoch legte, um entspannt den Geschehnissen folgen zu können. Mein Mann war immer eine große Unterstützung für mich aber er war nicht derjenige, der seine Brust in eine Maschine stecken musste. Im Hinterkopf hörte ich meine Mutter sagen, dass sie mir „nur für alle Fälle“ etwas Pulvermilch besorgt hatte. Ich war so wütend. Mein Kind bekommt kein Pulver! Ich werde pumpen und das wird gefälligst auch funktionieren, das muss funktionieren. Warum zweifelte sie an mir, anstatt mich zu ermutigen?

Die ersten beiden Wochen nach Arbeitsbeginn waren am schwierigsten. Ich musste akzeptieren, dass dies nun ein normaler Bestandteil meines Lebens war. Nachdem ich mich damit abgefunden hatte wurde es allmählich zur Routine. Ich fand einen akzeptablen Rhythmus und es lief super. Außerdem hatte ich ungefähr 10 Liter Muttermlich eingefroren. Das war mein Vorrat für die Tage, an denen ich nicht genug Milch für den nächsten Tag abgepumpt hatte.

 

Ich fing an, mich mit der neuen Situation anzufreunden. Ich hatte mir ein Ziel gesetzt: Du pumpst noch bis zum Sommer ab und im Urlaub gewöhnst du sie an Pulvermilch. Dann endlich kann das Ding in den Schrank. Ich musste nur die nächsten drei Monate überbrücken. Ich war sogar mächtig stolz auf mich selber. Ich war eine engagierte, arbeitende und ständig abpumpende Mutter.

Es fing schleichend an. Mein soziales Leben nach Feierabend lag brach, da die Milchbildung unter zu viel Stress litt, also ging ich immer direkt nach Hause. Meine Brustwarzen waren dauernd wund. Außerdem befand ich mich im körperlichen Dauerstress. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich war wie besessen. Ich fühlte mich von jedem, der etwas gegen meine Pumpe sagte, direkt beleidigt. Ich keifte meinen Mann und meine Mutter an. Wenn jemand im Büro an meine Tür klopfte, während ich pumpte, brachte das mein Blut direkt zum Kochen. Diese kleinen Unterbrechungen brachten mein Kind um wertvolle 200 ml.

Trotz einiger kleiner Missgeschicke war das Abpumpen nicht immer furchtbar. Die Morgen, an denen ich mehr Milch als gewöhnlich abpumpen konnte, ließen mich wie eine Superheldin fühlen. Zu wissen, dass meine Tochter immer noch die Vorteile meiner Muttermilch genießen konnte, obwohl ich zur Arbeit zurückkehren musste, spendete mir Trost und half mir, mich besser fühlen zu können, wenn ich das Haus verließ. Es war, als wäre ein Teil von mir so immer noch bei ihr. Meine Mutter kümmerte sich vormittags um meine Tochter, das sollte ich vielleicht noch dazu sagen.

Ungefähr einen Monat später hatte ich plötzlich weniger Milch. Ich trank Milchbildungstee und nahm Bockshornklee ein. Davon bekam Paula Durchfall. Ich nahm mir vor, einfach noch öfter abzupumpen, um die Milchbildung anzuregen. Ich nahm mir vor, besonders NACHTS öfter zu pumpen.

Wie machen das all diese Frauen, die mir geraten haben, vorrangig NACHTS abzupumpen?  Ich wollte durchschlafen. Mein Kind schlief doch auch schon durch. Aber was sollte ich tun? Ich hatte nicht genug Milch für den nächsten Tag. Ich musste pumpen. Meinem Kind zuliebe musste ich da durch!

Ich glaube, das war der Wendepunkt. Ich wusste, dass ich so nicht weitermachen konnte. Ich wollte unbedingt, dass mein Kind noch bis zum Sommer meine Muttermilch bekommt. Gleichzeitig merkte ich aber auch, dass ich langsam aber sicher den Verstand verlor. Nach langem Überlegen, entschied ich mich, meiner Tochter doch früher als erwartet ein Fläschchen mit Pulvermilch anzubieten. Ergänzend sollte sie weiterhin Muttermilch bekommen. Ich wollte weiterhin abpumpen aber ich entschied mich dagegen, dies wie besessen tun zu müssen.

Paula sollte eine Mischung aus Pulvermilch und Muttermilch bekommen. Ende im Gelände.  Ich war fertig mit den Nerven.

Ratet mal was passiert ist? Die Welt hat sich einfach weiter gedreht! Der Himmel fiel nicht auf die Erde und ich mich endlich wieder wie ein normaler Mensch fühlen.

Ich ziehe meinen Hut vor den Frauen, die für mehr Milch stündlich in der Nacht aufstehen UND dann auch noch 5-6 Stunden oder noch länger arbeiten gehen. Ich verstehe die Frauen nur zu gut, die wie ich, einfach irgendwann nicht mehr konnten und aufgehört haben, sich zu kasteien.

Ich musste meine Grenzen erkennen und ernst nehmen, ich musste erfahren, dass mein Seelenheil genauso wichtig wie das meiner Tochter ist.

Letztlich hat die Pulvernahrung mir und meiner Tochter die Freude zurück gebracht. Endlich konnte ich wieder entspannt am Leben teilnehmen.

Wir Mamas müssen lernen, dass unsere psychische Gesundheit mindestens genauso wichtig ist, wie die unserer Kinder.

Alles Liebe.

 

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