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Nach der Geburt eines Kindes soll man möglichst sechs Wochen lang warten, bis man wieder Sex hat. Das ganze Unterfangen kann ziemlich aufregend sein, immerhin hast du quasi eine Wassermelone durch eine Zitrone gepresst. Du bist dir nicht sicher, was auf dich zu kommen wird, vielleicht fühlst du dich auch noch nicht so wohl in deinem Körper. Dein Mann hat dich in zahlreichen, unbekleideten Momenten gesehen, seitdem der Wurm auf der Welt ist. Mein Mann sah mich permanent oben ohne mit einem super schmeichelhaften Stillkissen herumlaufen, das wie ein permanenter Schal um meine Mitte geschnallt war. Dieser Anblick sagt viel über die ersten Wochen mit einem Neugeborenen aus. Alles fühlt  sich anders an. Insbesondere du selbst fühlst dich anders.

Wird beim Sex alles beim Alten sein? Wird es sich so anfühlen wie immer?

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Nach der Geburt meines ersten Kindes stellte ich mir dieselben Fragen. Eine kurze Antwort genügt, um die oben gestellten Fragen zu beantworten: „Wahrscheinlich nicht.“

Sex fühlte sich anders an. Ich fühlte mich anders.

Ihr wollt wissen, was das Einzige ist, was gleich geblieben ist?

Ich habe immer noch meine Orgasmen vorgetäuscht.

Ich bin in einem Heim in Bayern aufgewachsen, in dem Aufklärung leider so gar keine Rolle spielte. Sex war etwas absolut Verbotenes, etwas, das lediglich in eine EHE gehörte, wenn überhaupt. Etwas, das einzig und allein der Fortpflanzung diente. Ende. Irgendwann bekam ich eine wage Vorstellung von dem, was mich erwarten würde, indem ich heimlich im Fernsehzimmer einen billigen Softporno geguckt habe. Ich beobachtete die Frauen auf meinem verschneiten Fernsehbildschirm und für mich war schnell klar: Sex ist anscheinend ganz easy, laut und schnell. Als ich zum ersten Mal erfuhr, was Masturbation ist, versuchte ich es einmal für ein oder zwei Minuten und kam zu dem Schluss, dass man davon blind werden würde. Ich habe es jahrelang nicht mehr versucht.

Als ich dann mit 17 Jahren mit meinen ersten Freund kennenlernte, war ich wieder enttäuscht darüber, dass Sex mir anscheinend auch dann keinen Spaß machte. Bei ihm täuschte ich auch meinen ersten Orgasmus vor, wohl gemerkt OHNE überhaupt zu wissen, wie sich ein Orgasmus wirklich anfühlte. Ich bin einfach davon ausgegangen, das man das so macht, außerdem hatte ich Angst davor, dass ich viel zu lange brauchen würde. Ich entschloss mich dazu, nach dieser Enttäuschung, dafür zu sorgen, dass ich zumindest rausfinde, was zur Hölle da bei mir nicht funktionierte. Ich war wild entschlossen, dieses Experiment mit mir selber zu einem positiven Ende zu führen. Gott sei Dank, hat das auch geklappt.

Hat das mein Sexualleben verändert? Natürlich nicht, weil es mir immer noch extrem unangenehm war, über Sex zu reden. Selbst wenn ich darüber nachdachte, vielleicht mal den Mund aufzumachen und über meine Wünsche zu sprechen, war das ganz schlimm für mich. Ich wollte einfach nicht seltsam auf Männer wirken. Ich wollte den Männern, mit denen ich Sex hatte, nicht das Gefühl geben, als seien sie schlecht. An sich spricht ja überhaupt nichts dagegen, dass auch meine Wünsche befriedigt werden aber ich konnte es einfach nicht.

Als ich Anfang 20 war, traf ich meinen jetzigen Ehemann. Er war viel zärtlicher als all die anderen Männer zuvor. Ich hätte mich so gerne richtig fallen gelassen. Das erste Mal, als ich ihm einen Orgasmus vortäuschte, schien er sehr skeptisch zu sein, aber ich bestand darauf, dass es leider viel zu schnell für mich ging, weil ich ja so verliebt sei. Ich täuschte ihm also weitere Orgasmen vor, solange, bis er „fertig“ war. Er wunderte sich sogar darüber, wie schnell man mich befriedigen kann. Tja….

Und ich nickte und lächelte….

Anstatt im Laufe der Zeit die Gelegenheit zu nutzen, Sex zu haben, der für beide Seiten befriedigend war, fuhr ich mit dem fort, was ich gewohnt war – auch hier wollte ich keine Gefühle verletzen und gab mich stets „sehr pflegeleicht“, obwohl ich wusste, dass er mich garantiert unterstützen würde, wenn ich doch nur ehrlich wäre. Es war mir einfach peinlich,  soviel Aufmerksamkeit und Mühe zu beanspruchen. Es war Jahre her, seitdem ich diesen Softporno im Fernsehzimmer meines Heims gesehen hatte, aber diese Darstellungen von Sex, die von Männern gemacht wurden, blieben mir im Gedächtnis.

Wir sprechen über das niedrige Lohnniveau von weiblichen Fachkräften, wir reden über Gehaltserhöhungen, wir reden über Hilfe bei der Kinderbetreuung oder im Hausarbeit oder wir reden darüber, wie wir etwas mehr Freizeit neben den Kindern bekommen können. Warum reden wir nicht so engagiert über unseren Orgasmus? Anscheinend ist dieses Thema so brisant, dass wir uns lieber weiterhin schlecht fühlen, anstatt etwas zu ändern und das kann nicht richtig sein! Also rein theoretisch……

Das Problem mit dem Lügen zu Beginn einer Beziehung ist, dass die Lüge quasi weiter wächst und im Laufe der Zeit immer schwieriger zu korrigieren ist. Normalerweise muss es genau anders rum laufen, je länger die Beziehung geht, umso ehrlicher sollten wir sein. Ich war schließlich so weit in dieser Beziehung, dass diese anfängliche Lüge mir immer mehr auf die Seele drückte. Als ich zunehmend unzufriedener mit unserem Sexleben wurde, suchte ich nach einer neuen Gelegenheit – einer Gelegenheit, um meine Dysfunktion anzusprechen, ohne ein weiteres Jahrzehnt der Unehrlichkeit aufbringen zu müssen.

Als unser zweites Kind geboren wurde, sah ich meine Gelegenheit kommen…..

Das erste Mal Sex nach der Geburt? Diesmal hatte ich keine Angst. Diesmal bestand ich aus Hoffnung. Es ist fast etwas komisch, aber ich hatte eine wahnsinnige Vorfreude darauf, mit einem Mann zu schlafen, den ich ja bereits seit 10 Jahren kannte und liebte. Ich wusste, dass der Sex sich für mich anders anfühlen würde, und das tat er auch, nur diesmal gab ich mir selbst die Erlaubnis wirklich ehrlich zu sein, wie der sich Sex anfühlte und was genau es braucht, damit auch ich zufrieden bin.

In dieser Nacht hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben „ehrlichen Sex“. Ich habe keine unnützen Geräusche gemacht, nur weil man diese eben macht. Ich habe die Dinge nicht überstürzt. Ich ließ ihn wissen, wenn etwas mir nicht gefiel. Ich habe keinen Orgasmus vorgetäuscht. Gemeinsam konnten wir so eine „Fehlerbehebung“ durchführen.

Ich hatte weder beim ersten noch beim nächsten Versuch einen Orgasmus. Aber irgendwann haben wir beide es herausgefunden. Ich habe fast mein halbes Leben lang Sex gehabt und erst jetzt genieße ich es endlich.

Folgendes möchte ich dir sagen, liebe Leserin: Das Gefühl, tatsächlich das zu bekommen, was du dir während des Sex wünscht, überwiegt bei Weitem die Peinlichkeit, danach zu fragen und ehrlich zu sein. Das Gefühl ist so toll, dass ich am liebsten wildfremde Frauen auf der Straße fragen möchte, ob sie ihren Männern auch ja immer ihre Wünsche im Bett mitteilen. Okay, das tue ich nicht wirklich aber ich sende eine Menge positive Sex-Schwingungen in die Welt, in der Hoffnung, dass es überall vermehrt Orgasmen geben wird.

Sei nicht wie ich. Macht nicht den Fehler, den ich gemacht habe. Sei ehrlich und erzähle deinem Geliebten, was du im Schlafzimmer willst und brauchst. Hab Spaß!

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