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Ein Gastbeitrag von Heidi aus Gütersloh

Schwanger zu sein kann ganz schön anstrengend sein.

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9 Monate lang ist dein Körper nicht mehr dein eigener. An manchen Tagen fühlst du dich gut, an manchen Tagen willst du jemandem den Kopf abreißen, und an manchen Tagen kannst du kaum gehen, ohne Schmerzen zu haben.

Aber du weißt ja insgeheim, dass alle Stimmungsschwankungen und Schwangerschaftssymptome genau das sind: Kurzfristige Dinge, die mit der Schwangerschaft zusammenhängen.

Du sagst dir und deinen Mitmenschen, die deine Launen ertragen müssen: „Das wird wieder besser, sobald das Baby da ist, diese Hormone sind einfach total blöd!“

Was viele allerdings nicht wissen, ist, dass bei vielen Frauen diese fiesen Schwankungen und die Höhen und Tiefen nicht immer dann enden, wenn Sie endlich das kleine Bündel in ihren Armen halten. 

Nachdem ich meine Tochter in den Armen halten konnte, war ich unfassbar glücklich. Sie war unser Regenbogenbaby, unser Kind nach einer Fehlgeburt. Ich war an jedem einzelnen Tag der Schwangerschaft krank vor Sorge um sie. Meine Nerven waren während der gesamten Schwangerschaft zum reißen gespannt, ich hatte Angst davor, dass etwas schief gehen würde, und ich wollte nur, dass sie endlich da ist.

Nachdem sie dann geboren wurde, war es Liebe auf den ersten Blick. Ich konnte nicht glauben, dass ich so viel Liebe empfinden konnte und dieses kleine Wunder wirklich unser Kind war.

Als sie ungefähr 3 Monate alt war, fühlte ich mich, wie viele frischgebackene Mamas auch, überfordert und überwältigt. Aber irgendwas war anders. Dinge, die mir normalerweise total wichtig waren, hatten plötzlich kein Gewicht mehr, ich kämpfte damit, überhaupt meine täglichen Aufgaben erledigt zu bekommen, und ich fühlte mich einfach verloren und sehr einsam.

Ich ging zu meinem Arzt. Sie schickte mich aber mir den Worten, dass sei nur der „Baby Blues“, wieder nach Hause. Sie sagte, dass die meisten Mütter, die unter einer postpartale Depression leiden, längt nicht so gut drauf seien wie ich und es nur eine Phase sei.

Ich folgte ihrem Rat und machte einfach weiter, aber in meinem Herzen wusste ich, dass sich etwas in mir verändert hatte. Ich hatte jahrelang mit Angstzuständen gekämpft, und ich spürte, dass einige meiner Symptome zurückkamen. Aber, hey, wenn der Arzt schon sagt, dass alles okay war, dann war ich wohl nur „sensibel“, oder?

Ich kämpfe mich weiter durch den Alltag, verbarg einige meiner Gefühle und nahm an, dass alles normal war.

Vor einundzwanzig Monaten habe ich dann mein zweites Kind, einen wunderschönen Jungen, geboren. Wieder war ich so aufgeregt, ihn in unserem Leben begrüßen zu können und ihn in unserer Familie Willkommen heißen zu dürfen. Unser Alltag veränderte sich erneut stark, da wir zusätzlich ja noch ein Kleinkind Zuhause hatten. Ich vertiefte mich schnell in all die täglichen Aufgaben und konnte meine Gedanken dadurch erfolgreich verdrängen.

Als mein Sohn 2 Monate alt war, hatte ich um 2 Uhr morgens meine erste Panikattacke. Ich konnte nicht mehr richtig atmen, mein Verstand drehte durch und ich hatte körperliche Schmerzen.

Ich hatte seit Jahren keine Panikattacke mehr, aber die Symptome kamen mir natürlich sehr bekannt vor. Ich wusste, was da vor sich ging, konnte aber nicht genau sagen, warum es mich wieder heimsuchte. Ich fühlte mich überfordert und wurde wütend. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich mich so gestresst und verrückt gemacht hatte und ich war wütend auf meine Familie, weil sie mich alle nicht verstanden.

Ich ging zu meiner Nachsorgeuntersuchung (ich hatte zu dieser Zeit einen anderen Arzt) und erzählte ihm davon. Er hat mich wieder entlassen und mir gesagt, dass es mir gut ginge,  es handele sich um ganz normale „Mutter-Gefühle.“

Aber diesmal wusste ich es besser.

Diesmal wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte Angst vor dem Zubettgehen, denn wenn das Baby aufwachte und ich ihn nicht sofort zum Einschlafen bringen konnte (was bei Babys ja üblich ist), dann fühlte ich mich als totale Versagerin. Ich kämpfte ständig mit den Stimmen in meinen Kopf, die mir sagten, dass ich eine schlechte Mutter sei, dass jede Entscheidung, die ich traf, falsch sei, dass, wenn ich es nicht hinbekommen würde, mein Mann mich einfach verlassen würde. Ich weinte viel, fühlte mich schuldig und war wütend auf mich selbst, weil ich so viel weinte. Ich beeinflusste die Stimmung in unserem Haushalt und ich merkte, wie mich alle nach und nach mit Samthandschuhen anfassten.

Meine Angst äußert sich nicht immer körperlich (obwohl ich einige Angstattacken hatte, meine Hand kribbelte und taub war und mein Herz raste), aber in meinem Kopf tobte ein Feuerwerk.

Eine Kleinigkeit konnte bereits dazu führen, das ich mich unwürdig, dumm, faul und wertlos fühlte. Wenn ich einen Fehler machte und zum Beispiel das Abendessen anbrannte, war ich automatisch die schlechteste Mutter der Welt. Ich glaubte, dass meine Familie ohne mich besser dran wäre, und ich befürchtete, ihren ganzen Tag ruiniert zu haben. Ich wusste, dass es diesmal mehr als nur der „Baby Blues“ war.

Und ich hatte die Schnauze gestrichen voll.

Ich bin so glücklich, dass mein Mann und ich gut miteinander reden können. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne ihn wäre (wahrscheinlich immer noch heulend auf meinem Küchenboden).

Es war trotzdem schwer, mit ihm darüber zu reden. Ich wusste aber instinktiv, dass es an der Zeit war über den großen rosa Elefanten im Raum zu sprechen. Also sagte ich es eines Tages ….

„Ich denke, etwas stimmt nicht mit mir. Ich brauche Hilfe.“

Mit seiner Ermutigung, und obwohl zwei Ärzte mich so schnell wieder weggeschickt hatten, machte ich einen Termin bei einem Therapeuten. Mit ihm sprach ich darüber, wie ich mich fühlte. Ich wusste, dass meine Familie mich in meiner besten Verfassung verdiente und dass es die Zeit und Mühe wert war, damit es mir besser gehen würde.

Sofort nachdem ich meine Probleme ausgesprochen hatte, merkte ich, wie der Druck auf meinen Schultern leichter wurde. Ich fühlte mich, als könne ich wieder atmen. Meine Angst verschwand nicht über Nacht, aber es wurde langsam besser. 

Oft werden die Gefühle einer Mutter zu schnell als „Baby Blues“, Stress oder Überforderung abgetan, obwohl es in Wirklichkeit so viel mehr sein kann.

Ich bin unendlich dankbar, dass ich diesmal nicht auf meinen Arzt gehört habe und meine Probleme selbst in die Hand genommen habe.

Zur Zeit gehe ich immer noch wöchentlich zur Therapie, habe Strategien erlernt, um meine Probleme bewältigen zu können, wenn sie wieder aufflackern. Ich habe gelernt, mit meiner Familie über meine Probleme zu reden.

Ich habe angefangen, gesünder zu essen und wieder Sport zu treiben, was mir wirklich gut tut. An den Tagen, an denen ich mich schlecht ernähre, fühle ich, dass meine Angst wieder zunimmt. Auch wenn ich gerade keine Medikamente gegen meine Angst nehme, heißt es nicht, dass ich mich dagegen wehren würde, falls ich irgendwann wirklich mal welche brauche.

Es gibt keinen Grund, um sich zu schämen.

Es ist keine Schande zugeben zu müssen, dass es einem schlecht geht.

Und so schwer es auch ist, zu sagen: „Ich brauche Hilfe!“ ist der erste, wichtige Schritt. 

 

Viel Glück, du packst das! 

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