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Ein wirklich lesenswerter Gastbeitrag von Lisa aus Würzburg.

Ich war nicht selbstmordgefährdet, aber der Tod als Ausweg klang gar nicht so schlimm. Was war mit mir los? Ich war müde und deprimiert. Meine Waage zeigte eine Gewichtszunahme von 20 Kilo in einem Jahr an.

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Etwas stimmte ganz gehörig nicht mit mir. Ich habe also eine Kopie meines Blutbildes angefordert, recherchierte etwas und bat meinen Arzt dann um eine Überweisung zum Spezialisten.

Er war darüber nicht glücklich.

„Ärzte sind auch nur Menschen“, seufzte er und vermied dabei jeglichen Augenkontakt. Seltsamerweise schien er kein Problem damit zuhaben, mir seit sechs Jahren Antidepressiva zu verordnen. Aber eine Überweisung? Kommt nicht in Frage. Trotzdem bestand ich darauf.

„Wenn ein Arzt sieht, dass sie Antidepressiva nehmen“, fuhr er fort, „wird er sie nicht ernst nehmen. Ich meine, sie sind nunmal schon lange abhängig von Antidepressiva. Wir sind alle nur Menschen.“ Er gab mir meine Unterlagen und die Überweisung und verließ den Raum.

Ich fühlte mich überwältigt und erschöpft. Jahrelang hatte ich über Depressionen, trockene, spröde Fußsohlen, Haarausfall, Gewichtszunahme, trockene, brüchige Nägel, Schlaflosigkeit, schmerzende Gelenke und lähmende Müdigkeit geklagt.

Und mein Arzt hatte mir ein Rezept nach dem anderen über Schlaftabletten und Antidepressiva gegeben. Sein Grund für meine Müdigkeit: Kinder. Sein Grund für die Gewichtszunahme: Mein Alter. Wenn ich das akzeptiert hätte, wäre ich vielleicht um 50 herum bereits tot, geschieden oder beides. Ich war so unglücklich.

Er, wie so viele andere Ärzte auch, verknüpfte diese Punkte nicht und übersah damit, dass ich von der allgemeinen Schilddrüsenunterfunktion betroffen war. Meine Bluttests „sagten“ aus, dass meine Hormonwerte „im normalen Bereich“ lagen, also sagte mein Arzt auch, dass meine Schilddrüse ganz normal sei.

Ich war überzeugt, auch wenn mein Arzt es nicht war, dass mein Körper mehr Schilddrüsenhormone brauchte, als angenommen. Jeder von uns hat einen Hormonspiegel, der für uns ideal ist. Nur weil ich „im normalen Bereich“ lag, bedeutete das nicht, dass es mir gut ging. Er hatte meine Laborergebnisse – nicht mich – jahrelang behandelt und wollte mir keine Überweisung geben, bis ich letztlich darauf bestand.

Eine Schilddrüsenunterfunktion betrifft Millionen Menschen weltweit, vor allem Frauen. Und doch ist es eine der unerkanntesten und falsch diagnostiziertesten Fehlfunktionen der Welt.

Die Schilddrüse ist eine schmetterlingsförmige Drüse, die unter dem Adamsapfel sitzt, etwa zehn Zentimeter unter der Nase. Nach Angaben der Spezialisten, kann man unter vielen nervigen Symptomen leiden, die eine große Verwüstung in jedem Aspekt des Lebens anrichten, wenn der Schilddrüsenhormonspiegel zu niedrig sind.

Ich nahm die Überweisung und machte einen Termin bei einem Endokrinologen und musste mir anhören, dass mein Arzt Recht hatte. Der Endokrinologe nahm mich tatsächlich nicht ernst, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich ein Antidepressivum nehme.

Es gab zahlreiche Fälle von Schilddrüsenunterfunktionen innerhalb der Familie und auch meine Symptome sprachen ja eindeutig dafür, aber nachdem ich das böse A-Wort gesagt hatte, wechselte er den Gang und sagte, meine Symptome führen nicht auf meine Schilddrüse zurück und sie könnten vielen Dingen zugeschrieben werden. Das ist die Sache: Ich war ein wandelndes Aushängeschild für eine Schilddrüsenunterfunktion aber keiner wollte es sehen.

Er bestand darauf, dass „kein Endokrinologe der Welt Schilddrüsenhormone mit Ihren Werten verschreiben würde.“ Er hat mich bloß gestellt, nur, damit ich seine Praxis wieder verlasse. Das habe ich auch getan. Mein Leben bröckelte weiter: Meine Ehe, die Beziehung zu meinen Kindern, meine Beziehungen zu mir selbst. Ich fühlte mich wie eine Versagerin.

Möglicherweise war ich ein wenig verrückt, weil ich zurück zu meinem ersten Arzt ging, denn auch einige Monate später plagten mich dieselben Symptome natürlich immer noch. Er war nett zu mir. Bewaffnet mit dem Bericht des Endokrinologen gab er mir eine Überweisung für einen Psychiater, von dem er sich sicher sei, er könne mir ein anderes Antipsychotikum verschreiben.

Ich hätte gerne nach seiner Kehle gegriffen, wenn ich die Energie dazu gehabt hätte. Stattdessen verließ ich seine Praxis erneut voller Tränen, zweifelte an mir selbst und fühlte mich wie besiegt.

Ich habe schließlich eine neue Ärztin gefunden. Ich traute mich und begann von den Symptome zu sprechen. Gott sei Dank fielen mir zu der Zeit vermehrt die Haare aus. Als die Ärztin aufstand, um mich zu untersuchen, fiel ihr als erstes mein Haar auf. Kurze abgebrochene Strähnen wurden über den ganzen Untersuchungstisch, meine Schultern und meinen Rücken verteilt.

Sie schickte mich zu einem anderen Endokrinologen, der, nachdem er sich meine Laborergebnisse angesehen hatte, widerwillig zustimmte, eine dreimonatige Studie mit mehr Schilddrüsenhormon zu versuchen.

In drei Monaten hatten sich meine Schilddrüsenwerte so eingependelt, dass ich mich endlich wieder gut fühlte und meine Vitalität wieder zurück kam. Ich hatte eine behandelbare Erkrankung, deren Diagnose insgesamt fünf Jahre dauerte, weil mein Arzt sich weigerte, einmal über den Tellerrand zu schauen.

Wie viele andere Menschen auch, vertraute ich meinen Ärzten blind. Es kam mir nie in den Sinn, dass sie sich nicht genug mit der Schilddrüsenunterfunktion ihren Symptomen und den damit verbundenen Ursachen auskennen. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich habe grundsätzlich großen Respekt vor den Ärzten. Ich habe allerdings gelernt, dass ich meine Ärzte auch mal hinterfragen muss, zweite Meinungen einholen und vor allem nie aufgeben darf, wenn ich merke, dass ich gesundheitliche Probleme habe. Ärzte sind fehlbar.

Schließlich sind sie auch nur Menschen.

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