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Von Angelika aus Neuss

Als ich schwanger war und mich aufs Mamasein vorbereitete, wurde ich bitter enttäuscht. Unmengen von Einzelheiten wurden mir vorenthalten. Das Ergebnis war dann, dass ich keine Ahnung hatte, dass sich so viele Leute durch meine Entscheidung, meinem Sohn keinen Haarschnitt zu verpassen, auf den Schlips getreten fühlen würden. Ich dramatisiere jetzt auch nicht. Die Erfahrungen, die ich auf Grund der Haarlänge meines Sohnes, machen durfte, waren unfassbar.

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Familie, Freunde und Fremde haben mich ungefragt mit nicht gewollten Ratschlägen „beglückt“. Über die Frisur meines Jungen gibt so viele Meinungen, dass es schon fast einer Staatsaffäre gleicht.

Hier kommt der Mist, den ich nicht mehr hören will:

1. „Oh, deine Tochter ist so süß!“
Ich bekam das in dem Alter, in dem das typische Erscheinungsbild des Geschlechts im Grunde noch nicht vorhanden ist, ständig zu hören. Mit zwei Jahren hat mein Sohn weder einen Schnurrbart noch den gleichen muskulösen Körperbau wie sein Vater. Ehrlich gesagt, er sieht wie ein kleiner Mensch aus. Aber warum sagen die Leute immer „sie ist so süß“ obwohl er im Partnerlook mit seinem Papa herumläuft und ganz klar erkennbar ein Junge ist?

2. „Ich sage das doch nur, weil er wie ein Mädchen aussieht.“ (Die Rechtfertigung)
Ab diesem Satz gab es kein halten mehr. Wenn ich Fremde korrigierte, reagierten sie fast immer mit: „Ich dachte eben, er ist ein Mädchen, weil er so schön ist.“ Okay…. Ich bin mir nicht sicher, was das bedeutet. Jungs können genauso schön sein wie Mädchen. Ich sagte und sage ihm ihm sogar ziemlich regelmäßig, dass er total schön ist. Ich verstehe nicht, wie man über die geschlechtsspezifischen Aspekte von Farbschemata und Klischees hinausschauen kann, aber gleichzeitig ein Problem damit hat, Jungs als „schön“ zu bezeichnen oder ihnen zu erlauben lange Haare zu tragen.

 

3. „Darf ich die Haare mal anfassen?“
Ähm… Nein?! Unsere Kinder sind doch keine Haustiere. Bitte niemals darum, das Haar eines Kindes streicheln zu dürfen, egal wie weich sie auch sein mögen. Es sei denn, du willst dann auch meine innere Löwin kennenlernen.

Und ich bin wirklich nicht die Einzige, die so denkt. „Es hat mich wirklich geschockt, als das erste Mal jemand die Hand ausstreckte und sein Haar berühren wollte. Jetzt bin ich nur wütend und traurig, dass er sich mit seinen Händen vor diesen Menschen schützen muss, wenn sie es wieder versuchen“, erklärte Nicole, die Mutter eines rothaarigen Jungen. Sie sagte, sie sei schockiert darüber, wie viele Leute sein Haar anfassen wollten.

4. „Mit einem Haarschnitt würde aussehen wie ein großer Junge „
Er ist zwei – er wird nicht wie ein großer Junge aussehen, egal was er tut. Weißt du, warum? Weil er ein Kleinkind ist. Kleinkinder haben runde Gesichter und Körper, die sich irgendwo auf halbem Weg zwischen Baby und großem Jungen befinden. Ich muss den Prozess nicht künstlich beschleunigen.

5. Keine Witze mehr über einen heimlichen Haarschnitt, bitte. Danke. 
Es gab Zeiten, in denen mich tatsächlich einige meiner Lieben gefragt haben, was passieren würde, wenn ich sie babysitten ließe und sie ihm dann einfach die Haare schneiden würden. Das ist einfach zu beantworten. Ich würde dir eine reinhauen! Bis mein Sohn alt genug ist, um selbst Entscheidungen zu treffen, sind sein Vater und ich die Wächter seines Aussehens. Es ist nicht lustig, Witze darüber zu machen, dass das, was wir für unser Kind beschlossen haben, missachtet wird. Das ist ein guter Weg, um seine Babysitter-Privilegien für immer zu verlieren.

6. „Wann lasst ihr ihm endlich die Haare schneiden?“
Ummm, wann wirst du deine überfälligen Strafzettel bezahlen? Wie lange dauert es, bis du dir den Spinat aus den Zähnen entfernst? Du magst keine unangenehmen Fragen über dein persönliches Leben, oder? Das gleiche gilt für die Haare meines Sohnes.

Das Haar meines Sohnes wird regelmäßig gepflegt, und er sieht genauso aus wie alle anderen zwei Jahre alten Jungs auch. Unerwünschte Kommentare zu den Haaren meines Sohnes abzulassen, ist genauso aufdringlich, wie die Frage nach dem Gewicht oder dem Kleidungsstil von jemandem. Es geht schlichtweg niemanden etwas an.

7. „Du lässt ein Kind also echt entscheiden, wann es sich die Haare schneiden lässt?“
Ein wichtiger Aspekt der selbstbestimmten Erziehung ist es, den Kindern die Freiheit zu geben, vernünftige Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Seine Kopf, seine Entscheidung. Solange mein Sohn das so möchte, sind wir damit zufrieden.

„Unser Plan ist es, die Haare nicht abzuschneiden, bis und solange er es nicht will,“ sagt Nicole. „Wir dürfen nicht mal das Wort Haarschnitt vor ihm in den Mund nehmen. Wir müssen auf sein Drängen hin „trimmen“ sagen und wir trimmen nur die Spitzen um die Haare gesund und die Locken zu erhalten. Trotz der ganzen Aufmerksamkeit der nervigen Leute, liebt er sein Haar und seine Locken. Wenn er glücklich ist, sind wir auch glücklich.“

Ich will nicht, dass gewisse Erwartungshaltungen an stereotype männliche Schönheitsideale das Aussehen meines Sohnes bestimmen. Solange ich die Haare meines Sohnes pflege und es keine Anzeichen von Vernachlässigung gibt, brauche ich keine Ratschläge. Eltern von langhaarigen Jungen brauchen deine Meinung nicht – wir haben bereits eine.

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