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„Ping“. Da war sie nun, die E-Mail der Klassenlehrerin meiner Tochter. Prall gefüllt mit Aufgaben in Deutsch und Mathe. Für eine ganze Woche PLUS Zusatzaufgaben für die ganz Eifrigen. Ich drucke alles aus und merke da erst, dass das ganz schön viel ist. „Erste Klasse, was soll da schon schief gehen“ denke ich mir und es druckt und druckt….brrrrrrttttt, sssiiiiirrrtttttt, klick, brrrrrrtttt…….Neugierig steht das Kind neben mir und freut sich. „Tja Mama, dann bist du jetzt meine Lehrerin!“ Wir befinden uns in Tag vier der häuslichen Isolation in Hamburg. Außer ab und an mal einkaufen passiert hier nicht viel. Ruby wird langsam latent langweilig. Klar, mit Freunden verabreden ist derzeit nicht drin. Spielplätze sind geschlossen. Ihr kennt das Dilemma. Nun können wir also gemeinsam lernen.

Es fängt schon damit an, dass wir uns darüber streiten, WO wir uns zum lernen hinsetzen. Ruby möchte gerne vor dem Fernseher lernen, MIT LADY BUG, versteht sich. Ich bin dagegen und der Fernseher wird aus gemacht. „Das finde ich aber doof!“ höre ich. Wir einigen uns nach einigem Hin und Her darauf, uns gemeinsam an den Wohnzimmertisch zu setzen, weil ich ja im Homeoffice auch einiges zu tun habe. Gut, auf geht’s…..Mit Mathe fangen wir an. Gesucht werden Aufgaben, die ungefähr so aussehen: 9-6 = 3 und 19-16 = 3 uuuund 19-6=13

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Ich erläutere wild gestikulierend was von ihr verlangt wird. Sie hört mir nicht zu und fragt mich, warum man überhaupt Mathe lernen muss. Ich überhöre diese eigentlich sinnvolle Frage (Ich habe mich das nämlich auch immer gefragt!) und setze von Neuem an. Ruby kaut an einem Bleistift, das Radiergummi fällt ab und sie lacht sich scheckig. Ich mahne zur Ruhe und fange erneut an: „9 minus 6, na, was ist denn das?“ Mich gucken zwei große Augen an…“Mama, ich hab Hunger!“ Zerknirscht verkünde ich, dass noch keine große Pause ist und es jetzt weiter geht im Text….“19 minus 16 sind?“ Mein Kind schaut erstaunt: „Wir dürfen immer essen im Unterricht!“ Ich glaube ihr nicht, denn ich weiß, dass das nicht so ist. Eine wilde Diskussion geht los. Sie habe außerdem Durst, Hunger und außerdem sei sie entsetzlich müde….Ich klappe das Buch zu, bin genervt. Ich schlage vor, das wir später weitermachen und sie sich dann jetzt nochmal ausruhen dürfe. „Neeeeiiiiiin, ich will doch Mathe machen!“ Sie schmollt, ich schmolle. Ich wechsle auf Deutsch. „Komm, wir legen Mathe beiseite und kümmern uns um Deutsch, ok?“ Ok.

Heute ist das „B“ und das „b“ nochmal dran. Gebildet werden Silben: Bla, bla, Blu, blu und so weiter…..Mein Kind fängt lauthals an zu singen: „Bluuuuuuuu, bliiiiii, blaaaaaaa, bluuuuuuuu, das B ist soooo ballallaaaaabaaaaalllaaaaaa!“ Ich fange hysterisch an zu lachen und mahne zur Ruhe. Als ich wieder hochgucke sitzt das Kind AUF dem Tisch, hat die Katze auf dem Rücken und auch sie lacht hysterisch. Ich gebe zu, ich werde strenger: „Hör mal, Ruby, wir müssen da durch und so geht’s einfach nicht!“ da habe ich die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht: „Du kannst ÜBERHAUPT nicht erklären, Frau W. kann das aber, DU GAR NICHT!“ Ok, Steffi, ganz ruhig. Ich setze mein friedlichstes Lächeln auf und ganz lieb fange ich an, nochmal anzusetzen. Es hilft nichts. Wir streiten wir die Kesselflicker. Schnell wird klar, dass wir gemeinsam SO nicht lernen können, das halten wir beide NIE im Leben weitere vier Wochen durch. Auf Facebook lächeln mir derweil wundervolle Bilder von braven, lernenden Kindern entgegen. Die dazugehörigen Mamas sind selig, dass sie ENDLICH erfahren dürfen, wir wundervoll ihre Kinder doch Zuhause den Stoff der Schule bearbeiten. #SODANKBAR #MeinKindLerntsoToll

Bei uns sieht es anders aus. Mit roten Köpfen zischen wir uns an. Ich habe pädagogisch komplett versagt. Die Laune ist auf dem Tiefpunkt. „Ich will dich nicht mehr sehen, Mama!“  „Okay!“ Sie stampft weg. Ich haue viel zu laut in die Tasten in meinen Laptop, der ja eigentlich gar nichts dafür kann. Es vergehen 30 Minuten. Das Kind kommt irgendwann wieder zu mir, es hat alle Aufgaben alleine gelöst. Ich korrigiere die Fehler. Wortlos. Gemeinsam schauen wir nochmal drüber. Abgehakt, morgen machen wir weiter.

Alter Falter, das geht jetzt die nächsten Wochen so weiter. Wir können einfach nicht zusammen lernen, das ist ziemlich klar. Vielleicht bin ich die einzige Mutter der Welt, der das so geht, vielleicht verstehen mich andere Mamas. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir da irgendwie durchmüssen. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Gedanken an die Pubertät verwerfe ich schnell wieder. Alles gar nicht so einfach momentan. Die Isolation ist für Kinder eben auch nicht einfach. Ein Tag hat eben doch viele Stunden, wenn man die sonst übliche Struktur auf einmal nicht mehr hat. Ich weiß in jedem Fall, dass ich dem deutschen Schulsystem echt dankbar bin, denn mein Kind liebt die Schule und ich liebe sie auch. Nie im Leben würde ich mit ihr Zuhause lernen können. Freelearning ohne Schule, das käme für uns nicht in Frage.

Ach Mädels, wir rocken die kommende Zeit bestimmt irgendwie. Irgendwann ist alles wieder so, wie wir es gewohnt sind und bis dahin, ja, da darf man auch mal laut „Scheiße“ brüllen. Und sich zanken und sich wieder vertragen. Wir gucken jetzt „Zoomania“ und essen Erdnüsse im Bett. Nachher machen wir Hausaufgaben: Sie in ihrem ZIMMER und ich in MEINEM. Lieb haben wir uns trotzdem.

Fühlt euch gedrückt,

 

eure Steffi

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