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Ein Gastbeitrag von Lena aus Detmold

Meine Kinder lügen eigentlich andauernd. Mein Teenager lügt, wenn er sagt, er sei früh schlafen gegangen, er lügt, wenn er sagt, dass er nicht derjenige war, der die letze Schokolade im Schrank aufgefuttert hat und er lügt wahrscheinlich, wenn er behauptet, er habe sich große Mühe bei den Hausaufgaben gegeben. Mein kleines Mädchen lügt ebenso, wenn sie sagt, sie habe sich frische Unterwäsche angezogen, die Hände gewaschen und auch die Anzahl der gefutterten Bonbons stimmt eher selten. Schön ist auch, wenn ich sie frage, ob sie sich die Haare gekämmt hat und sie mich anschaut und „Jaaa!“ sagt, obwohl sie aussieht, als hätte sie direkt in eine Steckdose gefasst.

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Süße, du täuschst mich nicht.

Ehrlichkeit wird in unserer Familie sehr geschätzt, so wie es in den meisten Familien der Fall ist. Wir glauben daran, dass wir als Eltern eine offene und vertrauensvolle Beziehungen zu unseren Kindern haben. Wir wollen, dass sie, wenn sie groß sind, zu verlässlichen Erwachsenen heran reifen. Noch wichtiger für uns jedoch ist, dass sie sich nicht genötigt fühlen, lügen zu müssen, nur weil sie Mist gebaut haben. Wenn sie also Bier aus dem Kühlschrank klauen oder über eine rote Ampel laufen und erwischt werden, sollen sie bitte ehrlich sein.

Unsere Kinder befanden sich im Kleinkindalter noch auf einem niedrigem Lügenniveau. Damals ging es nur darum, wer was gemacht hatte und wer Schuld war um dann wieder alles von sich zu weisen. Auch wenn wir Lügen insgeheim ziemlich ätzend finden, so ist es doch völlig normal. Es ist tatsächlich menschlich.  In einer kürzlich durchgeführten Studie z.B. wurden 2 und 3-Jährige aufgefordert, nicht auf ein bestimmtes Spielzeug zu schauen, während sie allein im Untersuchungsraum gelassen wurden. Die große Mehrheit der Kinder guckte es sich dennoch an und sie logen, als der Forscher sie im Nachhinein befragte. Für  Kinder ab 6 Jahren betrug die „Täuschungsrate“ glatte 100 Prozent. Jedes Kind, dass eben doch einen Blick auf das Spielzeug warf, log im Nachhinein.

Du siehst, Dein Kind ist nicht der einzige Lügenbaron auf dieser Welt!

 

In meinem Elternhaus galt das Lügen als ultimative Sünde, das bedeutete allerdings nicht automatisch, dass ich immer ehrlich war. Ob ich die letzen Kekse gegessen hatte? NEIIIIN, natürlich nicht. Je größer ich wurde, umso größer wurden die Lügen, ich erzählte z.B. ich würde meine Freundin besuchen, stattdessen datete ich allerdings einen Jungen. Wenn meine Eltern mich beim Lügen erwischten, erklären sie mir stets, dass sie mir für mich wirklich wichtige Dinge nicht erlauben konnten, wenn ich sie schon wegen Kleinigkeiten anlog.

Ich benutze den gleichen Grundsatz für meine Kinder: Wie kann ich dir in großen Dingen vertrauen, wenn du bereits bei Kleinigkeiten lügst? Werden aus Kindern die lügen, nicht zwangsläufig auch schlechte Erwachsene, die geradewegs in die Illegalität abstürzen?

Nicht unbedingt.

Tatsächlich ist Lügen gar nicht so schlimm, wie wir immer annehmen. Es stellte sich heraus, dass es völlig normal ist, dass Kinder lügen und laut der Studie kann die Kreativität beim Lügen sogar als Zeichen von Intelligenz gesehen werden. Um genau zu sein: Kinder, die lügen, verfügen über eine höhere verbale Intelligenz, als Kinder, die nicht lügen.

Im Spielzeugversuch fanden die Forscher heraus, dass der IQ der „Lügner“ 10 Punkte höher war als der, der ehrlichen Kinder. Meine Kinder sind also wahre Genies! Halleluja! (Randbemerkung: Die Kinder mit den höchsten IQs waren diejenigen, die das Spielzeug tatsächlich nicht angeguckt haben, aber die waren wirklich selten).

 

Es gibt andere kognitive Vorteile, die mit dem Lügen einher gehen. Die Studie zeigte auch, dass Kinder, die lügen, bessere exekutive Fähigkeiten (Dinge wie Selbstregulation, Impulskontrolle, Planung und Flexibilität) besitzen und außerdem besitzen sie eher die Fähigkeit, die Welt durch die Perspektive anderer sehen zu können.

Laut der Ärzte ist Lügen nicht nur mit einem höheren IQ verbunden, sondern auch mit einer höheren emotionalen Intelligenz. „Die Kinder, die emotional stabiler sind, sind diejenigen, die lieber lügen, als die Wahrheit zu sagen“, gab einer der Ätzte zu Protokoll.

Es gibt viele Gründe, warum ein Kind letztlich lügt und einige Gründe sind leicht nachvollziehbar. Zum Beispiel erwartete die Achtjährige, dass ihre Großeltern ihr das Skateboard schenken würden, das sie sich so sehr gewünscht hat, stattdessen wickelte sie  aber eine Barbie aus dem Geschenkpapier aus. Sie lächelte, erzählte ihren Großeltern, dass sie die Puppe ganz wunderbar finden würde. Sie log, um die Gefühle anderer zu schützen, und die meisten von uns wollen doch auch, dass unsere Kinder genau dieses Verhalten erlernen.

Kinder lügen auch, um Strafen zu vermeiden, man kann das als eine Form der Selbsterhaltung ansehen, die wichtig für jeden ist. Schließlich belügen wir uns alle ab und an, indem wir sagen, dass wir zu beschäftigt sind, um an der Party teilnehmen zu können, zu der wir sowieso nicht eingeladen wurden. Warum lügen wir also, wenn wir es eigentlich gar nicht müssten? Lügen ist ein Weg, um unser Selbstwertgefühl bewahren zu können.

Die Herausforderung für Eltern besteht darin, Kinder aufzuziehen, die einerseits schlau genug sind, zu lügen, ihnen aber andererseits klar zu machen, dass sie eigentlich einem moralisch richtigen Weg folgen müssten. Wir wollen, dass sie dann lügen, wenn es ihnen nützlich ist, ohne anderen Schaden zuzufügen, aber wir wollen nicht, dass sie zu Meisterbetrügern werden, die illegal, mehrere Millionen Euro scheffeln und dann im Gefängnis landen.

Wie lehren wir unseren Kindern also, dass Ehrlichkeit der beste Weg ist?

Ein Forscherteam fand heraus, dass es besser ist, Kinder für ihre Ehrlichkeit zu belohnen anstatt sie für eine Lüge zu bestrafen. Lass deine Kinder wissen, wie glücklich du bist, wenn sie die Wahrheit sagen.

Die Quintessenz der ganzen Thematik ist also, dass Kinder lügen und die Forschung uns  sagt, das sie es nur machen, weil sie schlau sind. Ist Lügen also vielleicht doch eine gute Sache?

Nun, zumindest ist es nicht so schlimm, wie wir immer angenommen haben.

 

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