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Wir veröffentlichen diesen Gastbeitrag auf Wunsch der Autorin anonym.

Es war eine dieser Erkenntnisse, für deren Akzeptanz ich Jahre brauchte und ich brauchte ebenfalls Jahre, um über den Kern der Erkenntnis nachzudenken. Ich spreche es heute aus: Ich bereue, dass ich Kinder bekommen habe.

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Ich bin Mama zweier Kindern. Sie sind beide noch jung. Zwei Jungs. Sie sind ungestüm, laut und sehr glücklich. Ich wünsche mir dennoch, ich hätte sie nie bekommen.

Jetzt kommt bestimmt die „Du bist ein schrecklicher, egoistischer Mensch“-Masche, stimmt’s? Wisst ihr, genau diese Art der Kommentare haben mich lange daran gehindert, meine Gefühle offen anzusprechen. Schon als kleines Kind wurde mir davon erzählt, wie wunderbar es ist, Mama zu sein. „Wenn du erst mal Kinder hast!“ „Du wirst bestimmt ne tolle Mama!“ etc. Und ehrlich: Der innere Konflikt, meine Kinder zu lieben und mir dabei gleichzeitig zu wünschen, ich hätte gar keine, macht mich unendlich fertig. Jeden verdammten Tag.

Kürzlich las ich eine Studie, die die rhetorischen Unterschiede innerhalb einer  Sterilisationsberatung von Männern und Frauen aufdeckte und die die Taktik und Ideologie rund um Fragen der weiblichen Reproduktionsgerechtigkeit untersuchte. Ziemlich schnell wurde deutlich, dass Frauen oft gesagt wird, sie würden es bereuen, keine Kinder zu bekommen. Es wird ihnen heute immer noch gesagt, dass sie sich in Zukunft leer und unerfüllt fühlen werden. Frauen ohne Kinder werden als egoistisch, unfruchtbar, alte Jungfern … bezeichnet, um nur einige Begriffe zu nennen. Wenn eine Frau unverheiratet ist und keine Kinder hat, dann fragen wir uns, was mit ihr los ist. Ist sie nicht einsam? Tickt ihre biologische Uhr denn gar nicht?

Wenn eine Frau unter 35 nach einer Sterilisation fragt, so wird versucht, sie davon abzubringen. Es werden ihr unzählige andere Möglichkeiten angeboten, alles Dinge, die ihre Fortpflanzungsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Und auch dann wird ihr gesagt, dass sie ihre Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, bereuen könnte.

Leider erwähnt niemand, dass man als Frau durchaus auch die Entscheidung Kinder bekommen zu haben, bereuen kann.

Dabei gibt es Gründe, die durchaus gegen Kinder sprechen: Kinder sind anstrengend. Kinder sind unfassbar teuer und bringen dich in emotional belastende Situationen. Mit Kindern zu reisen ist möglich aber auch sehr anstrengend. Der Urlaub mit Kindern ist nicht erholsam. Die Partnerschaft wird auf eine harte Probe gestellt, sobald das erste Kind da ist.

Die Tatsache, dass meine beiden Kinder besondere Bedürfnisse haben, macht die Sache nicht einfacher. Wir haben zum einen ADHS und eine Autismus-Spektrum-Störung zu bieten. Mein Mann leidet unter Depressionen und Angstzuständen, was jede schwierige Interaktion mit den Kindern eskalieren lässt. Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal gemeinsam einen Ausflug gemacht haben, der nicht mit Geschrei und Tränen endete. Wir sind gefühlte Jahrzehnte nicht ins Kino gegangen. Wir waren ewig nicht essen. Unser letztes richtiges Date ist über acht Jahre her.

Ich habe Stunden mit Lehrern und Direktoren über das Verhalten meiner Kinder in der Schule diskutiert. Ich habe Stunden in Arztpraxen und Notaufnahmen verbracht. Ich selber habe einfach so viel verpasst, weil ich Kinder habe. Sobald ich das alles ausspreche, kommt die Scham jedoch gnadenlos in mir hoch…..

„Sie sind nur einmal jung.“

„Nimm sie einfach in deinen Arm und drück sie.“

„Du musst nur mehr Geduld haben.“

„Du kannst doch auch Urlaub machen, wenn sie älter sind.“

Ich habe jung Kinder bekommen. Ich habe jung geheiratet. Ich habe die Zeit zwischen 20 und 30 quasi verpasst, weil ich bereits verheiratet und/oder schwanger war. Ich bin nie weit verreist. Ich habe den Master nicht gemacht, weil ich so jung Mama geworden bin. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht auf dem Hocker in meiner Küche sitze und aus dem Fenster starre und mich frage, was wäre wenn………

Es ist okay, wenn man seine Entscheidungen im Nachhinein hinterfragt und auch bedauert. Niemand hat uns gesagt, dass wir die Entscheidung sie bekommen zu haben eventuell auch bereuen können. Uns wurde nur eingetrichtert, dass wir es definitiv bereuen werden, niemals Kinder bekommen zu haben. Die Mutterrolle wird Frauen aufgedrängt. Die Gesellschaft erwartet von Frauen, dass sie fürsorglich, mütterlich und selbstlos sind und gefälligst niemals an sich selbst denken. Das muss sich ändern. Wir müssen Frauen wissen lassen, dass sie auch ohne Kinder glücklich sein könne und DÜRFEN. Karriere, Hobbys, Freunde, Partner, Haustiere … all diese Dinge können erfüllend sein und letztlich für ein glückliches Leben sorgen.

Kinder sind nicht die Krönung des Daseins einer Frau.

Ich liebe meine Kinder. Ich liebe sie, weil ich ihre Mama bin und natürlich liebe ich sie, weil sie wundervoll sind.  Dennoch sage ich ganz klar, dass ich mich gegen sie entscheiden würde, wenn ich nochmal vor der Entscheidung stünde.

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