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Ein Gastbeitrag von Ina aus Bochum.

Schatz, ich hasse es, diejenige sein zu müssen, die dir das jetzt sagt aber dein Kind ist eine verzogene Göre. Ja, deine. Sie ist quengelig und bekommt immer, was sie will.

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Ich weiß, du versuchst nur, ein guter Papa zu sein. Deine eigenen Eltern haben sich längst nicht so sehr um dich bemüht. Sie wussten die Hälfte der Zeit gar nicht, wo du dich herumtreibst. Dein Vater zum Beispiel wusste nicht mal, dass du Flöte spielst. Er wusste nicht, dass du im Schulchor bist. Deine Mutter musste viel arbeiten und hat die meisten deiner Hockeyspiele verpasst. Und manchmal hat sie dich nach dem Training auch zu spät abgeholt, weil sie dich schlichtweg vergessen hat.

Aber du mein Liebster bist nicht so. Du willst es besser machen.

Du tust dein Bestes, weil du willst, dass sie glücklich ist. Du bist interessiert, weil du wissen willst, was in ihrem Leben vor sich geht. Du möchtest, dass sie sich gesehen und wertgeschätzt fühlt. Du kommst nie zu spät, um sie abzuholen. Du planst und organisierst und schlägst gemeinsame Aktivitäten vor. Du schwebst über ihr wie ein Hubschrauber. Du stellst eine Million Fragen. Du willst, dass ihr Leben großartig und abwechslungsreich ist. Du willst nicht, dass sie jemals enttäuscht wird.

Aber genau wie ich, machst du Fehler. Denn: Unser Kind ist eine verzogene Göre.

Und so kam es dazu:

Wir lassen mit uns verhandeln.
Unser Kind will etwas, also beginnt direkt die Verhandlung. „Hör zu. Ich kaufe dir das, wenn du dich ab jetzt benimmst“ ist in den Gängen der Geschäfte in ganz Deutschland zu hören. Und wenn sie sich nicht benimmt, hört man uns sagen: „Okay, ich gebe dir noch eine Chance.“ Daraus ergeben sich natürlich noch einige weitere Chancen. Mein Lieblingsverhandlungssatz unserer Tochter ist: „Ich verspreche, ich mache es später!“ Verhandlungen können ein gutes Erziehungs-Werkzeug sein, aber wenn sie effektiv bleiben sollen, müssen wir eine Grenze ziehen, die nicht überschritten werden darf. Überschreitet sie diese Grenze, so ist das Verhandlungsspiel endgültig vorbei.

Wir putzen ihr Zimmer.
Manchmal können wir es einfach nicht mehr ertragen. Ihr Zimmer sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Schmutzige Klamotten, nasse Handtücher, ein ungemachtes Bett –  überall nur Unordnung. Es gibt lediglich noch eine Art Rettungspfad durchs Chaos. Es ist teilweise echt eklig. Dennoch darf sie zu all ihren Aktivitäten und Verabredungen gehen. Sie darf abends noch fernsehen oder auf dem IPDAD spielen. Wenn wir sie bitten, ihr Zimmer zu putzen, dann tut sie es eh nicht, also machen es einfach selbst. Aber hier kommt die Gleichung, die wir mit diesem Szenario aufgestellt haben: Sie gewöhnt sich an jemanden, der hinter ihr her räumt, und sie merkt nicht, dass es wichtig ist. Das Ergebnis = Göre.

Wir tragen ihren Rucksack.
Ja, das Ding ist schwer. Ich weiß. Manchmal ist das Zeug darin echt schwer. Sie hat Hausaufgaben zu machen. Wenn wir unser Kind abholen und alles für sie zum Auto tragen, dann tun wir wieder viel zu viel. Wir sind keine Packesel. Wir machen es ihr zu bequem.

Wir fragen sie, was sie zum Abendessen essen möchte. 
Ich erinnere mich nicht daran, jemals gefragt worden zu sein, was ich mir zum Abendessen wünschen würde. Weißt du noch, wie deine Mutter mal gesagt hat: „Hey Leute, wollt ihr essen gehen oder zu Hause bleiben?“ Essen gehen war zu meiner Zeit immer ein besonderer Anlass. Ich erinnere mich lebhaft daran, dass mir nur vier verschiedene Gerichte serviert wurden: Hühnchen, Hackbraten, Spaghetti, und diese wirklich ekelhaften Schweinekoteletts samt roter Reiskreation, ich habe es gehasst. Aber weißt du was? Ich habe gegessen, was auf den Tisch kam. Ende der Geschichte.

Ihre Pläne sind wichtiger als unsere. 
„Tut mir leid, dass wir nicht kommen können aber Laura hat eine Aufführung.“ Das ist die meiste Zeit auch echt in Ordnung. Natürlich wollen wir uns ihre Aufführung anschauen. Aber manchmal muss ihr Sport auch mal in Hintergrund treten. Laura wird es gut tun, sich mal um eine Mitfahrgelegenheit kümmern zu müssen. Und rate mal, was noch passieren wird? Laura wird sich viel wohler fühlen, weil wir nicht alle fünf Sekunden Fotos von ihr schießen.

Wir wünschen uns beide, dass sie immer glücklich ist.

Newsflash: Kinder können nicht immer glücklich sein. Es ist okay, wenn sie nicht immer das bekommen, was sie wollen, nicht immer das getan wird, was sie wollen, oder dorthin gegangen wird, wohin sie wollen. Wenn sie Aufgaben zu erledigen haben, Zeit mit ihrer Familie verbringen oder mit uns einkaufen gehen müssen, kommen vielleicht ein paar schwere Seufzer auf uns zu. Und wenn schon! Es ist okay, denn es geht nicht nur um sie und ihr ständiges Glück.

Wir lassen uns gegenseitig ausspielen. 
Das ist unser häufigster Fehler. Unser Kind bittet uns darum, bei einer Übernachtungsparty teilnehmen zu dürfen. Elternteil A sagt: „Nein.“ Das Kind geht weiter zu Elternteil B, das wiederum sagt: „Na klar!“ Warum ist das so schlimm? Ganz einfach: Weil wir nicht zusammenhalten. Wenn wir als Einheit auftreten ist das viel besser. Wir sollten versuchen, zumindest in genau dem Moment einer Meinung zu sein. Wir können uns später noch über unsere Meinungsverschiedenheiten austauschen. Ansonsten lernen die Kinder, wie sie die Eltern gegeneinander ausspielen können.

Wir übertragen ihr keine Verantwortung. 
Wenn das Kind den Tisch nicht deckt, den Tisch nie abräumt, keine Geschirrspülmaschine entlädt, nie mit dem Hund raus geht, dann sollte das Kind ab jetzt Miete zahlen.

Wir entschuldigen uns für ihr schlechtes Benehmen oder schlechte Noten.
Wir alle scheinen diesen Fehler zu machen. Schlechtes Benehmen ist schlechtes Benehmen. „Sie ist müde und hungrig“ ist eine schreckliche Entschuldigung. „Wir mussten gestern noch zum Zahnarzt und so konnte sie ihr Referat heute leider nicht abgeben!“ ist genauso schlimm. Wir müssen aufhören, das schlechte Benehmen unseres Kindes oder die mangelnde Arbeitsmoral ständig entschuldigen zu wollen. Ohne Disziplin werden Kinder zu Gören. So einfach ist das.

Wir streiten uns mit dem Lehrer 
Es ist wichtig, für unsere Kinder einzustehen, aber erst nachdem sich unsere Kinder für sich selbst eingesetzt haben. Wenn ein Lehrer bemerkt, dass unser Kind eventuell keine ambitionierte Arbeitsmoral hat, so glaube ich dem Lehrer. Entgegen der landläufigen Meinung wollen die meisten Lehrer jungen Menschen helfen. Sie wollen, dass es den Kindern gut geht. Wenn wir uns über halbherzig, erledigte Aufgaben streiten oder gewisse Zeitvorgaben nicht eingehalten werden, so lernt ein Kind, dass es weiterhin faul sein kann, weil seine Eltern sich eh entschuldigen und zu seinen Gunsten argumentieren werden. Außerdem lernt es, dass es seinen Lehrer nicht respektieren muss und die Aufgaben jemand anderes erledigen wird. So einfach ist das.

Kindern eine große Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ist wichtig. Engagierte Eltern sind toll. Aber das Maß an Aufmerksamkeit und Engagement bestimmt letztlich auch, wieviel unsere Kinder dabei lernen. Wenn wir ständig mit unseren Kindern verhandeln, machen wir etwas falsch. Wenn wir uns ständig für ihr schlechtes Verhalten entschuldigen, machen wir etwas falsch. Wenn unsere Kinder immer fauler werden, machen wir etwas falsch. Wenn wir weiterhin das Zimmer putzen, alle Essenswünsche berücksichtigen und unseren Ehepartner gegen uns ausspielen lassen, dann werden unsere Kinder zu Bälgern.

Alle Kinder müssen lernen, dass sie nicht immer die erste Geige spielen und auch mal hinten an stehen müssen. Das bildet den Charakter. Oder Liebling?

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