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Es ist soweit. Nach genau 3,5 Jahren. Schluck. Jubel. Hysterie. Schnappatmung. Hier kommt ein Text über das Alleinegelassen werden. Vom KIND verlassen.

Von Anfang an: Rubys Großeltern sind passionierte Camper und demnach besitzen sie auch einen Wohnwagen und übernachten quasi fast NUR noch darin. Da sie auf Rügen wohnen, sehen sie das Tochterkind nicht allzu oft. Sie wünschen sich Zeit mit ihr allein. ICH wünsche mir auch Zeit für mich allein. SO war der Plan. Natürlich fragte ich das Kind in regelmässigen Abständen, ob es denn mal in das tolle, fahrbare Wohnzimmer zu Oma und Opa will. Stets war ihre Antwort: „Kommst du dann mit?“ Ich: „Hm, nein, nur Du und Oma und Opa!“ Sie: „Dann nicht!“ Thema gegessen.

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Dann kam der Tag der Tage, den ich ab jetzt nur noch chronologisch wiedergebe, um nicht erneut hysterisch zu werden.

Samstag, Anruf Oma: „Wir wollen mit Ruby in den Heidepark! Mit Wohnmobil! 2 Tage!“

Antwort, Ich: „OK, ich frag sie!“

Antwort Ruby: „Ja Mama, ich will!“

Antwort an die Oma: „Sie will, wann kommt Ihr?“

Oma: „Morgen!“

Schluck. Adrenalin klopft vorsichtig in Halsregion an. Herz schlägt zunehmend. Mir ist schlecht. Zwei Tage frei? Ich kann 48 Std lang rumliegen? ALLEINE Schokolade essen? Wilde Sexorgien in JEDEM Raum? Grillparty? DER WAHNSINN!

Erstaunlich, sie will auch am nächsten Tag noch mit und ist so aufgeregt, dass sie keine Sekunde schläft. Um fünf Uhr ist sie aufgewacht (hehe, viel Spaß Oma!!“) und sie tanzt durchgehend, an Essen ist nicht zu denken. AUSNAHMEZUSTAND!!!! 

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Es kommt dann viel schneller als erwartet: Es klingelt, Oma und Opa rauschen rein und haben außer einen schnellen Kaffee keine Zeit, der Park ruft!

In Windeleile packe ich das NÖTIGSTE zusammen:

  • Wechselwäsche für mindestens 3 Wochen
  • 3 Waschlappen
  • Waschzeug
  • Kuscheltiere (DREI!)
  • Kuscheltücher (FÜNF!)
  • Schnullis (VIER!)
  • Bürste

Ich sitze am Tisch, gehe die Packliste durch und schaue auf mein Mädchen. Mein großes Mädchen. Noch nie waren wir wirklich getrennt. Nun fährt sie alleine weg. WAS, wenn sie mich vermisst? WAS, wenn sie nach Hause will? Oma lächelt besonnen, sie hat vier Enkelkinder und spürt meine Aufregung. Sie wollen los. JETZT SCHON? Papa guckt auch ganz komisch aus der Wäsche.

Weg sind sie. Gewinkt hat sie noch. Ich gehe rein. Ich muss mich jetzt sofort betrinken.

DER SCHOCK: Sie haben die gepackte Tasche vergessen! Das Kind hat nur das mit, was es am Leibe trägt. ALARM!!!! Natürlich gehen die Großeltern nicht ans Handy. Der Mann und ich überlegen, wo und wie wir sie abfangen können. Fahren wir hinterher? DRAMA!!!!

Ich beschließe mich einfach zu betäuben und trinke ein Glas Wein. Es setzt eine gewisse Gelassenheit ein. HEY, sie ist mit Oma und Opa zusammen. Dann kaufen sie ihr eben neue Klamotten. Aber was, wenn sie nun Ihre Kuscheltiere braucht? Oh Gott, ohne die Schnüffeltücher wird das nicht gehen. Nein, das wird nicht gehen.

GEWISSEN? SHUT UP, BITCH! 

Ich erwartete den Anruf eigentlich schon nach fünf Minuten, nachdem sie das Haus verlassen haben. Und dann bitte jede viertel Stunde.

Es kommt kein Anruf. GAR KEIN ANRUF! Ich bin auf 180! Es kommt um 22 Uhr eine SMS. EINE ESEMES!!!!!

„Alles gut. Ruby schläft.“ DAS IST ALLES? ALLES GUT??????? RUBY SCHLÄFT?????????????????

Schnappatmung. Papa lacht. LACHT ER MICH ETWA AUS? In wandere aus. JETZT. Vorher hole ich das Kind noch aus dem Heidepark ab. DAS kann doch alles nicht wahr sein.

Der Mann reicht mir ein Glas Wein. Ich trinke es aus und schlafe ein.

TAG 2: Ich arbeite bis 19 Uhr. Man gönnt sich ja sonst nichts. Die Redaktion erträgt meine Geschichten nicht mehr. Ich erzähle durchgehend von Ruby.

Erschöpft sitze ich nach Feierabend auf der Terrasse. Ich bin am Ende. Ich bin doch eine Helikopter Mutter. Ich wusste es. Mir gehen Gedanken durch den Kopf, die ich nie für möglich gehalten hätte. Wenn ich JETZT schon am Limit bin, was mache ich bei der ersten Klassenfahrt? Ich muss in den Elternbeirat! Gibt es Formulare, die ich jetzt schon ausfüllen kann? Welche Schule den eigentlich? Ich gehe einfach auch nochmal in die erste Klasse. Nein, nicht gut. Der Mann kommt nach Hause und was sagt er? „Herrlich, oder? Diese Ruhe!“ DIESER ARSCH! Das Kind ist in Gefahr und er genießt die Ruhe? SOOOOO nicht mein Freund, so nicht!

Da, ein Anruf!!!! Oma!!! Ich zittere vor Aufregung!!!! Oma erzählt, wie toll alles läuft und nun der Höhepunkt der ganzen Geschichte: Das Kind möchte nicht mir mir sprechen, es spiele gerade mit KNETE!! Aus dem Hintergrund höre ich vergnügtes Lachen meines Kindes.  Sie kämen morgen wieder. Tschüß.

Ich gucke meinen Mann an. Er guckt mich an. Wir vermissen sie. JA, wir vermissen sie. Er sagt den entscheidenen Satz: „Weißt Du, wir müssen das auch erst lernen!“

Ja, wir müssen lernen, loszulassen. Wenigstens ein kleines Bisschen.

Wieder kein Sex. Keine Orgien. Keine Party. Das Familienbett ohne Füße im Gesicht. Gute Nacht.

Tag 3: Um 18 Uhr kommen sie wieder. Ich warte bereits seit einer Stunde. Mein Mädchen kommt strahlend in die Tür. Sie trägt ein rotes Heidepark T-Shirt und sieht sehr gut aus. Rosig, glücklich und freudig. Sie erzählt von wilden Wasserbahnfahrten, von Karussells und Eis. Sie ist entspannt.

Oma und Opa sind es auch. Das nächst Mal nehmen sie sie mit an den Strand. Für Länger, mindestens 1 Woche.

SIE will.

Ich werde bis dahin noch ne Runde in meinem Helikopter fliegen und von oben gucken, wie die Welt ausschaut. Und ATMEN GAAANZ VIEL ATMEN.

Eure Steffi

 

 

 

 

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4 Kommentare

  1. Sehr schön!Ich habe sehr geschmunzelt.Gleichwohl ich mich zurück versetzt fühlte als mein Kind das erste Mal Urlaub machte…Im Wohnmobil!!!!
    Und ganz ehrlich?Ich kann es bis heute nicht ertragen, eines der Kinder nicht um mich zu wissen.
    Beim letzten Ausflug bekam ich eine whatsapp mit einem Kind. Verletzt.Blutend.Grenzerfahtung pur!
    KurzUm ich werde es nie nie niemals lernen. Mir graut vor der Zeit,wenn sie alle ausgezogen sein werden….Ich werde mir Katzen zulegen.viele Katzen!

  2. Ich habe die ganze seit gegrinst beim lesen. Meine Tochter ist schon 9 Jahre und ich weiss noch wie Sie mit 1,5 das erste mal übers Wochenende bei meinen Eltern war.
    Mittlerweile bin ich so entspannt das Sie seit ihrem 6. Geburtstag 3-4 Wochen alleine zu meinen Eltern fliegt. Sie geniesst die Zeit ohne mich und ich gönne ihr die Erfahrung von ganzen Herzen.
    Du wirst sehen man wird entspannter mit der Zeit.
    Herzliche Grüsse aus der Schweiz

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