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Ein Gastbeitrag von Zara H.

Im Grunde wache ich seit Mitte März diesen Jahres jeden Morgen mit der Erkenntnis auf, dass das alles kein Traum ist, was da gerade so passiert. Wir leben also tatsächlich in einer Pandemie. Manchmal fühlt es sich schon fast normal an aber meistens haut mich diese Tatsache direkt aus dem Latschen. Wie ein Schlag ins Gesicht: Bäääääämmmmmm, welcome to your new Life.

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Ich denke mir dann immer: Das kann doch alles nicht wahr sein.

Ich kaufte bereits im August fünf kleine Kinder Mundschutz-Masken, weil der kleine Kerl das Glück hat, in die fünfte Klasse gekommen zu sein und da MSN-Masken-Pflicht herrscht, während meine Tochter in der zweiten Klasse noch davon befreit ist. Ich machte und mache mir Sorgen um seine physische und psychische Gesundheit. Die Maske verbirgt sein Lächeln und dämpft sein Kichern, wenn er spielt, aber genauso wird sie seine Lehrerin und seine Freunde und ihn vor Covid-19 schützen. Das zumindest hoffe ich sehr.

Das kann doch alles nicht wahr sein.

Gestern war ich im Supermarkt. Die meisten der leeren Regale, die es noch zu Beginn der Pandemie-Panik gab, sind wieder voll aufgefüllt, bis auf die Regale für Desinfektions- und Reinigungsmittel. Die waren immer noch ziemlich ausgedünnt, das war eine deutliche Erinnerung daran, dass wir immer noch alles tun, um uns vor diesem neuartigen Coronavirus zu schützen, welcher unser Leben innerhalb kürzester Zeit so verwüstet hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so sehr über Sterillium freuen würde.

Das kann doch alles nicht wahr sein.

Mein Mann bereitete sich letzten Samstag auf einen Besuch bei seinem 94-jährigen Opa vor – das erste Mal seit Wochen. Einerseits hatte ich schreckliche Angst, dass mein Mann etwas ins Haus des Opas schleppen könnte, was selbigen krank machen könnte aber andererseits wusste ich um die Einsamkeit und den Wunsch des Opas nach Familie und nach menschlicher Nähe. Ich gab meinem Mann also die Flasche Sterillium in die Hand und bat ihn inständig, den Opa bitte NICHT zu umarmen. Das muss man sich mal vorstellen. Das kann doch alles nicht wahr sein.

Manchmal träume ich von einem Leben vor Corona aber wisst ihr was? Ich erinnere mich kaum noch daran.

Da sind meistens ganz banale Träume. Manchmal ist es eine Szene, in der ich mit meiner Familie ein überfülltes Restaurant betrete. Wir sind unmaskiert und suchen uns den schönsten Tisch beim Italiener aus. Wir gehen an einer großen Gruppe vorbei, die wiederum ausgelassen Happy Birthday singt. Eine andere Gruppe plaudert laut und einzelne Personen lehnen sich verschwörerisch DICHT aneinander und tauschen anscheinend Geheimnisse aus.

Manchmal träume ich davon, die Menschen zu umarmen, die ich seit Anfang 2020 (oder in manchen Fällen seit 2019) nicht mehr gesehen habe. Meine beste Freundin zum Beispiel.  Meine Schwester. Meine Cousine. Wir umarmen uns ohne Scheu und völlig frei von Angst. Wir umarmen uns extra lange und genießen die körperliche Nähe des Anderen. Ohne Sorge.

Ich vermisse diese Art Normalität so sehr, dass es weh tut.

Ich vermisse die Dinge, die einmal Realität und ganz normal waren.

Ich vermisse die zwanglosen Interaktionen des täglichen Lebens, das schnelle Lächeln mit einem Fremden, wenn man seinen Blick erhascht, oder die Leichtigkeit, mit der wir früher an einem Zebrastreifen nebeneinander standen und darauf warteten, dass die Ampel umsprang.

Ich vermisse es, meinen Sohn und seine Freunde bei einer Spielverabredung beobachten zu können. Ich vermisse die Art und Weise, wie eine Gruppe von 3- und 4-Jährigen so laut klingen kann wie ein komplettes Fußballstadion. Ich vermisse es, wie sie miteinander neue Freunde auf dem Spielplatz finden und sich gegenseitig im Rollenspiel verlieren.

Mein Sohn hatte also fast das ganze Jahr über wenig Kontakt zu anderen Familienmitgliedern. Es tut weh, an die Erinnerungen zu denken, die er unweigerlich verpasst hat.

Ich vermisse das Frühstück mit meinen Freundinnen. Es geht sogar soweit, dass ich es vermisse, wie ich Pläne schmiede, um mich mit meinen Freundinnen verabreden zu können. Ihr wisst schon, diese vorfreudigen WhatsApp Nachrichten in denen man sich darüber auslässt, was man beim Frühstück alles essen wird, wer was mitbringt und so weiter und so weiter……

Ich vermisse die Date-Nights mit meinem Mann. Ihr wisst schon, ich vermisse das Gefühl, der Babysitterin ausrichten zu können, wie sie uns im Notfall erreichen kann und dann meinem Herzmann einen Kuss zuzuwerfen. Ich vermisse die Unterhaltungen mit meinem Mann, Unterhaltungen, in denen es sich mal nicht um die Kinder oder Corona dreht. Ich vermisse uns als Liebespaar, mal nicht nur Eltern sein, die einen Alltag stemmen müssen.

Ich vermisse die alte Normalität so sehr, dass es weh tut.

Vielleicht wird es eines Tages wieder so wie vorher. Vielleicht.

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