„Als ich fünf Jahre alt war, durfte ich sonntags Brötchen holen gehen. Ich nahm Geld und eine Einkaufstüte mit und verließ das Haus. Ganz allein. Zugegeben, es war kein weiter Weg. Ich musste einmal abbiegen und eine Ampel überqueren, um zum Bäcker zu gelangen. Dort stellte ich mich in der Schlange an und sagte der Verkäuferin, welche Brötchen sie einpacken sollte. Und dann ging es auch schon zurück. Über die Straße, vorbei an gefährlichen Ausfahrten, über Fahrradwege hinweg bis hin zu unserer Haustür. Es war mein kleines Abenteuer, jeden Sonntag.
Heute gibt es nicht viele Fünfjährige, die alleine zum Bäcker gehen dürfen. Das Kind, auf das ich während meines Studiums manchmal aufpasste, durfte in diesem Alter nicht einmal die Rutsche im Garten benutzen, solange kein Erwachsener daneben stand. Die Verletzungsgefahr sei einfach zu groß.
Mit fünf bin ich nicht nur alleine zum Bäcker gegangen. Ich habe Spaziergänge mit meiner Freundin und unseren Puppenwagen gemacht. Ohne Erwachsene. Manchmal sind wir auf Bäume geklettert oder wir haben versucht, im Stehen zu schaukeln.
Wir haben uns die Knie aufgeschlagen und die Köpfe gestoßen. Meine Freundin hat sich sogar einmal den Arm gebrochen, als sie von einem Klettergerüst gefallen ist. Trotz allem haben wir keine bleibenden Schäden davon getragen. Genau wie unzählige Generationen vor uns.
Deshalb frage ich mich, warum Eltern heute so empfindlich geworden sind. Ein kleiner Kratzer muss sofort desinfiziert und verbunden werden. Eine Beule am Kopf löst ein mittelschweres Drama über die Schuldfrage aus. Ein Ausflug zum Bäcker – unbeaufsichtigt! – ist für Kinder heute kaum denkbar.
Aber, liebe Eltern, wisst ihr, was ihr euren Kindern damit antut?“