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 Kategorie ‚Antiheld‘. Diese männlichen, wie weiblichen Personen, die diesen Typus irgendwie ausstrahlen, ziehen mich magisch an. Sie verkörpern enorme und doch nicht sofort sichtbare Beherrschung, Kraft, Stolz und eine Fähigkeit auf selbstsichere Art und Weise auszudrücken, was ihnen widerstrebt und wofür sie brennen. Sie müssen nicht stets nach außen kehren wer oder was sie sind, oder eben nicht sind. Auch zeigen sie einem selten ihre eigenen Stärken oder Schwächen auf. Man darf selbst entdecken, wenn man denn die Geduld dazu aufbringt. Großartig! Daher stand für mich unterbewusst stets fest, dass solch ein Mensch, das passende Pendant an meiner Seite wäre. 

Da man nun bekanntlich anzieht, was man sucht und ausstrahlt: Voilà. Ein Antiheld jagt den nächsten. Und was mache ich aus all den wilden Katern? Genau! Stubentiger! 

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Ob man dies ein Talent nennen kann? Ich bin überfragt. Bisher habe ich das Gefühl, dass ich die Opposition, die ich für meine persönliche stetige Entwicklung benötige, zu meinen Gunsten forme. Und mit einem Mal steht mir ein Mitglied aus dem eigenen Block gegenüber. 

Um sie zu bezaubern, benötige ich wenige Monate. Ein fertig ausgebildeter Anhänger meiner selbst, der es wagt mit mir eine Partnerschaft einzugehen, weist nun folgende Attribute auf: 

 Er überlässt mir jegliches Mal, das letzte Wort. 

 Aufgrund der Harmoniebedürftigkeit oder der Müdigkeit gegenüber eines erneuten Disputs (über das ewig gleiche Thema), erfolgt vom Gegenüber selten eine Abwehrhaltung. Eher wird nahezu sofort umgesetzt, was ich fordere. Streitvermeidung. 

 Sämtliche häusliche öffentlichkeitsarbeiten (vorausgesetzt man lebt im selben Haushalt) werden von nun an übernommen. Rasenmähen. Müllrausbringen. Fensterputzen. Dies sieht für die Nachbarn immer klasse aus: „Ach, schau mal wie fleißig der im Haushalt hilft.“ 

 Er fragt mich um Erlaubnis. 

Mal unter uns: Ich möchte dies so überhaupt nicht. Es passiert vollkommen automatisch. Jemanden meine Vorstellungen aufzuzwingen, das ist nicht meines. Mit wohl überlegten Argumenten zu überzeugen, ist etwas anderes. Doch ist es für mich bei aller Anpassung entscheidend, dass jeder den Kern seiner selbst beibehält. 

Wie ich das nun hinbekomme? Ganz einfach. Ich nehme jedem Mann die Chance (vielleicht auch die sogenannte Männlichkeit), mir bei zustehen. Und zwar indem ich ständig demonstriere und sage, dass ich alles alleine bewerkstelligen kann. Ebenso vermittele ich auch: Ich brauche Dich nicht. 

Aber ist es nicht sogar der bessere Ansatz ihn zu wollen, anstatt ihn zu brauchen? Soll heißen, ich bin nicht abhängig von ihm, als Person!? Des Weiteren gerate ich oft in die Falle, dass ich beginne meinen Gegenüber nicht ernst zu nehmen. Dies äußert sich darin, dass ich manchmal herablassend wirke, vielleicht sogar beleidigend werde. Das diese Verhaltensweise nicht gegen meinen Liebsten gerichtet ist, sondern vielmehr erneut der Versuch ist, kundzutun, wie kraftvoll ICH übrigens bin, dass wird selten gesehen. Wahrlich tue ich mich zusätzlich schwer damit Hilfe von ihm anzunehmen. Grundsätzlich eigentlich. 

Selbst bei meinem Fahrradunfall letztes Jahr. Vom Auto angefahren (nicht arg dramatisch). Konnte nicht mehr aufstehen, da der Fuß angebrochen war. Als der Sanitäter mich in einen Rollbaren Sitz in den Krankenwagen bugsieren wollte, habe ich mich gewehrt: „Ich schaffe das von alleine!“. Er war äußerst gelassen und meinte bloß, dass es immer das gleiche sei, mit all den kernigen Frauen da draußen. Und meinte: „Komm, sei stark und lass Dir helfen.“ Wow. Der wusste auf Anhieb, wie man mit mir umzugehen hat. 

Was wäre denn schon dabei einmal auszusprechen: „Ich könnte Deine Hilfe bei XY gebrauchen?“ Es fällt mir allerdings verdammt schwer solch formulierte Sätze an den Mann zu bringen. Warum? Dies ist unwichtig. Bleiben wir lieber an der Oberfläche. 

Es hilft wahrlich auch keineswegs, dass ich Erwachsene Männer (ich schwöre unterbewusst) ab und an, wie eines meiner Kinder behandele. Situation Straßenverkehr. Zu Fuß unterwegs. Ampel auf Rot. Ich in der Annahme, er möchte todeswütig über die Straße marschieren, senke meine Stimme, um etwa eine Oktave tiefer (jede Mutter kennt diesen machtvollen Tonfall): „STOP!“ Nope. Nicht mein Kind. Ein Erwachsener Mann zu meiner Linken. Ich war peinlich berührt, dass ich in diese mütterliche Falle getappt bin. Und so beschämt, dass ich nicht mehr recht weiß, durch welche Wortwitze ich dort wieder herausgefunden habe (doch tue ich, aber ein Gentleman schweigt und genießt). 

So werden durch mich Antihelden zu tauglichen Ehemännern. Und wenn diese Nuss dann letztendlich doch geknackt wurde, dann habe ich sie mir quasi selbst zum Fraße vorgeworfen. Next! 

Mir wird häufig nahegebracht, dass ich endlich damit aufhören möchte, ständig Verständnis für die Anderen aufzubringen (love ya!). Und irgendwie ist es der 

richtige Ansatz. Gerne versuche ich zunächst den ‚Fehler‘ bei mir zu suchen, mit dem Bewusstsein, dass ich mich ändern kann, andere eben nicht. Wenn allerdings endlich die Phase gekommen ist, in der ich mich so annehme, wie ich bin. Mich und meine Macken akzeptiere. Dann ist es an der Zeit, dass ich dies alles einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten sollte. Wenn wir dafür nun meine Antihelden Metamorphosen, durch ein Kaleidoskop beleuchten würden, dann würden wir feststellen, dass ein und dieselben Ereignisse sich durch Drehen, von Blümchen zu Sternchen umwandeln und umgekehrt. 

Klartext: Warum haben meine Antihelden das aufgegeben, was sie ausmachte? Weshalb Haben sie mir nicht geholfen, dass wir unsere Persönlichkeiten wahren? Wären diese Personen wahrhaftig von ihren Eigenschaften her so, wie zu Beginn beschrieben, dann hätten sie sich durch mich doch nicht zu einem Superhelden verwandeln lassen?! Na ja, vielleicht habe ich auch von Beginn an, in ihnen allen etwas gesehen, was sie eigentlich überhaupt nicht sind. 

Mist. Merkt ihr es? Schon wieder. Ich suche bei mir. 

Die Crux an diesen Geschichten ist, wenn ich es durch meine Art schaffe, einen anderen Menschen dermaßen zu beeinflussen, dann verändere ich mich ebenfalls. Und zwar in eine taugliche Ehefrau. Gleichwohl… 

Versteht mich an dieser Stelle bitte nicht falsch. Ich weiß meistens, wer ich bin. Ich bin eine ziemlich gute Mutter (mit allen Fehlern versteht sich). Auch schaffe ich all meine care Arbeit zu erledigen. Gehe fleißig und gerne arbeiten. Und verbringe gerne Zeit mit meiner Familie. 

… bin ich mehr als das! Ich bin Yvonne, in all ihren Facetten. Und ungerne möchte ich einen für mich bedeutenden Teil meiner selbst aufgeben. Doch das tue ich, indem auch bloß einer von (meistens) zwei Lebenspartner seine oder ihre aufständische, freiheitsliebende und abenteuerliche Art verliert. Wir sind doch alle mehr als ausschließlich arbeitende Eltern, die ihre Familie liebend, den Haushalt bewerkstelligen können. Vergessen wir das? Nehmen wir uns dafür keine Zeit? Lassen wir uns wirklich zu jemand anderen formen bzw. formen wir? Wenn dem so ist, dann denke ich, sollten wir uns alle lieber gegenseitig unterstützen, dass wir unseren (vielleicht wilderen) Kern beibehalten. Denn ich finde, dass es nicht kontrovers ist, eine rebellische Mutter zu sein. Genau das machen unsere Kids uns doch vor. Und wir lieben sie trotzdem, wenn nicht sogar genau deswegen! 

Für mich bleibt bloß noch eine offene Frage zu klären: Wann ist der Antiheld ein Antiheld?! 

Bis mir eine Antwort die mögliche Erleuchtung bringt, werde ich (nebst anderem) stark trotzig, mütterlich liebend und äußerst risikobehaftet, für heute Feierabend machen. 

Yvonne Maria Paris 

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