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Ein Gastartikel von Hannah aus Bramsche

Als ich noch ein kleines Kind war, da durfte ich mich nicht selber entscheiden, ob ich dem Christentum angehören wollte oder nicht. Die religiöse Indoktrination begann recht früh, ich muss so um die fünf Jahre alt gewesen sein. Ich erinnere mich noch genau daran, dass meine Großeltern am Sonntag vor dem Essen immer beteten und Gott dankten. Meine Eltern taten das auch.

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Wir wohnten damals in einem wirklich kleinen Dorf in Niedersachsen und dort besuchte ich auch den katholischen Kindergarten und später die Grundschule. Meinen Eltern war wichtig, dass ich am Religionsunterricht teilnehme aber unsere Grundschule war nicht konfessionell gebunden und somit musste ich an den Wochenenden in ein anderes Dorf fahren um dort in der Kirche am Religionsunterricht teilnehmen zu können.

Ich ging zunächst eigentlich ganz gerne hin. Insbesondere weil der Unterricht ja auf die erste heilige Kommunion, die man zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr erhält, abzielte. Meistens wusste ich gar nicht, was ich da lernte oder warum ich es lernte. Ich wusste allerdings, dass ich ein schönes Kleid bekommen sollte, alle Familienmitglieder leckere Sachen zubereiteten und es sollte tonnenweise Geschenke regnen. Ich erinnere mich nur an Geschichten über das Leben Jesu, seinen Tod, seine Sünde und an die unwiderlegbare Tatsache, dass Gott ein Mann und auf keinen Fall eine Frau ist.

Auf Grund meines Alters nahm ich die Dinge so hin, ohne sie zu hinterfragen. Alles, was ich lernte, lernte ich im Prinzip auswendig. Ich wollte den Erwartungen, ein braves und frommes Mädchen zu sein, auch entsprechen. Mir wurde gesagt, wie wichtig der Gehorsam sei. Uns wurde beigebracht, auf unsere Eltern und auf Erwachsene wie Nonnen und Priester unbedingt hören zu müssen, weil die Bibel es so gesagt hat.

In der 5. Klasse hatte ich plötzlich genug von allem. Ich beschwerte mich unaufhörlich darüber, dass ich zum Religionsunterricht gehen musste. Ich wollte lieber Sport treiben und mit meinen Freunden abhängen, ich war es so leid, immer die gleichen Geschichten hören zu müssen, die ich schon hundertmal gehört hatte. Meine Mutter bestand aber darauf, und somit musste ich weiterhin am öden Unterricht teilnehmen. Das schlechte Gewissen plagte mich zusätzlich, denn ich wollte natürlich später auch unbedingt in den Himmel kommen.

Bei meiner Kommunion, die etwa in der 8. Klasse war, wäre ich lieber freiwillig im Januar  nackt baden gegangen als weiterhin zum Religionsunterricht gehen zu müssen. Im darauf folgenden Jahr wechselte ich auf eine weiterführende katholische Schule, was wiederum bedeutete, dass der Religionsunterricht noch vier weitere lange Jahre andauern würde.

Rückblickend hat diese religiöse Indoktrination einen großen Teil meiner Kindheit geschluckt, und ich selber hatte zu keinem Zeitpunkt die Wahl. Es begann, als ich 5 Jahre alt war, und endete, als ich etwa 18 Jahre alt war. Während meiner jahrzehntelangen Reise durch die katholische Kirche wurde ich zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob ich überhaupt etwas davon wissen geschweige denn aufnehmen wolle. Selbst als ich meine Meinung äußerte und allen mitteilte, dass ich keine religiösen Anweisungen mehr befolgen wollte, wurden meine Bitten einfach abgelehnt. Ich hatte keine Wahl, egal wie sehr ich meine Unzufriedenheit zum Ausdruck brachte. Die einzige Antwort meiner Mutter auf mein ständiges Klagen hin war, dass ich weiterhin am Ball bleiben MUSS, um später auch katholisch heiraten zu dürfen.

Erstens: Welches 11 jährige Mädchen denkt freiwillig übers Heiraten nach?

Zweitens: Wie kam meine Mutter dazu, einfach so anzunehmen, dass ich jemanden heiraten würde, der auch katholisch war und der unbedingt auch in einer katholischen Kirche heiraten wollen würde?!?

Drittens: Ich hatte mitbekommen, dass der Vater einer Freundin NICHT katholisch war, als er eine sehr wohl bekennende Katholikin heiratete. Sie mussten beide ein „Ehevorbereitungsseminar“ besuchen und wurden dann plötzlich wie von Zauberhand getraut.

Ich rege mich darüber auf, dass mir als Kind nie eine Wahl gelassen wurde, und ich finde das äußerst unfair. Es gibt so viele Religionen, die man kennenlernen und praktizieren kann, für mich wurde der Katholizismus ausgesucht und damit basta. Diese Entscheidung wurde für mich getroffen und ich sollte es gefälligst so annehmen. Ende der Diskussion. Selbst als ich meine Meinung dazu äußerte, nämlich, dass ich den Unterricht nicht mehr besuchen wollte, wurde meine Bitte einfach ignoriert.

Ich tue meinen Kindern das definitiv NICHT an.

Diese religiöse Indoktrinierung erfolgt ganz bewusst in einem frühen Alter. Für den Rest meines Lebens, egal wie viele andere Formen der Spiritualität oder Religionen mich interessieren: Ich betrachte die Dinge immer und unwillkürlich durch eine katholische Linse. Als Kind fehlte mir ein gesunder Filter, und ich absorbierte alles, was mir ohne Hinterfragen in den Kopf gemeißelt wurde. Dieser Vorgang ist kein Zufall. Das ist Manipulation.

Ich weigere mich, meinen Kindern das anzutun. Ich weigere mich, Entscheidungen in Punkto Religion für sie zu treffen und ich lasse nicht zu, das völlig fremde Personen ihnen ein Regelwerk aufdrücken, das sie NICHT kritisch hinterfragen dürfen. Wisst ihr, ich glaube sehr wohl an Gott, nur gehöre ich keiner Konfession mehr an. Ich möchte, dass meine Kinder ihren eigenen Glauben finden oder eine Religion wählen, die am besten zu ihnen passt. Ich werde sie bei ihren Entscheidungen unterstützen, aber ich werde sie niemals dazu zwingen, Fakten anzunehmen ohne sie hinterfragen zu dürfen.

In unserem Haus sind alle Religionen herzlich willkommen. Wir feiern mit muslimischen Kindern, mit evangelischen und mit Atheisten. Denn eine Sache vereint Gott für mich in meinem Glauben: Die Liebe für andere Menschen, völlig losgelöst von einer Konfession. Ich erziehe somit keine Atheisten, ich lebe nur nicht konfessionell. Das macht einen riesen Unterschied aus.

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2 Kommentare

  1. Es tut mir leid, dass deine Erfahrungen mit dem Glauben, der Kirche an sich und der Sozialisation im Christentum so schlimme Erfahrungen verwurzelt sind. Auch scheinst du sehr streng im Sinne der damaligen Lehren der katholischen Kirche, bzw. der Glaubensauslegung deiner Eltern und Großeltern erzogen worden zu sein. Konfirmiert wird dann allerdings in der evangelischen Kirche – die keine heilige Kommunion feiert. Entweder hast du beide christliche Kirchen mitbekommen (bist also übergetreten?) oder es hat sich in deiner Erinnerung etwas vermischt.
    Kinder wachsen in der Sozialisation auf, in der die Elter sich bewegen. Gehen die Eltern in die katholische Kirche, werden sie dort auch von klein auf hingehen. Gehen sie in die evangelische Kirche, glauben sie an Allah, beten sie zu Buddah, oder sind die Eltern Atheisten oder gar nicht gläubig- die Kinder werden durch das Vorbild ihrer Eltern sozialisiert. In diesem Sinne sollten Kinder zu mündigen Menschen erzogen werden und die eigene Sichtweise nicht dogmatisch gepredigt werden. Es ist toll, wenn du deinen Kindern die Freiheit lassen wirst, selbst einen Glauben (oder nicht Glauben) zu finden. Das werden sie. Aber wie gesagt, sie ahmen zumindest in den ersten Jahren die Sichtweise der Eltern nach. Bis sie in der Pubertät über sich und viele Sinnfragen nachdenken. Dazu gehören dann auch Glaubensfragen, Für mich ist auch unerheblich, ob jemand katholisch oder evangelisch ist, solange christliche und humanistische Werte gelebt werden, solange alte Dogmen nicht zu Legensregeln werden und die Gemeinde eher als „Heimat“ im Sinne von sich aufgehoben fühlen fungiert.

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