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Ein Gastbeitrag von Elisa

Alles, was in den letzten Wochen passiert ist, sehe ich wie verschwommen. In Schwangerschaftswoche 35 stellen die Ärzte eine Schwangerschaftsvergiftung bei mir fest und ich wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert um dort engmaschig kontrolliert zu werden. Mehrmals am Tag wurde mein Blutdruck gecmessen und der Plan war, meine Tochter in Woche 37 auf die Welt zu holen. In Woche 37 Wochen brachte ich unser wunderschönes Mädchen mittels eines geplanten Kaiserschnittes zur Welt.

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Direkt nach ihrer Geburt wurde bei ihr ein doppelseitiger Pneumothorax diagnostiziert. Ich hatte bis dato keine Ahnung, was das bedeutet. Die Ärzte klärten uns auf. Ein Pneumothorax tritt auf, wenn einige der winzigen Luftbläschen (Alveolen) in der Lunge eines Babys einem Überdruck ausgesetzt waren und dadurch platzen. Dadurch gelangt Luft in den Raum zwischen Lunge und Brustwand (Pleuraraum). Im Fall unseres kleinen Mädchens hatte sie eine sehr große Verletzung auf der linken Seite und eine kleinere Verletzung auf der rechten Seite, die wiederum Druck auf ihr Herz ausübten. Dies führte dazu, dass sie auf die Neugeborenenintensivstation eines anderen Krankenhauses verlegt werden musste, weit weg von mir.

Wenn man als Mutter mitbekommt, dass das eigene Baby auf die Neugeborenenintensivstation verlegt werden muss, dann ist das etwas, auf das man sich wirklich nicht vorbereiten kann. Als es dann wirklich passierte, stand ich ehrlich gesagt unter Schock und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich musste mich selber von der großen Operation erholen und ich nahm jede Menge starker Schmerzmittel, während mein Baby auf dem Weg in eine andere Klinik war. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich sie noch nicht einmal im Arm halten können.

Wir verbrachten insgesamt 18 Tage auf der Neugeborenenintensivstation. Ich konnte sie mindestens einmal am Tag sehen, was ein totaler Segen war. Aber gesagt zu bekommen, wann man das eigene Baby sehen darf und wann man es anfassen darf, ist etwas, was ich keiner Mutter wünsche. Und auch wenn ich wirklich dankbar für die wunderbare Betreuung auf der Intensivstation war, so hat dieses traumatische Erlebnis uns einige nachhaltige Auswirkungen beschert. Es müssen dringend Veränderungen in der Nachsorge für Mütter von Neugeborenen, die auf der Intensivstation lagen, vorgenommen werden.

1. „Intensivstations-Mütter“ sind KEINE „normalen“ Mütter.

Beim Entlassungsgespräch fragte der Arzt mich Fragen aus einem Katalog, um meine depressive Neigung heraus zu bekommen. „Wie geht es Ihnen?“ „Konnten sie die Geburt gut verkraften?“ „Wollen sie stillen?“ „Können sie gut schlafen?“ STOPP- Ich verlasse das Krankenhaus ohne mein Baby in meinen Armen, reicht das als Antwort? Ich verstehe ja, das gewissen Fragen sein müssen aber kann man bei diesem ollen Fragebogen BITTE gewisse Begebenheiten berücksichtigen?

2. Intensivstations-Mütter vernachlässigen oft ihre eigene postpartale Gesundheit.
Die Neugeborenenintensivstation auf der unser Mädchen 18 Tage lang lag war Teil eines großen Krankenhauses mit einem großen Parkplatz davor. Der Weg von der Tür des Krankenhauses bis hin zur Neugeborenenintensivstation führte ewig lang durchs halbe Krankenhaus. Wir durften nicht über Nacht bei ihr bleiben, und unser Zuhause lag 30 Minuten vom Krankenhaus entfernt. In dieser Zeit drehte sich mein Leben nur darum, Muttermilch ab zu pumpen um sie dann zu meinem Mädchen zu bringen und ein wenig Zeit mit ihr verbringen zu können. Mein Mann und meine Mutter kümmerten sich sehr um mich. Mein körperlicher Zustand war ebenso katastrophal wie meine psychische Verfassung. Es wäre schön, wenn es mehr psychologische Hilfe für Mütter geben würde.

3. Die Gefühle von Intensivstations-Müttern werden oft ignoriert,
Das mag nicht überall der Fall sein, aber ich habe diese Erfahrung machen müssen. In unserem Krankenhaus waren die Ärzte und Krankenschwestern wirklich sehr bemüht. Ich bin natürlich sehr dankbar für ihre Fürsorge und dafür, dass sie sich so um sie gekümmert haben. Als Mutter wird man dennoch ignoriert, was sicherlich auch dem allgemeinen Personalmangel und Stress geschuldet ist aber diese Tatsache hat es mir damals nicht einfach gemacht. Der Mangel an Kommunikation kann dazu führen, dass die Mütter sich zusätzlich starke Sorgen machen.

4. Mütter auf Neugeborenenintensivstationen sind oft sehr einsam.
Kennt ihr das Sprichwort „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen?“ Dieses Sprichwort gilt zumindest nicht für die Zeit im Krankenhaus. Unser Dorf bestand aus engen Freunden und Verwandten. Wenn dein Baby auf der Neugeborenenintensivstation liegt, sind die Besuche oft auf Eltern und Großeltern beschränkt. Das ist auch gut so, versteht mich nicht falsch. Während „normale“Mütter sich Zuhause an ein Leben mit Baby gewöhnen können und Besuche zu Hause erhalten, sind wir Intensivstation-Mamas fast nie Zuhause, weil wir quasi ständig im Krankenhaus sind und damit beschäftigt sind, uns Sorgen zu machen.

Eine Neugeborenenintensivstations-Mama zu sein, ist das einsamste, was ich in meinem Leben jemals erlebt habe. Während ich meinen Mann und meine Mutter jeden Tag bei mir hatte, so lag unser Mädchen dennoch die meiste Zeit alleine auf der Neugeborenenintensivstation. Das ich mich als Mutter, die dieses Kind neun Monate lang unter dem Herzen trug, nicht so um sie kümmern konnte, wie ich wollte, hat mich innerlich zerrissen. Die Kombination aus stündlichem Pumpen um meine Milchmenge zu erhöhen, mich gleichzeitig um meine eigene Gesundheit kümmern zu müssen und gleichzeitig mit all den Hormonen umgehen zu müssen, hinterließ ein Gefühl der Isolation bei mir. Ich fühlte mich unverstanden und allein gelassen. Natürlich wusste ich das der Rest der Familie und auch meine Freunde auch krank vor Sorge waren, aber die Mutter des Neugeborenen zu sein, ist nochmal eine ganz andere Erfahrung.

5. Die Angst hört nach der Neugeborenenintensivstation nicht auf.
Nenn es, wie du willst, aber ein Baby von der Neugeborenenintensivstation nach Hause zu bringen, gleicht einer wilden Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich glaube alle Eltern sind nervös, wenn sie das erste Mal mit Baby allein sind aber wenn dein Kind von der Intensivstation nachhause kommt, dann erreicht deine Angst ein völlig neues Level. Auf der Neugeborenenintensivstation wird dein Kind permanent überwacht. Du lernst, wie man die Monitore liest und wie man sie für einen Windelwechsel ausschaltet, und du gewöhnst dich schnell daran, dass an deinem Baby ständig unterschiedliche Schläuche hängen. Wenn ihr dann gesagt bekommt, dass ihr nach Hause gehen dürft, dann freut einen das extrem aber gleichzeitig kommt die Angst hoch.

Jede Bewegung oder jedes Wimmern in der Nacht lässt dich in Sekundenschnelle aufschrecken. Die Angst vor dem Unbekannten lässt dich nicht schlafen und die Gedanken kreisen. Die Geburt meiner Tochter brachte mir fast einen Waschzwang ein. Ich wusch ständig meine Hände. Besucher mussten sich auch mit Sagrotan behandeln lassen, bevor sie zu ihr durften. Die erste Zeit verließ ich mit ihr das Haus so gut wie gar nicht. Ich  hatte einfach totale Panik vor Keimen. Ich weiß, dass das total unsinnig war aber die Angst war einfach zu groß.

Mütter von Kindern, die auf der Intensivstation lagen, wissen, was es heißt, bis zur Ohnmacht kämpfen zu müssen. Ich glaube wirklich, dass die psychische Gesundheit der Mütter genauso wichtig ist, wie die Gesundheit der Babys selbst. Es wird wirklich viel getan aber ich würde mich freuen, wenn es mehr Angebote für Eltern geben würde, um sie in dieser schwierigen Zeit psychologisch zu unterstützen.

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1 Kommentar

  1. Oh, wie dieser Text mir aus der Seele spricht.
    Und das Schlimmste die Angst und die Sorgen holen dich beim nächsten Kind und der nächsten Schwangerschaft wieder ein. Man vergisst es einfach nicht. Ich hätte damals wohl auch einen Psychologen gebraucht auch wenn alles gut ist. Ich kann sogar 6 Jahre danach noch weinen, wenn ich an die Zeit denke und davon erzähle.

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