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Ein Gastartikel von Stephanie aus Aachen.

Als mein erstes Kind geboren wurde, konnte ich plötzlich nicht mehr frei atmen. Ich meine, rein physikalisch konnte ich es natürlich aber plötzlich fühlte es sich so viel schwerer an, Dinge nur für mich selbst zu tun. Mit so viel Ehrfurcht und Liebe für mein Kind, fühlte es sich falsch an, an mich selbst zu denken. Wie konnte ich nur atmen, wenn diese magische Kreatur sich darauf verließ, dass ich alles für sie bin? Der Kloß in meiner Kehle sagte mir, ich wäre bereit, direkt für sie zu sterben. Ohne mit der Wimper zu zucken.

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10 Monate später durfte ich ihr noch nicht einmal den Trinkbecher reichen. Nichts, was ich tat, war gut genug für mein Baby, für das ich jederzeit in einen Feuerreifen gesprungen wäre. Ich konnte sie nicht beruhigen, ich durfte ihr nicht helfen, ihr nah sein, nicht mal anschauen durfte ich sie. Sie hatte nur Augen für ihren Papa. Freunde erzählten uns von einer Phase, die bestimmt wieder vorüber ging aber dennoch brach es mir das Herz. Ich war doch ihre Mama, verdammt!

Ich machte mir Gedanken und schob ihre Abneigung darauf, dass ich sie nicht stillen konnte. Und obwohl ich diejenige war, die ihr mitten in der Nacht das Fläschchen gab, waren meine Brüste für sie nutzlos. Das machte mich fertig. Da war etwas Ursprüngliches in ihrer Verbundenheit mit meinem Mann, und ich wollte diesen Zauber nicht zerstören.

Monatelang fühlte ich mich völlig zurückgewiesen. Ich habe versucht, die Wutanfälle meines Kleinkindes nicht zu sehr an mich heran kommen zu lassen. Als sie schreiend von mir weg rannte, um an der geschlossenen Badezimmertür zu klopfen, wo ihr Papa gerade sein Geschäft verrichtete, versuchte ich, auch das nicht persönlich zu nehmen. Als sie „PAPAAAAA!“ schrie und an mir vorbei rannte, um zu meinem Partner zu gelangen, tat ich mein bestes, um nicht in Tränen auszubrechen.

Und es ist nicht so, dass sich mein Mann genau diesen bevorzugten Status gewünscht hätte. Sicher, die Aufmerksamkeit und Zuneigung von unserem Kind war schmeichelhaft. Da wir uns schon immer alle Aufgaben geteilt hatten, war es ein Schlag ins Gesicht, dass er jetzt alles alleine tun musste. Wenn wir wirklich ohne Weinen und Wutanfälle durch den Tag kommen wollten, musste mein Mann sie baden, sie schaukeln und ihr den richtigen Trinkbecher geben. Mein Mann war zu Recht verärgert und frustriert, immerhin war er nun der Chef, der er so nie sein wollte.

Ich habe meinen Schwiegervater um Rat gefragt. Ich wollte wissen, ob er oder meine Schwiegermutter diese Art der Vorzugsbehandlung durch meinen Mann und seinen Bruder ebenso erlebt hat. Erstaunlicherweise kannte er das ganz genau. Auch seine Kinder lehnten ihn eine Zeit lang total ab.

„Wie bist du damit umgegangen?“ Wie hast du dich gefühlt?“ Ich fragte ihn, weil ich mir erhoffte, dass seine Weisheit und Erfahrung mir helfen würden.

„Ich habe Fußball gespielt“, sagte er mir. „Was hätte ich denn sonst tun sollen?“

Mensch, danke, Papa.

Aber er hatte Recht. Ich konnte nichts anderes tun, als abzuwarten. Irgendwann, genauso schnell wie sie mich ablehnte, genauso schnell liebte mich meine Tochter wieder. Es war, als hätte sie einfach einen Schalter umgelegt. Ich war total perplex. Ich hatte anscheinend irgendwie das Richtige gesagt oder getan, um wieder in ihre Gunst zu gelangen.

Dasselbe geschah ein paar Jahre später mit unseren Zwillingen. Zu diesem Zeitpunkt hatte meine Tochter Leo ihren Fokus auf mich verlagert und es vorbildlich geschafft, mich um ihren kleinen Finger zu wickeln. Es schien so, als ob sie bereits instinktiv wusste, dass ihr Papa mit ihren Zwillingsgeschwistern genug zu tun haben werde. Es ist nicht so, dass mein Mann oder ich weniger Liebe für unsere Erstgeborene übrig hatte aber als die Zwillinge auf die Welt kamen, veränderte sich unser Leben natürlich sehr. Die Liebe zu unseren Zwillingen war anders. Ehrlicherweise fiel es uns schwerer, sie direkt bedingungslos zu lieben. Unser Herz dehnte sich zwar aus und machte für jedes Kind Platz, aber dennoch war es keine Liebe auf den ersten Blick.

Direkt am Entlassungstag zogen wir in unser neues Haus. Meine Brüste erwiesen sich auch diesmal wieder als nutzlos, und meine dreijährige Tochter, die sich einst so gegen mich gewehrt hatte, wich nicht mehr von meiner Seite. Ich gab alles, um mich mit meinen beiden Neugeborenen anzufreunden, aber ich sorgte mich diesmal weniger um meine Fähigkeit zu lieben oder von ihnen geliebt zu werden. Ich wusste, dass sie mich irgendwann auch für eine gewisse Zeit verachten würden.

Und genau das taten sie auch. Um ihren ersten Geburtstag herum, fing es an. Alles, was ich tat, war falsch. Ich wurde wieder einmal abgelehnt.

Etwa sechs Monate lang weinten und schrien meine Zwillinge und klammerten sich an meinen Mann, als er versuchte, aus dem Haus zu kommen, um meine Tochter zur Vorschule und sich selbst zur Arbeit zu bringen. Ich fühlte mich beschissen, aber es war meistens nur nervig, weil sie so laut schrien. Als mein Mann irgendwann die Hofauffahrt verließ, standen die Zwillinge auf und wir machten uns auf den Weg.

Aber weißt du was? Als dann der Papa wieder nach Hause kam und all der Spaß und die Liebe, die ich den ganzen Tag über genießen konnte wie weggeblasen waren, war mir das egal. Ich wusste, dass sie irgendwann zurück zu mir kommen würden. Ich habe zwar nicht Fußball gespielt, aber mit ein wenig Erfahrung wusste ich meine Zeit auch ohne Kinder sinnvoll zu nutzen. Denn genau wie beim ersten Mal wurde plötzlich ein Schalter umgelegt und meine Zwillinge zeigten mir plötzlich, dass sie anscheinend doch nicht ohne mich auskommen.

Wenn du also das Gefühl hast, von deinem Kleinkind vernachlässigt oder von Frustration überwältigt zu werden, weil du derzeit nicht im Zentrum ihres Universums stehst, hab bitte keine Angst: Du bist nicht allein. Das ist ein normales Verhalten von Kleinkindern. Ja, es ist nervig und es kann weh tun, aber es ist völlig normal.

Alles Liebe,

Stephanie

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