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Kinder bestrafen, bedrohen und der ganze Mist: Es funktioniert zwar nicht, aber dafür fühlen Eltern sich wenigstens schlecht dabei, meint MOM-Autor Till Raether.

Das Kind hat etwas Verbotenes getan, und dann hat es gelogen. Das Kind hat im Keller einen Süßigkeitenvorrat entdeckt, den es offenbar für vergessen hielt, und im Laufe der Zeit hat es ihn dezimiert, oder, zu Deutsch, leergefressen. Die Süßigkeiten waren für die Einschulung seiner Schwester, aber das weiß das Kind noch nicht, als es sagt: „Nein, ich war das nicht. Ich weiß gar nichts von irgendwelchen Süßigkeiten im Keller.“

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Das Kind ist neun, und es leugnet erstaunlich glaubwürdig. Seine Eltern fangen zwischendurch an zu zweifeln: Haben sie die Süßigkeiten peu à peu längst verschenkt? Neulich selbst vorm „Tatort“ weggeballert? Sonst wie den Überblick verloren?

Aber als das Kind erfährt, dass die Süßigkeiten für die Schultüte der geliebten Schwester waren, wandert ein Schatten über sein Gesicht, es wird schweigsam, nach dem Abendessen verschwindet es in seinem Zimmer, und beim Zubettgehen bricht es in Tränen aus und gesteht.

Geständige Kinder sind rührend und süß, „mildernde Umstände“, sagt die Mutter später beim Wein. „Reuiger Sünder“, sagt der Vater und nickt. Aber das Kind neigt dazu, anderen heimlich die Sachen wegzufuttern, es ist nicht das erste Mal, und dann schwindelt es, darum sind sich die Eltern einig: Strafe muss sein. Sie sprechen es sogar aus, genau mit diesen Worten, aber mit dicken, fetten Anführungszeichen. Ihnen ist klar, dass sie ein Zitat aus der Steinzeit der Schwarzen Pädagogik bemühen. Eins, das sie selbst noch gehört haben, aber eher von ihren Großeltern, die mit dieser Logik in den Schulen der Vor-Nazizeit aufgewachsen sind.

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