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Ein Gastartikel von Suse aus Rostock

Als unser erstes Kind geboren wurde, konnten wir unser Glück nicht fassen. Unser kleiner Junge. Er war das entspannteste Baby der Welt. Er schlief überall, egal was um ihn herum passierte. Das Stillen war von Anfang an kein Problem und auch später war er immer ein guter Esser. Er war immer glücklich, lächelte und konnte sich stundenlang mit seinen Autos beschäftigen.

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Mein Mann und ich stritten uns, wessen Erbanlagen zu diesem entspannten Baby beigetragen hatten. Wir wussten, dass er eine Rarität war, weil wir von unseren Freunden und deren Kindern ganz andere Dinge mitbekamen. Das Leben war soooo schön.

Eines Tages beschlossen mein Mann und ich, dass wir gerne noch ein Kind bekommen wollen. Wir hatten beide Geschwister und wir wussten, dass wir unserem Sohn dieses besondere Gefühl unter Geschwistern nicht vorenthalten wollen. Außerdem waren wir offensichtlich sehr gut in dieser Baby-Sache. Wir konnten anscheinend besonders relaxte Babys „produzieren“. Also: Auf geht’s……

Wir haben wirklich alles was uns in Büchern empfohlen wurde getan, um unseren großen Sohn auf sein Geschwisterchen vorzubereiten. Wir haben ihn mit Büchern darauf vorbereitet, wie aufregend es sein würde, endlich großer Bruder sein zu dürfen. Wir kauften ihm ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Ich bin großer Bruder!“ und er bekam eine Medaille mit dem Titel „Bester Bruder aller Zeiten“, damit er diese stolz um seinen kleinen Hals tragen kann, wenn wir mit dem Baby nach Hause kommen. Wir kauften ihm sogar ein kleines Geschenk, welches ihm quasi von seiner Schwester überreicht werden sollte, wenn er sie das erste Mal sieht. Total genial!

Als der große Tag kam, war mein Sohn also genau 2,5 Jahre alt. Wir brachten ihn zur Oma, wo er übernachten sollte, bis wir ihn ins Krankenhaus holen würden. Am nächsten Morgen wurde er bereits von allen Seiten motiviert, dass dieser Tag der größte aller Zeiten werden würde. Endlich wird er sie kennenlernen. Als er ins Krankenhaus kam, durfte er beim Souvenirladen ein neues Stofftier für seine Schwester aussuchen. Er durfte ein neues Kuscheltier für jemanden aussuchen, den er noch nie getroffen hat. Spannend! So stand die halbe Familie also mit unserem Sohn vor unserem Zimmer auf der Wochenbettstation und er durfte sogar die Tür öffnen, um seine Schwester auch als Erster sehen zu können.

Und dann nahm die Katastrophe ihren Lauf……

Ich werde nie vergessen, wie mein Sohn mich ansah, als er das Krankenhauszimmer betrat und mich seine kleine Schwester stillen sah. Er war direkt enttäuscht und traurig. Dieses ganze „Yipeiiiehhh, ich bin ein großer Bruder“-Gequatsche war ein großer Haufen Bockmist.

Die Wochen nach der Geburt meiner Tochter waren die Hölle. Meine Tochter hat das getan, was frischgeborene Babys am besten können – Sie schlief quasi nonstop. Ich konzentrierte mich also auf meinen großen Sohn, genau so, wie die Erziehungsratgeber mir das rieten und ich sorgte dafür, dass unsere Routinen genauso weiter liefen, wie in der Zeit ohne seine Schwester. Nichts davon hat funktioniert.

Die ersten Gäste kamen zu Besuch und brachten auch kleine Geschenke für ihn mit. Sein Vater nahm ihn an den Wochenenden mit in den Park und in den Zoo. Es war ihm alles egal. Er wollte seine Mama wieder für sich alleine haben.

Er wollte das Baby sein. Seine Sprache war für sein Alter schon super gut, aber plötzlich fing er an sich zurückzuentwickeln und er redete selbst wieder wie ein Baby. Ein Wutanfall jagte den nächsten. Einmal war es ganz schlimm: Er weigerte sich mit Händen und Füßen in den Geschwisterbuggy zu steigen und der Postbote musste ihn für mich die Straße rauf tragen, damit ich meine Tochter sicher nach Hause schieben konnte. An einen Mittagsschlaf war fortan nicht mehr zu denken, er schrie das halbe Haus zusammen. Ich ließ den Mittagsschlaf also aus, was natürlich auch schwierig war, weil ICH total müde war.

Was war mit unserem kleinen Engelchen passiert?! Mein Mann und ich waren total am Ende, wir wussten nicht weiter.

Irgendwann beschlossen wir, dass wir ihm einfach die Bürde des „großen Bruders“ wieder abnehmen würden. Er durfte also auch wieder Windeln tragen, aus dem Fläschchen trinken und das tun, was kleine Babys eben auch tun. In das Wickeln oder das Baden des Säuglings haben wir ihn fortan nicht mehr eingebunden. Warum um alles in der Welt sollte ein Kleinkind auch helfen wollen, eine schmutzige Windel zu wechseln?!

Eines Tages, es muss c.a. fünf Monate nach ihrer Geburt gewesen sein, hatte mein Sohn offenbar eine Erleuchtung. Nun, zumindest nehmen wir das an. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Erleuchtung beinhaltete, dass seine Schwester tatsächlich nicht so schlimm war, wie er annahm oder ob es die Erkenntnis war, dass sie tatsächlich noch viel kleiner als er war oder ob es daran lag, dass er verstand, dass es anscheinend doch ganz cool ist, ein großer Bruder zu sein. Wir wissen es nicht. Jedenfalls kehrte allmählich unser entspannter Sohn zu uns zurück.

Das Leben war wieder schön. Zumindest für eine Weile. Zwei Jahre später begrüßten wir nämlich ein weiteres kleines Mädchen in unserer Familie. Diesmal haben wir bewusst auf all die „große Schwester, großer Bruder“ Spiele verzichtet und unser Sohn hat sich mit Leichtigkeit auf den Neuzugang eingestellt. Unsere Tochter reagierte jedoch sehr ungehalten auf den Neuzugang. Nur diesmal waren wir darauf vorbereitet.

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