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Ein Gastbeitrag von Ines aus Nürnberg

Es gibt so viele Dinge, die ich an meinem Mann liebe. Er ist ein so fürsorglicher Mann, er ist fleissig und engagiert im Job. Er will, dass es uns allen gut geht. Er steht z.B. jeden Morgen um 6:00 Uhr morgens mit auf, um mich zu unterstützen. Er kümmert sich schon MORGENS! um zwei kleine Kinder. Er ist mein bester Freund. Er ist ehrlich, zuverlässig und aufrichtig. Er ist außerdem auch verdammt lustig. Dank seiner albernen Furz-Witze oder der ein oder anderen humoristischen Lebensweisheit weiß er immer, wie er mich und die Kinder zum Lächeln bringen kann. Es ist nur so: Er hat einen sehr kurzen Geduldsfaden, und das verursacht immer wieder Spannungen zwischen uns, weil ich mit seinem „Erziehungsansatz“ überhaupt nicht einverstanden bin. Er wird schnell laut und er glaubt, dass Autoritätsdenken wichtig für Kinder ist.

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Ich kann es auch noch deutlicher sagen: Ich hasse diesen Ansatz.

Versteht mich bitte nicht falsch: Viele Eltern sind sich über die Kindererziehung nicht immer einig. Ich glaube, dass ist ganz normal. Bei Eltern handelt es sich eben auch nur um zwei unterschiedliche  Menschen aus zwei unterschiedlichen Welten, und jeder einzelne bringt eben seine eigenen Erfahrungen (und sein eigenes Seelen-Gepäck) mit in die Situation ein. So oder so, unsere Erziehung beeinflusst unsere Kinder. Mein Mann und ich sind uns nicht nur nicht einig, es fühlt sich an, als würden wir verschiedene Sprachen sprechen.

Wir könnten nicht unterschiedlicher sein.

Es fängt schon damit an, dass mein Mann sehr laut werden kann. Er hat nicht nur einmal richtig laut rumgeschrien, als unsere Tochter einen Teller hat fallen gelassen. Er ist der Meinung, dass Kinder eben gehorchen müssen, besonders, weil er es „doch bereits einmal gesagt hat!“ Er glaubt nicht an zweite Chancen. Von jetzt auf gleich kippt seine Stimmung und er wird streng, weil ein bisschen Strenge angeblich noch niemandem geschadet hat.

Das ist seine Meinung, meine sieht anders aus.

Ich stimme dem natürlich nicht zu. Ich wuchs in einem „lauten“ Haushalt auf – einem Hauhalt, indem laute Maßregelungen an der Tagesordnung standen – und diese Negativität beeinflusste mein Selbstvertrauen und meine Psyche nachhaltig. Ich glaubte, dass Fehler machen total schlimm ist. Ein Fehler. Eine totale Enttäuschung. Ich hatte Angst mal nicht zu funktionieren und schluckte regelmäßig meine Gefühle runter. Ich war von Scham und Angst geplagt, und ich verbrachte viele Jahre in verbalen, emotionalen und körperlich abhängigen Beziehungen, denn schließlich kannte ich mich dort gut aus.

Damals waren Lautstärke und lautes Schreien ganz normal für mich, ich kannte es ja nicht anders. Heutzutage werde ich immer noch mega unruhig und ängstlich, wenn Stimmen erhoben werden. Mein Herz rast. Meine Muskeln verkrampfen sich. Ich traue mich immer noch nicht, meine eigene Meinung in großen Gruppen laut auszusprechen. Ich bin schüchtern. Sanftmütig. Autoritäre Erziehung funktioniert nicht. Überhaupt nicht. Ich lasse es nicht zu, dass mein Kind so behandelt wird, denn sie hat etwas besseres verdient.

Meine beiden Kinder verdienen etwas besseres.

Es hat sich ein dicker Riss zwischen meinem Mann und mir gebildet. Sehr oft versuchen wir das Thema auszuklammern. Wenn das Thema Erziehung allerdings angesprochen wird, so wird er defensiv und ich werde aggressiv. Ich „schlage verbal um mich“ Wenn mein fröhliches, wildes und aufgeschlossenes kleines Mädchen immer mehr „zu macht“ und sich verschließt, dann werde ich zur Furie. Unser Haus ist voller Wut und Lärm, und wenig überraschend reagiert sie auf unsere Aggression mit noch mehr Aggression: Sie tritt, schlägt, beißt und schreit.

Das ist nicht gesund, weder für sie, noch für uns und ich weiß, dass sowohl mein Mann als auch ich schuld an der Situation sind. Wir liegen beide falsch. Es ist ein verdammter Spagat: Wir müssen unseren Ton in Schach halten, unsere Erziehung in Schach halten, und wir müssen zusammenarbeiten, als Partner und als Eltern. Aber wie können wir das erreichen? Wir beide müssen akzeptieren, dass wir beide Stärken und Schwächen haben, und jede dieser Ansätze darf seinen Platz in unserer Erziehung finden ABER in Maßen. Mein ruhiger, verständnisvoller Ton ermutigt unsere Tochter, sich mir anzuvertrauen – ich bin die Person, an die sie sich mit Problemen und Geheimnissen wendet -, während mein Mann ihr beibringen kann, mutig und selbstbewusst für ihre Taten einzustehen. Ich muss aufhören, alles tot zu diskutieren und mein Mann darf nicht schreien und laut werden. Das sind die Einschränkungen.

Unser Tochter geht seit neustem zum Judo, das gibt ihr die Möglichkeit, sich durchzusetzen und ihr Selbstbewusstsein aufzubauen.

Ich gehe nach wie vor zur Therapie. Ich lerne dort regelmässig, wie ich mich selber behaupten kann und diese Vorschläge bringe ich wöchentlich mit nach Hause. Mein Mann hört mir zu. Dank meiner Therapeutin arbeiten wir also quasi alle daran, unsere Emotionen besser erklären zu können. Anstatt zu schreien, arbeiten wir daran, Emotionen anders auszudrücken. „Papa ist gerade frustriert, weil…“ ist z.B. einer der Sätze, die wir nun benutzen. Bevor wir uns gegenseitig anschreien und schreien und Dinge sagen – oder tun -, die uns später Leid tun, atmen wir beide 10 Mal langsam durch.

Bevor ich meinen Mann anschreie und meinen Unmut ausdrücke, habe ich mir angewöhnt, ihm Briefe zu schreiben. Die gebe ich ihm mit zur Arbeit, dann kann er sich entsprechend in Ruhe Gedanken über meine Gefühle machen. Das hat uns sehr geholfen.

Vor uns liegt noch eine Menge Arbeit. Die Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen. Es kommt ab uns an immer mal wieder zu Streitigkeiten zwischen meinem Mann und unserer Tochter. Es ist ein langer Prozess, seine Angewohnheiten abzulegen. Alles das, was sie zu Hause mitbekommt, wird sich später im Leben auf ihre Beziehungen auswirken. Sie lernt, dass Menschen an sich arbeiten können, wenn sie bereit dazu sind. Sie lernt, dass Liebe viel bewirken kann und das es sich lohnt, zusammen zu arbeiten. Wir sind eine Familie, wir sind ein Team. Für immer.

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