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Ein Gastartikel von Miriam aus Koblenz

Ich träume seit geraumer Zeit immer wieder denselben Traum.

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Ich wache um 5 Uhr morgens auf und gehe ganz leise die Treppe hinunter um niemanden zu wecken. Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein und dann sitze ich allein in der Stille, nippe an meinem Kaffee und schaute mir eine Folge Dr. House an. Manchmal fülle ich in diesem Traum meinen Kaffee mitten in der Folge sogar nochmal auf und kehre dann ungestört zu meinem Platz auf der Couch zurück. Manchmal sitze ich einfach nur da und sitze und sitze, bis die Folge vorbei ist und ich energiegeladen in den Tag starten kann. Dann, um 6:15 Uhr, wachen mein Mann und meine Kinder auf und ich hatte bereits eine volle Stunde nur für mich allein, bevor das Chaos ausbricht.

Was für ein schöner Traum, nicht wahr?

In Wirklichkeit beginnen die Tage zwar auch um 5 Uhr morgens, aber leider überhaupt nicht so, wie ich es gerade beschrieben habe. Meine Morgen beginnt mit lautem, wilden Gebrüll aus dem Zimmer meines Sohnes. Meistens ist er schon seit halb fünf wach aber spätestens um fünf Uhr gibt es kein Halten mehr. Und weil wir nicht wollen, dass er unsere Tochter aufweckt, die tatsächlich gerne bis mindestens 7 Uhr schläft, folgen wir seinem Ruf. Und weil wir versuchen, nicht verrückt zu werden, wechseln wir uns morgens ab. Denn wenn dieser Junge erwacht, erwacht er mit dem Feuer und der Leidenschaft von tausend Sonnen. Wie jeder 19 Monate alte Junge ist er neugierig und hat Flausen im Kopf, aber dieser Junge ist auch zusätzlich noch wirklich laut. Und ein bisschen destruktiv momentan. Leider.

Wir gehen also nach unten und ich verbringe die erste Stunde meines Tages damit, ihn so ruhig wie möglich zu halten. „Maaaaamaaaaaaaaaa!“, schreit er, sobald wir sein Zimmer erreichen. Er will dann SOFORT seine Milch. SOFORT! Nein, nicht jetzt, nicht vor einer Minute oder gar früher. GENAU JETZT SOFORT! Meistens ist es dann schon zu spät. „Maaaammaaaaaaa!!!!“, schreit er, während ich sein fuchtelndes Selbst auf meiner Hüfte balanciere. Da das eine fast unmögliche Aufgabe ist, verschütte ich die Milch fast immer. Mein Morgen beginnt also um fünf Uhr morgens mit lauten Schreien und verschütteter Milch.

Die nächsten zwei Stunden sehen ungefähr so aus.

Mein Sohn trinkt seine Flasche aus, während er Feuerwehrmann Sam schaut. Wir kuscheln uns fünf Minuten lang aneinander, dann versuche ich, seine Windel zu wechseln, weil er ja kurzweilig abgelenkt ist, aber es fühlt sich immer noch an wie der Kampf mit einem Alligator. Er verschüttet seine Flasche dann meistens auf der Couch, zunächst aus Versehen. Dann ist er plötzlich unheimlich fasziniert von den kleinen weißen Tröpfchen, die überall am Stoff hängen, so dass er nun nicht mehr aus Versehen überall die Milch verteilt. Sämtliches Spielzeug, alle Möbel und auch die Decken bekommen eine gratis Kalziumdusche verabreicht.

Wenn ich ihm seine Flasche wegnehme, wird er sehr, sehr, sehr wütend. Ich versuche dann, ihn zu beruhigen. Ich suche nach einem Spielzeug, um ihn abzulenken und er greift sich natürlich seine TUUUUTTT-TUUUTTTT Autos, ihr wisst schon, die, die so schrecklich laut sind. Er schiebt seinen Mini-Einkaufswagen von einem Raum zum anderen, kracht vor Freude gegen die Wände und schreit: „Buuuuummmmssssss, Wand!“ Dann ist es 5.30 Uhr.

An diesem Punkt schleiche ich mich gerne in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Aus dem Augenwinkel sieht er meinen Versuch, mich von ihm wegzubewegen und ist natürlich absolut dagegen. Er folgt mir in die Küche und schreit mir ein: „Mama, APFEL!“ entgegen. „Bist du sicher, dass du keine Banane willst?“ frage ich und zeige ihm beide Früchte. „APFEL!“ Alles klar, Baby Boss. Ich habe es verstanden.

Während ich auf meinen Kaffee warte, schäle und schneide ich ihm seinen Apfel. Ich lege die Stücke in eine Schüssel und stelle sie auf den Tisch. Er wirft einen Blick in die Schale und ist komplett beleidigt. Mit einem Wisch liegen die Äpfel und die Schale auf dem Boden. Ein verzweifelter Versuch, ihm beizubringen, dass man mit Essen nicht spielt folgt vergebens…..

Nachdem ich mir meinen Kaffee eingegossen habe, drehe ich mich um und sehe, wie mein Sohn die Apfelstücke einzeln aus der Schale nimmt und sie auf den Boden wirft. Er findet es urkomisch. Er sieht mich an, grinst breit und sagt „Banane!“ Es ist 6 Uhr.

In der nächsten halben Stunde mache ich ihm Frühstück, versuche selbst etwas zu essen und mache meinen Kindern die Brotdose für die Kita fertig. Ich nehme meinen Kaffee entweder stehend oder in Bewegung ein, schneide derweil die gewünschte Banane in Stücke und sauge vier Millionen Krümel weg. Um 6.30 Uhr wacht meine Tochter auf. Nicht, weil sie es will, sondern weil er, während ich das alles mache, den Weg zum Tablet gefunden hat. Tja, leider hat er sich Zugriff auf unseren Spotify Account verschafft und er hat es auch irgendwie geschafft unsere 80er Jahre Hitlist anzuklicken. Auf Lautstärke zehn erklingt SNAP aus den Boxen.

Meine Tochter macht sich ungern auf den Weg nach unten. Und wie jede normale Vierjährige, die eigentlich noch länger hätte schlafen wollen, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, sich möglichst unkooperativ zu geben. Die Liste ihrer Forderungen beginnt. Sie will Frühstück, aber nicht jetzt. Sie will nicht in die Kita gehen. Sie will mit dem Pyjama in die Kita gehen. Sie will überhaupt jeden Tag einen Pyjama tragen. Sie will Papa noch sehen. Papa ist aber schon bei der Arbeit. Das glaubt sie mir nicht. Sie will nichts mit mir zu tun haben. Nach einiger Zeit, und nachdem ich sie dazu gebracht habe, ein Frühstück zu sich zu nehmen, bitte ich sie, sich anzuziehen und die Zähne zu putzen. Nach einer langen Diskussion lässt sie sich darauf ein, ich stecke meinen Sohn in seinen Laufstall und nutze die Gelegenheit um schnell in mein Zimmer zu entschwinden, damit ich mir etwas anziehen kann.

Es gibt diesen Moment, in meinem Badezimmer, wenn ich mich im Spiegel betrachte und zunächst feststelle, dass meine Haare leider luftgetrocknet sind wirklich nach Beach Waves aussehen und dass ich mich in weniger als zwanzig Minuten tageslichttauglich machen muss und dass ich bereits seit zwei Stunden wach bin und schon einen ordentlichen Workout hingelegt habe. Ich fange an, meinen Lockenstab strategisch um ausgewählte Haarsträhne zu wickeln, in der Hoffnung, von „einem zerfetzten Wrack“ zu “ einem weniger zerfetzten Wrack“ zu werden. Die Schreie meiner Tochter dringen ins Badezimmer und mir bleibt das Herz stehen……

„Maaaaamaaaaaaaaaaaaa!“ schreit sie wieder. Ich komme an den Rand der Treppe und bin mir ziemlich sicher, dass es sich um einen Notfall handelt. „Ich komme!“ schreie ich verzweifelt. Sie beendet ihren Gedanken mit dem gleichen „Die-Küche- brennt-Ton:

„Maaaamaaaaaaaaa! Ich finde die Barbie nicht!“

Ich ziehe mich also an, wechsle noch eine Windel, ziehe den Kindern ihre Jacken an, entscheide noch kurz, wer mit der rosa Puppe spielen darf (die anderen drei Puppen sind einfach keine akzeptablen Optionen), hole das Auto, setze beide Kinder in ihre Autositze  und bringe beide Kinder vor der Fahrt zur Arbeit in den Kindergarten.

Wenn ich mich um 9 Uhr morgens an meinen Schreibtisch setze, habe ich gefühlt schon mindestens einen ganzen Tag hinter mir. Ich habe gekocht, geputzt, verhandelt, geschlichtet. Mein Blutdruck war mindestens zehn mal zu hoch. Ich fühle mich, als hätte ich den Mount Everest bestiegen. Ich fühle mich, als hätte ich bereits Berge versetzt. Ich bin erschöpft. Als arbeitende Mama sind die frühen Morgenstunden verdammt stressig. Sie sind deswegen so stressig, weil man gewisse Zeitvorgaben einzuhalten hat, die die Kinder nicht verstehen wollen und auch nicht verstehen können. Der Stress weitet sich auf die Kinder aus und als Mutter plagen einen dann die Schuldgefühle, weil es so stressig ist. Es stresst auch, weil wir genau wissen, dass wir am Montag noch vier weitere stressige Tage vor uns haben. Der Chef kümmert sich nicht darum, ob unsere Tage stressig sind, ihn interessiert nur, ob wir pünktlich sind oder nicht.
Das Schlimmste an diesem allmorgendlichen Chaos ist jedoch, dass ich die wunderbaren Momente mit meinen Kindern nicht genießen kann.

Ich liebe meinen Job, das sollte ich vielleicht noch dazu sagen. Ich wünschte mir nur manchmal, dass ich jeweils drei Jahre mit meinen Kindern Zuhause hätte bleiben können. Dank der unfassbar tollen Familienpolitik in diesem Land kann Schmier derartigen Luxus jedoch nicht erlauben. Schade.

 

 

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