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Als ich ungefähr 10 Jahre alt war, verbrachte ich den größten Teil des Sommers damit, mit meinen Freunden auf dem Spielplatz abzuhängen und uns in verschiedene Abenteuer zu stürzen. Wir wohnten damals in Bremen Oberneuland, einem ländlichen Stadtteil von Bremen. Keine Eltern waren in der Nähe, nur wir Kinder. Wir waren den ganzen Tag damit beschäftigt, die besten und waghalsigsten Tricks zu üben.

Manchmal kletterten wir auch auf einen Baum und sprangen aus gefährlicher Höhe in einen Fluss. Manchmal fielen wir auch vom Baum runter. Manchmal stritten wir uns bis aufs Blut. Niemand hat uns auch nur einmal gesagt, dass wir vorsichtig sein sollen. Wir haben zwar im Nachhinein immer Ärger für unsere Waghalsigkeit bekommen, aber wir haben gewusst, wie wir gut davonkommen würden. Das war Anfang der 90er Jahre, als Eltern ihre Kinder noch unbeaufsichtigt nach draußen gehen lassen konnten.

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Mittlerweile bin ich selbst Mutter eines Sohnes, der nächsten Monat elf Jahre alt wird, und wenn er mich fragen würde, ob er mit seinen Freunden alleine zu diesem besagten Spielplatz gehen dürfte, würde ich mich ehrlich fragen, ob ich am Ende in die Schlagzeilen des Vorabendprogrammes kommen würde, wenn ich ihn alleine gehen ließ. Gleichzeitig frage ich mich, ob er mich überhaupt fragen würde. Vor ein paar Jahren haben er und ich mal einen Piratenfilm zusammen geguckt. Kurz bevor die Jungen die Schatzkarte des Piraten in einem verlassenen Haus gefunden haben – dem Haus, wo sich die Verbrecher versteckt hielten – sagte Paul plötzlich: „Wo sind denn ihre Eltern?“

Heutzutage leben wir in einer Zeit, in der es ganz andere Dinge erfordert, damit Kinder glücklich groß werden können – Helicopter Elternschaft ist keine reine Option mehr; Sie ist obligatorisch (ich bin nicht glücklich darüber). Als Elternteil, welches in einer Zeit aufgewachsen ist, in der man viel gelernt hat, indem man in gefährliche Situationen geriet und sich dann selbst daraus befreien musste, frage ich mich folgendes: Was trägt die allgemeine Entwicklung dieser Zeit dazu bei, dass meine Kinder lernen, selbstständig mit schwierigen Situationen umgehen zu können?

Natürlich gibt es Studien, die belegen, dass man es Kindern nicht erlauben sollte, derart waghalsige Abenteuer, wie ich sie erlebte, zu erlauben, weil das später zu Angstzuständen führen kann. Es gibt jedoch auch Studien, die genau das Gegenteil beweisen: Forscher des Zentrums für emotionale Gesundheit der Macquarie University haben gemeinsam mit Partnern der Universität von Amsterdam und der Universität von Reading 312 Familien mit Kindern im Vorschulalter in den Niederlanden und Australien befragt, was ein Mangel an Risiko für ihre Kinder bedeuten kann.

„Die Studienergebnisse zeigten erstaunlicherweise, dass die Eltern, die ihre Kinder dazu ermutigten, ihre Grenzen stärker zu erweitern, Kinder hatten, die weniger Gefahr liefen, Symptome einer Angststörung zu entwickeln …“

Aber wie sieht das genau im Alltag aus? Wie bringen wir unsere Kinder dazu, Risiken einzugehen, während wir sie wie einen Falken dabei beobachten?

Ellen Sandseter recherchiert und schreibt über dieses Thema seit über 10 Jahren. Im Jahr 2007 veröffentlichte sie eine Liste mit sechs Kategorien von riskantem Spielen im European Early Childhood Education Research Journal, sie bittet die Eltern inständig: Hör auf euren Kindern zu sagen, sie sollen ja vorsichtig sein.

Ich bin übrigens ganz bei dir, ich sage es auch ganz oft. Neulich habe ich mit meinem Sohn zu Abend gegessen. Er benutzte den Kartoffelschäler und ich sagte: „Sei bitte vorsichtig, mit dem Ding kannst du dich böse schneiden.“ Und natürlich fing er sofort an, etwas vorsichtiger zu schälen. Aber mal ehrlich, wir sprechen hier von einem Kartoffelschäler. Musste ich ihn wirklich warnen? Das tatsächliche Risiko einer bösen Verletzung war ziemlich gering.

Sandseter unterteilt das freie Spiel in 6 Kategorien: (1) Spiel mit großen Höhen; (2) Spiel mit hoher Geschwindigkeit ; (3) Spiel mit schädlichen Werkzeugen; (4) spielen in der Nähe von gefährlichen Elementen; (5) das „Rauhe Spiel“; und (6) das Spiel,  bei dem die Kinder verschwinden oder verloren gehen können. In jeder Kategorie weist sie die Eltern darauf hin, wirklich darüber nachzudenken, was man sagen kann, anstatt ein „Sei bitte vorsichtig“ aus der Hüfte zu schießen.

Wenn dein Kind also das nächste Mal auf einen Baum klettert, sag doch mal etwas wie „Nimm dir die Zeit, die du brauchst“ oder mein persönlicher Favorit:“Ich bin hier, wenn du mich brauchst.“

Wenn ein Kind mit einem gefährlichen Werkzeug spielt, wie zum Beispiel mit einem riesigen Stock, der als Schwert eingesetzt wird (wir haben das alle schon mal gesehen und uns gefragt, wie viele Augen das wohl überleben werden), dann kann man das sagen „Schatz, Stöcker brauchen viel Platz“ oder „Such dir eine große, freie Fläche für dein Schwert“, anstatt ihm den Stock wegzunehmen.

Was passiert dann mit dem Kind? Nun, das ist einfach. Du überträgst deine positive Energie auf dein Kind. Anstatt dass Eltern wahnsinnig vor Angst werden, indem sie etwas zulassen, was sie nicht vorhersehen können, erlauben diese Aussagen es den Kindern, dass sie das Gefühl bekommen, selber die Kontrolle über eine Situation zu haben. Ermutige es, einen Moment inne zu halten um den nächsten Schritt zu planen, anstatt einfach nur Angst zu verbreiten. Du ermutigst dein Kind dazu, Risiken sicher und gezielt abzuwägen.

Und mal ehrlich Leute, ist das nicht das wahre Leben? Müssen wir das nicht alle irgendwann lernen? Wir müssen lernen, kalkulierbare Risiken einzugehen. Indem wir die Art und Weise ändern, wie wir mit unseren Kindern über Risiken sprechen, vermitteln wir ihnen, dass sie sich ihrer Fähigkeiten sicher sein und sich selbst vertrauen können, anstatt sie zu verängstigen. Das ist ein ziemlich tolles Geschenk, und es ist eine ziemlich coole Art und Weise, das Kind weiterhin beobachten zu können, während es gleichzeitig dazu ermutigt wird, den nächsten Schritt zu wagen, sei es zum nächsten Ast am Baum zu gelangen oder den nächsten mutigen Schritt auf dem Weg erwachsen zu werden zu wagen.

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