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Ein Gastbeitrag von Eleni K.

Ich hatte das Glück, nicht nur eine gute Freundin zu haben, die gleichzeitig mit mir schwanger war, sondern sie war auch die Art von Freundin, die alles bis ins kleinste Detail recherchierte. So konnte ich die Arbeit, nämlich, über all diese wichtigen Mamaentscheidungen nachdenken zu müssen, einfach an sie abgeben. Ich überließ es meiner Freundin Vanessa, alle umfangreichen Ermittlungen durchzuführen, während ich herumlag und alle Wiederholungen von How I met your Mother sah.

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Welchen Gynäkologen sollte ich aufsuchen? Vanessa durchkämmte Online-Rezensionen und recherchierte die besten Bewertungen in unserer Gegend, und wählte dann den passenden Arzt aus. Ich habe nach der Nummer des Arztes gefragt und bekam einen Termin in der gleichen Woche wie Vanessa.

Welchen Kinderwagen soll ich kaufen? Vanessa ging zu einer Baby-Messe, wo sie mehrere Testfahrten der neuesten Modelle absolvierte, sie führte Online-Recherchen für Sicherheitsstandards durch und mehr als ein mal befragte sie fremde Menschen in der Stadt, die mit dem Kinderwagen unterwegs waren. Als sie sich dann endlich für einen entschieden hatte, bestelle ich direkt den gleichen Wagen.

Welche Windeln sind die saugfähigsten? Vanessa schloss ein Windel-Abo ab, verglich herkömmliche Windeln mit Stoffwindeln und wusste über jede einzelne Windel in diesem Universum super Bescheid. Es erklärt sich von selbst, dass ich natürlich das gleiche Abo abschloss.

Als die Zeit kam, um sich für einen Geburtsvorbereitungskurs anzumelden, verließ ich mich wieder einmal auf ihre Empfehlung. Was ich jedoch übersah, war, dass dies einer der wenigen Bereiche war, in denen Vanessa und ich die Dinge anders sahen. Sie war an einer natürlichen Geburt interessiert und ging sogar so weit und wollte etwas über das Hynoborthing wissen. Ich hatte jedoch immer noch die Hoffnung, dass ich eine Art Schlupfloch finden könnte, in dem ich mich bei der Geburt einfach verstecken könnte und somit nicht wirklich im Kreißsaal dabei sein müsste.

Der Kurs fand an einem Abend pro Woche für insgesamt sechs Wochen statt und wurde von einer Doula unterrichtet. Es ist so: Ich gehöre zu der Sorte Frau, die nur genau das wissen will, was man wissen muss und nichts weiter. Die Tatsache, dass dieser Kurs an einigen Abenden historische Kunstwerke erforscht, die die Geburt von früher darstellen, war für mich total nutzlos. Niemand hat jemals inmitten einer schrecklichen Wehe gerufen: „Das erinnert mich so sehr an das etruskische Bild einer Frau in den Wehen. Wie exqui-VERFLUCHTE- SCHEIßE- TUT- DAS WEH!“

 

Es ist nicht so, dass ich die Rolle einer Hebamme ablehne. Keineswegs. Ich respektiere ihr Wissen, ihre Geduld und ihr Engagement, Frauen im Arbeitsprozess der Geburt zu unterstützen, wirklich aufrichtig. Sie haben die Fähigkeit, Schmerzlinderungstechniken zu lehren, die Atemtechniken, Entspannungstechniken, Massagen und Arbeitspositionen beinhalten. Während der Entbindung befinden sich die Hebammen typischerweise in ständiger und unmittelbarer Nähe der Mutter.

Aber mal abgesehen davon, dass ich mir den Luxus nicht leisten konnte, eine Beleghebamme zu engagieren, passen sie einfach nicht zu meiner Denkweise. Ich meine, wenn ich noch nicht mal mit im Raum sein will, will ich sicher nicht, dass jemand anderes mit mir über die Verwendung eines Physiotherapieballs spricht. Umstehende Menschen müssen entweder medizinisch notwendig sein oder zu denen gehören, mit dem ich regelmäßig Sex habe, um Zugang zu meiner Geburtserfahrung zu bekommen. Eine zugewiesene Hebamme im Krankenhaus reicht mir wirklich aus.

In der ersten Stunde wurden wir gebeten, unsere Schuhe auszuziehen und auf bequemen Kissen im Raum Platz zu nehmen. Paare saßen aufgeregt zusammen und freuten sich darauf, mehr darüber zu erfahren, wie der wichtigste Moment in ihrem Leben ablaufen wird.

Wir wurden gebeten, durch den Raum zu gehen, unsere Namen, unseren errechneten Entbindungstermin und unsere größte Angst zu nennen. Nach und nach äußerte jede Frau die gleiche Angst, nämlich: Dass sie unnötige Medikamente nehmen müssten. Als ich an der Reihe war, war meine größte Angst, ganz ehrlich, dass dem Sohn, den ich erwartete, etwas passieren würde. Während also jedes Paar befürchtete, eine Epiduralanästhesie bekommen zu müssen, schien meine Antwort „dass mein Baby sterben könnte“ mich wirklich unbeliebt zu machen und die Stimmung zu dämpfen.

Kurz darauf wurden wir in  „Mädchen“ und  „Jungen“ aufgeteilt. Mein Mann, Basti, sah mich panisch an, als wir getrennt wurden. Er flüsterte: „Wenn wir jetzt Vertrauensübungen machen müssen, bin ich weg.“

Nach einer weiteren Vorstellungsrunde teilten wir mit, welches Geschlecht unsere Babys hatten (wenn wir es denn wussten), wo wir gebären werden und wie unsere Geburtspläne aussehen. Diese Frauen hatten „Bücher“ darüber geschrieben, wie sie sich ihre Traumgeburt vorstellen, was sie mit ins Krankenhaus nehmen wollen und welche Musik sie hören wollen würden, um die Schmerzen erträglicher zu machen. Als ich an der Reihe war, um meinen Geburtsplan mitzuteilen, machte ich wieder einmal den Fehler und antwortete wieder ehrlich: Das Baby soll gesund rausgeholt werden. Wirklich. Das war mein ganzer Plan.

Obwohl die Damen in meiner Gruppe nicht besonders beeindruckt waren, wollte ich wenigstens noch erwähnen, dass ich einen tollen Arzt hatte. Als ich ihm von meinem „umfangreichen Geburtsplan“ erzählte, dankte er mir. Er sagte: „Du weißt, dass Geburten unberechenbar sein können und du bist offen für alles, was kommen kann, was ich ehrlich gesagt für den besten Weg halte.“ Ich wünschte, er wäre mit mir im Geburtsvorbereitungskurs, da ich nicht gerade der Klassenliebling war. Ich wurde als die, „die Angst hat, ein totes Babys zu gebären und keinen Plan hat“ Verlierer bezeichnet.

Schnell wurden wir wieder mit unseren Ehemännern vereint, unsere Lehrerin spielte nun nach, wie eine Geburt ablaufen könnte. Sie fing an, auf eine bestimmte Art und Weise zu atmen, dann kam sie langsam auf allen Vieren hoch und landete in einer nach unten gerichteten Hundeposition und drehte sich auf fast pornographische Weise dramatisch. Alle von uns saßen in einer unangenehmen Stille um sie herum und beobachteten sie: Unsicher, ob wir lachen, weinen oder applaudieren sollten. Sie sah beunruhigend aus und die Demonstration dauerte gefühlt ewig.

Als sie damit fertig war, begann sie einen laaaaaaangen Vortrag über all die Dinge, die man mit einer Plazenta machen kann. Wir könnten sie mit nach Hause nehmen, trocknen lassen, in Farbe tauchen und damit Kunstwerke anfertigen. Wir könnten die Plazenta auch zerbröseln und die Stücke in Kapseln verpacken und schlucken und das könnte uns vermutlich dabei helfen, postpartale Depressionen und die gefürchteten Nachwehen abzuwehren. Wenn keine dieser Möglichkeiten etwas für uns wäre, hätte sie auch eine Reihe von Rezepten, in die man seine Plazenta einbauen könnte. Diese letzte Option klang verlockend. Ich stellte mir das Weihnachtsessen vor und wie meine Schwiegermutter fragen würde: „Die Füllung war ja köstlich! Was war denn da drin?“ Das war ein super Weg, der Gastgeberrolle für IMMER entgehen zu können.

Dann wurde uns ein Video von drei verschiedenen Frauen unter der Geburt gezeigt. Alle diese Frauen hatten eine Beleghebamme (natürlich) und jede Geburt wurde durch einen tollen Soundtrack unterstrichen. Die Frauen in den Wehen schienen alle selig, entspannt und ruhig zu sein. Ich wandte mich an meinen Mann und sagte: „Vielleicht brauchen wir gar keine Hebamme. Vielleicht brauchen wir eine Flötisten.“ Er lachte und zum dritten Mal an diesem Abend ernteten wir böse Blicke.

Die zweite Stunde: Ich hatte gehofft, wir würden direkt in den Arbeitsprozess WEHEN einsteigen: Wie fühlen sie sich an, wann sollten wir ins Krankenhaus fahren und weitere wichtige Details, die für uns entscheidend waren.. Stattdessen diskutierten wir weiter über die Glückseligkeit der Plazenta. Es gibt Plazenta-Schmuck, Plazenta-Gesichtsbehandlungen und, die wahrscheinlich beunruhigendste Verwendung EVER: Der Plazenta-Teddybär. Die Plazenta wird mit Meersalz, Tannin und Eigelb behandelt und dann zu einem Winnie-Pooh-ähnlichen Wesen geformt. Kein Zweifel, A.A. Milne hat sich das garantiert nie vorgestellt, als er die Figur einst erschaffen hat.

Als wir über die Lotus-Geburts-Plazenta-Tasche sprachen, begann ich zusehends meine Geduld zu verlieren. Ich dachte immer nur: „Keine dieser Informationen wird mir dabei helfen, mit meinen Wehen umgehen zu können.“ Ich wollte die Hebamme gerne schütteln und sagen: „Setz die scheiß Flöte endlich ml ab und sag mir, was ich wissen muss!“ aber jeder in diesem Kurs schien diese ganzen irrelevanten Weisheiten echt hören zu wollen.  Mein Mann und ich gingen nach dem Unterricht nach Hause und fragten uns, was nur mit uns los war. Warum wurden wir nicht durch Geburtsfiguren, spezielle Schwangerschaftsakupunktur und Plazenta-Lasagne gefesselt?

Am Wochenende vor der dritten Stunde hatte ich einen schweren Schwindelanfall und landete sogar im Krankenhaus. Mir wurde Bettruhe verordnet und ich konnte nicht am Kurs teilnehmen. Basti und ich haben uns gefragt, ob das überhaupt der Kurs sein würde, in dem wir genug Informationen lernen würden. Wir waren uns einig, dass wir nicht gelernt hatten, wie man z.B. Wehen auslösen konnte. Als ich im Bett lag, schwanger, unfassbar rund, und das Zimmer sich drehte, schien keines dieser Kleinigkeiten im Entferntesten angesprochen worden zu sein.

Als es Zeit für die vierte Stunde war und ich mich besser fühlte, bereiteten mein Mann und ich uns darauf vor, unsere Mäntel anzuziehen und loszufahren. Ich weiß nicht, wer es zuerst ausgesprochen hat, aber einer von uns wandte sich dem anderen zu und sagte: „Willst du da wirklich hin?“ Und der andere antwortete: „Nicht wirklich. Ich würde lieber eine Pizza bestellen und fernsehen.“ Und das war’s. Wir sind nie wieder dorthin gegangen und haben es auch nie bereut.

 

Ich kaufte uns eine DVD, die genau eine Stunde lang war, die wir uns bequem von zu Hause aus anschauten konnten und uns wurde alles gesagt, was wir wissen mussten. Nachdem ich mir die DVD angesehen hatte, war ich ehrlich gesagt sauer, dass ich das nicht schon am Anfang gemacht hatte. Eine DVD für zwanzig Euro, erklärte mir mehr über Wehen oder wie es ist, wenn die Fruchblase platzt, wann ich ins Krankenhaus muss und was der Unterschied zwischen spinal und epidural ist, als dieser Kurs, für den ich zweihundert Euro bezahlt hatte.

Der Witz an all dem ist, dass ich am Ende nie in den Wehen lag. Ich wurde mit etwas diagnostiziert, das Cholestase (Rückstau von Gallenflüssigkeit) genannt wurde, was dazu führte, dass ich in der 37. Woche einen geplanten Kaiserschnitt hatte. Mein Sohn musste für etwas mehr als eine Woche auf der Neugeborenenintensivstation bleiben, aber ich bin froh, dass er heute ein gesunder, glücklicher Junge ist.

Wenn ich etwas gelernt habe, dann ist es, dass jeder eine Menge Meinungen darüber hat, wie man gebären sollte – was gut ist, was schlecht ist und was man unbedingt tun sollte und womit man sich auf keinen Fall wohlfühlen würde. Letztendlich musst du tun, was für dich richtig ist.

Vanessa bekam ein wunderschönes Mädchen und obwohl sie am Ende Medikamente zur Schmerzlinderung nehmen musste, hatte sie eine lang andauernde Geburt, die sie wirklich gut gemeistert hat.

Trotzdem sehe ich in nächster Zeit davon ab, eine Essenseinladung von ihr anzunehmen 🙂

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