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Ein Gastbeitrag von Svenja aus München.

Die Engländer nennen sie „Terrible Two“ und meinen die Phase um den zweiten Geburtstag eines Kindes herum, wo Wutanfälle an der Tagesordnung stehen. Dann gibt es noch die sogenannte „Wackelzahnpubertät“, die um den fünften Geburtstag herum „anreist“ und bis zum siebten Lebensjahr bei uns verweilt. Die Teenagerjahre sind ebenso verschrien. Diese Altersgruppen bekamen ihren schlechten Ruf nicht umsonst: Kleinkinder sind manchmal echte Arschlöcher. Sie benehmen sich wie der Betrunkene auf einer Party: Sie verschütten alles und versauen jede Art von Bodenbelag, sie schreien alle Menschen in Sichtweite an um dann mitten auf dem Boden einzuschlafen. Sie essen gnadenlos alle deine Kekse auf. Sie pinkeln sich selbst an, und wenn sie es tatsächlich mal rechtzeitig auf die Toilette schaffen, pinkeln sie überall auf den Sitz. Wenn deine Kinder sich in diesem Alter befinden, dann blickst du neidisch auf die Eltern, die ältere Kindern haben.

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Und tatsächlich wird das Leben einfacher, wenn die Kinder älter und unabhängiger werden. Einfacher in dem Sinne, dass sich die Sorgen verschieben. Anstelle von Windeln und verschütteter Milch hast du es jetzt mit Zahnspangen und Widerworten zu tun. Es ist alles relativ. Plötzlich wachst du eines Tages auf und dein kleines Kind ist plötzlich ein großes Kind. Einstige süße Haarschnitte werden plötzlich durch ein freches Seitengeflecht ersetzt und das rosa Tutu weicht ganz plötzlich einer durchlöcherten Jeans. Wie konnte das nur passieren? Wann ist das passiert? Warum hat mich keiner gewarnt? Das sind Fragen, die auf dich zukommen, glaub es mir. Und vertraue mir, du wirst auch auf die Knie gehen und zu allen Göttern dieser Welt beten, dass du doch bitte deinen uringetränkten Dreijährigen wieder haben möchtest. Warum? Nun, weil Dreijährige längst nicht so anstrengend sind wie Neunjährige.

Einige von euch schütteln gerade den Kopf und denken sich: „Ach, die spinnt doch! Wie anstrengend kann bitte ein 9-Jähriger sein, wenn mein Vorschulkind sich immer noch  weigert, irgendwo anders als in eine Windel zu scheißen und immer noch mindestens dreimal pro Nacht aufwacht?“ Nun, ich freue mich, dass du dich das gefragt hast. Lass mich dir einen kleinen Vorgeschmack auf Nummer Neun geben.

Die Nummer Neun ist permanent empört und sauer. Die Neun schlägt Türen zu, nicht weil die Neun ein Kleinkind ist, das gerne laute Geräusche macht, nein, sie tut das, weil sie das Bedürfnis verspürt, ihre extreme Verärgerung über ihren kleinen Bruder genau so auszudrücken. Immerhin hat er es gewagt, ihr eine Frage zu stellen, oder weil er den Mut besessen hat, sie ernsthaft zu fragen, ob sie mit ihm spielen will oder einfach weil er es gewagt hat, zu existieren. Die Neun rennt wutentbrannt die Treppe hoch, nicht weil sie in ihrem Zimmer in Ruhe mit ihren Kuscheltieren spielen will, NEIN, das tut sie, weil ihre kleine Schwester nicht die gleiche Fernsehsendung wie sie sehen will und sie nun sauer ist. „Wow, das klingt wie eine freche Göre!“ Das ist genau das, was du gerade denkst. Du hast völlig Recht. Die Neun ist auf jeden Fall eine freche Göre.

Die Neun ist hinterhältig. Die Neun schmuggelt eine Taschenlampe in ihr Zimmer und bleibt heimlich stundenlang wach, um Gott weiß was zu tun. Die Neun will Fernsehsendungen sehen, die für ein Kind in ihrem Alter ungeeignet sind. Wenn du nein sagst, wird die Neun sich auf YouTube umgucken und sie trotzdem heimlich anschauen. Wenn du sie bestrafst und ihr die IPAD- und Fernsehprivilegien wegnimmst, reagiert die Neun völlig unnahbar. Es ist ihr total egal, weil sie weiß, dass sie es eh besser weiß. Um ganz ehrlich zu sein, die Neun ist ein kleiner Soziopath.

Die Neun ist undankbar. Bereits Minuten nach der Rückkehr von einem Spieltag wird die Neun darum betteln, wieder zu den Nachbarskindern gehen zu dürfen. Wenn du ihr erklärst, warum das heute Abend nicht mehr möglich ist, wird die Neun auf lächerlich freundliche und geduldige Weise laut und abfällig seufzen und etwas über das total unfaire Leben murmeln. Egal wie viele Spielsachen oder Freunde oder Dinge die Neun hat, es wird nie genug sein.

Die Neun bringt dich an deine Grenzen. Du musst öfter mit der Neun sprechen, als dir lieb ist. Du wirst sie disziplinieren und sie, wenn nötig, angemessen bestrafen, und ihr noch mehr Liebe und Unterstützung anbieten, als es menschlich möglich ist. Du wirst denken, dass du mit der Neun enorme Fortschritte machst, weil du endlich einen Weg gefunden hast, sie erreichen zu können. Falsch. Klappt nicht.

Versteh mich nicht falsch, die Neun ist ein erstaunliches Kind. Die Neun ist hilfsbereit und stets wissbegierig, etwas Neues lernen und ausprobieren zu können. Die Neun versteht den Unterschied zwischen einem guten Witz und einer gehörigen Portion Sarkasmus schon sehr genau und sie kann super darüber lachen. Die Neun ist wirklich das süßeste Kind bei all deinen Freunden und bei deinen Eltern und sie alle glauben dir nicht, dass die Neun sich zu Hause nicht wie ein Engel verhält.

Aber nun denn, die Neun wird dich nicht töten, du überlebst das schon irgendwie. Und was ist das größte Problem, das du mit der Neun haben wirst? Das kann ich dir ganz einfach beantworten: Du weißt instinktiv, dass die Neun im Vergleich zur Dreizehn echt lapidar ist.

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