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Ein Gastbeitrag von Lena aus Nürnberg 

Meine Tochter ist vier Jahre alt und sie hat ihren Schnuller noch. Es ist MEINE TOCHTER und es ist IHR BEDÜRFNIS. Ende der Geschichte. Aber so einfach ist das leider nicht. Meistens passiert es auf Familienfeiern, wenn jemand auf die Idee kommt, doch ein schönes Familenfoto machen zu wollen. 

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„Du brauchst dieses dumme Ding doch gar nicht mehr!“

„Du bist doch schon ein großes Mädchen!“

„Gib der Oma mal den Schnuller!“

Und so weiter….und so weiter……..

Es ist total egal, WAS sie sagen, es klingt alles gleich für mich: „Warum darf  dein Kind immer noch einen Schnuller haben, du elende Rabenmutter? 

Ab wann braucht ein Kind keinen Schnuller mehr? Wer legt fest, ab wann das natürliche Saugbedürfnis gestillt ist? Dürfen gestillte Kinder länger saugen, als nicht gestillte Kinder? Oder umgekehrt? 

Als ich Kind war, habe ich zum Beispiel immer meine Haare gezwirbelt, wenn ich nervös war. Ich war ein sehr ruhiges und verständnisvolles Kind und ich kann mich an keine großen Katastrophen meinerseits erinnern. Ich zwirbelte an meinen Haaren und beruhigte mich selbst dadurch. Ich kann mich allerdings sehr gut daran erinnern, dass mir meine Lehrer und auch meine Eltern immer wieder gesagt haben, dass ich es doch bitte lassen soll. Meine Oma schlug mir sogar auf die Hände und zischte: „Naaaa, nun lass das mal!“ Insbesondere Familienmitglieder sagten immer wieder, dass das Zwirbeln meiner Haare sie total „verrückt“ gemacht hat. Nun, das war nicht mein Problem.

Als ich älter wurde, sagte ich den entsprechenden Personen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen, wenn ich wieder mal zwirbelte. Immerhin gab es einige Nagelkauer bei uns in der Familie, was auch nicht immer schön zu beobachten war. Dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen dem Nagelkauer zu sagen, dass ich mich durch sein Kauen gestört fühle. Meine vierjährige Tochter ist noch nicht alt genug, um anderen sagen zu können, dass sie sie in Ruhe lassen sollen. Indem ihr jemand den Schnuller weg nimmt, so raubt ihr derjenige ihr Sicherheitsgefühl und das geht gar nicht! Sie schaut mich dann hilflos an und erwartet selbstverständlich, dass ich ihr den Schnuller zurück gebe und das tue ich auch! 

Was mich am meisten stört, ist nicht, wie die Leute so salopp versuchen, mir ihre Meinung darüber aufzudrücken, wie ich mein Kind zu erziehen habe. Mich ärgert, dass jemand auf sie zugeht und ihm gewaltsam etwas wegnimmt, was sie beruhigt und zweifelsohne IHR gehört. Ich komme ja schließlich auch nicht jedes Wochenende zu denen nach Hause, um den Alkohol in ihrem Likörschrank zu leeren. Ich nehme ihnen im Restaurant ja auch nicht ihre Löffel weg, während sie gerade dabei waren, den Nachtisch zu verspeisen. Ich zerbreche ihre Zigaretten nicht. Ich kenne meinen Platz im Leben und kein Mensch hat das Recht meiner Tochter ihren Platz im Leben strittig zu machen. 

Die Leute versuchen, mich davon zu überzeugen, den Schnuller meines Sohnes loszuwerden, indem sie mir Geschichten von Kindern mit Sprachproblemen oder kaputten Zähnen erzählen. Was soll das? Ich erzähle ihnen doch auch nicht, wie meine Großmutter an Lungenkrebs starb, wenn sie sich gerade eine Zigarette anzünden. Wollen sie, dass ich ihnen von den Gefahren des Übergewichts erzähle, wenn sie sich gerade ein zweites Stück Schokokuchen auf den Teller laden ? Wenn mir jemand erzählt, wie wenig er geschlafen hat, weil er feiern war, und sich dann mit Koffein zuschüttet, soll ich ihm dann vielleicht erklären, wie gefährlich zu viel Koffein doch ist? Ich verurteile keinen Menschen dafür, dass er eventuell schlechte Entscheidungen fürs eigene Leben trifft, ich respektiere ihre Entscheidungen, weil es ihre Sache und nicht meine ist.

Mein Kind muss vielleicht später eine Zahnspange tragen, das Risiko gehe ich ein. Das ist aber etwas, was ich gerne in Kauf nehme, wenn dieses Ding das Einzige ist, das ihre Nerven beruhigt, wenn sie vor etwas Angst hat oder sich unsicher fühlt. Für mich geht es vielmehr darum, dass mir ihre emotionale Gesundheit wichtiger als ihre Zahngesundheit ist.

Kindern stehen leider noch keine Millionen Wörter zur Verfügung, um uns zu erklären, das der Blick einer bestimmten Person ihnen Unbehagen bereitet oder das eine unbekannte Umgebung sie verunsichert. 

Die Leute, die mich für eine Rabenmutter halten und der Meinung sind, ich solle ihr den Schnuller wegnehmen und sie lieber tagelang weinen lassen, die können mal gepflegt die Luft anhalten und vor ihrer eigenen Haustür kehren. Wie viele Dinge tun diese Menschen, die ihnen eigentlich mehr schaden als nützen? Kaputte Zähne zu richten ist einfacher, als eine kaputte Seele zu reparieren.  

Ich glaube auch nicht, dass Menschen sich mal eben ein neues Herz, eine neue Leber oder neue Lungenflügen kaufen können, nachdem sie sich jahrelang mit Fastfood, Drogen, Koffein, Alkohol, Fernsehen, Zigaretten „beruhigt“ haben. 

Mein Kind, meine Regeln. Ich erwarte nicht, dass ich euch von einem Gegenteil überzeugen kann und ich schulde euch auch keine Erklärung. Alles, was ich möchte, ist etwas weniger Heuchelei oder zumindest ein bisschen mehr Respekt meiner Tochter gegenüber. 

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