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Ein Gastbeitrag von Luzi aus Bonn

Als ich noch ein Kind war, spielte ich eigentlich fast immer mit den Kindern aus der Nachbarschaft draußen.  Wir mussten uns nicht verabreden. Wir gingen einfach vor die Tür und hatten dort immer einen Spielkameraden. Wir spielten, bis die Straßenlaternen angingen- das allgemeine Zeichen für – Jetzt muss ich nach Hause, sonst macht sich meine Mutter sorgen.

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In unserer Nachbarschaft kannte sich jeder. Alle Erwachsenen hatten im vorbeigehen ein Auge auf uns. Wir fühlten uns frei und gleichzeitig auch beschützt.

Heute ist das anderes. Ob wir in einem Mehrfamilienhaus, oder in einer Reihenhaussiedlung wohnen macht dabei keinen Unterschied. Meine Freundinnen und ich haben alle das selbe „Problem“. Wir müssen Spieldates organisieren, damit unserer Kinder Freundschaften genießen können.

Es ist blöd und unfair für alle Beteiligten.

Wenn ich die Kindheit meines Kindes mit meiner eigenen vergleiche fällt mir auf, dass mein Kind viel weniger Freunde hat als ich früher. Ein positiver Nebeneffekt gab es damals, wenn auch die Eltern miteinander befreundet waren. So konnte man oft auch noch die Abendstunden miteinander verbringen und so war man auf Feiern der Eltern nicht das einzige Kind. Heute ist es eine fast schon obligatorisch, dass die Eltern befreundet sind. Wenn nicht, dann hat das Kind meist kaum Spielkameraden im gleichen Alter.

Doch irgendwie geht das heute nicht anders. Mit der Zeit hat sich unserer Gesellschaft einfach verändert. Besonders wir Mamis. Unserer Kinder toben nicht mehr einfach auf der Straße miteinander. Nein, wir müssen ständig irgendwelche Menschen mit ihren Kindern zu uns einladen.

Wenn wir Glück haben verstehen wir uns gut mit den anderen Müttern. Oder wir haben Glück und unserer Kinder lieben die Kinder unserer Freundinnen. Aber so gut passt es leider nicht immer. In viel Fällen werden wir dazu gezwungen, die Zeit mit peinlichen Smalltalks zu überbrücken, während die Kinder spielen. Danach trennen sich unserer Wege wieder.

Mit die schönsten Momente meiner Kindheit waren  die letzten Minuten, bevor die Laternen angingen. Wenn die Sonne unterging und es langsam dunkel wurde. Nichts hat mehr Spaß gemacht, als im Abendlicht Verstecken zu spielen. Diese Sommerabende, wenn es langsam kühler wurde, sind für mich wunderschöne Erinnerungen, die ich nie missen möchte.

Wenn das Wetter zu schlecht war um draußen herum zu turnen, kam eine Freundin zu mir nach Hause und wir spielten mit unseren Puppen oder bauten Kissenburgen. Nur wir beide ganz allein! Ohne dass unserer Mütter beim Kaffee zusammen saßen und darauf warten mussten bis wir fertig gespielt haben. Und ich erinnere mich auch daran, dass unsere Mütter nur eine Handvoll Momente zusammen verbracht haben.

Ich möchte nicht sagen, dass unserer Spieldates von heute von Grund auf schlecht sind. Ich erwarte auch nicht, dass es so wird wie früher – ich weiß, dass das nicht passieren wird.

Trotzdem tut es mir leid, dass meine Tochter nicht in den Genuss dieser engen Freundschaften kommt. Und ich fühle mich schlecht, weil es sich anfühlt als sei es meine Schuld.

Sie hat kaum Freunde, weil ich selbst nicht viele habe – so fühlt sich anscheinend die moderne Mutterschaft an.

Sie hat, seitdem sie 4 ist, kaum andere kleine Mädchen, mit denen sie spielen kann. Wegen mir. Weil ich nicht zig Mama- Freundinnen habe, mit deren Kindern sie sich anfreunden könnte.

Und genau das ist das Problem. Ich hab als Kind selbst Freundschaften aufbauen können. Ich spielte den ganzen Tag mit den Kindern aus der Nachbarschaft und das nicht, weil unserer Mütter das so arrangiert hatten, sondern weil wir es so wollten. Und das ist das Traurigste daran. Wir haben uns unserer Freunde gezielt ausgesucht. Und deshalb waren und sind diese Freundschaften auch so beständig. Wie schön und einfach war es damals noch, als meine Freunde einfach so vor der Haustür standen und fragten ob ich zum Spielen raus kommen möchte…

Aber heute leben wir nicht mehr in einer Welt, in der wir unsere Kinder mit Ausgangssperren von „bis die Laternen angehen“ nach draußen schicken können. Ob es uns gefällt oder nicht, die Welt scheint merklich grausamer zu sein als sie damals war.

Nicht alles war damals besser, nein, aber viele Erfindungen, einschließlich des Internets, haben zu einer Kultur geführt, in der wir einfach mehr von den Geschichten hören, die uns Angst machen können.

Immer, wenn ich sehe wie meine Tochter mit ihrer kleinen Schwester spielt und ihren Puppen vorliest, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Denn sie ist nicht unter Gleichaltrigen, weil ich es zum x-ten Mal nicht geschafft habe einen Termin mit einer anderen Mutter zu finden.

Ich vermisse etwas. Ich wäre auch gerne die Mutter, die ihre Kinder mit einem Haufen anderer Kindern in der Nachbarschaft beim Fahrradfahren zuschauen kann. Ich wäre auch gerne die Mama, die ihren Kindern diese Freiheit und diese Unbeschwertheit, die wir damals genießen konnten, bieten könnte.

Aber ich bin die Mutter, die unzählige Whats-App Nachrichten mit anderen Müttern schreiben muss, um in unseren vollen Terminkalendern ein paar Stunden Zeit für ein Spieldate zu finden. Die Mutter, die sich fragt, ob ein Sekt für Mütter bei Spieltagen wohl angemessen ist.

Die Welt ist nun mal ganz anders als damals, als ich noch klein war.

Das ist auch okay und in vieler Hinsicht auch gut so. Aber es ist auch unfair. Mein Kind ist toll. Es ist offen, freundlich und lieb aber ich muss die populäre Spieldatemutter geben, damit mein Kind ein paar Freunde haben kann. Das ist doch sch****…..

Aber dennoch werde ich es weiter versuchen.

Ich werde versuchen, andere Leute mit Kindern ähnlichen Alters zu treffen.
Ich werde mich weiterhin mit Menschen treffen, bei denen ich mich nicht wohl fühle und mit denen ich sonst nie etwas zu tun hätte. Und ich werde auch weiterhin immer wieder an meine Kindheit denken aber da mein Kind nie eine Kindheit wie ich hatte, wir sie es auch nicht vermissen. Das tröstet mich.

 

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2 Kommentare

  1. Ich bin so froh,dass es hier wo wir wohnen genauso ist,wie bei mir früher. Es ist ein Stadtteil einer größeren,kinderfreundlichen Stadt. Unser Spielplatz ist einmal durch die häuserreihr durch. Und hier sind Kinder,Kinder,Kinder.
    Mein Sohn wird erst 5,aber er bleibt schln alleine draussen, meist in einer altersheterogenen Gruppe von Kindern zwischen 4 und 12. Wenn wir raus gehen ( meinen 1jährugen begleite ich dann doch noch 😉 ) treffen wir in 90% der Fälle spielkameraden für beide.
    Oder er radelt vor der Tür,malt mit Kreide,spielt Pferd mit den nachbarsmädchen.
    Und im Frühling und Sommer kommen die Eltern dazu,mit decken oder Kissen und klönen.

    Wur hätten gerne mehr Platz in der Wohnung,aber auf dieses draussen-idyll verzichten zu müssen,würde mirvdoch ziemlich schwer fallen…

  2. Gott sei Dank!! Endlich ein Artikel wie dieser, und nein ´ich bin nicht allein´! Hurra!

    Ich bin alleinerziehende, habe 3 Kinder (10, 7 und 5) und finde es inzwischen mehr als schrecklich diese Termine (wenn auch schon ohne die Mutter einzuladen, mit Small-Talk-Quälerei und Freundlich-Tuerei etc) zu vereinbaren. Man ist dann selbst auch so gebunden.

    Habe teilweise schon einen regelrechten ´Graus´ davor Kinder einzuladen, weil man ja dann auch selbst so an zu Hause gefesselt ist, bzw. man kann ja raus aber dann mit Anhang – nervt…

    Hätte ich vorher gewusst was auf mich zurollt und was das alles mit sich bringt, ich hätte nur ein Kind – DEFINITIV!

    Ich bin auch auf einem Dorf groß geworden, wo es genauso war wie bei Dir und es war wunderbar weil man nie alleine war und sich auch ausprobieren konnte. Was unseren Kindern in gewisser Hinsicht fehlt.

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