Werbung

Anonym eingereichter Gastartikel einer Leserin

Es mangelt wahrlich nicht an poetischen Kommentaren im Netz – man muss nur durch Social Media scrollen, ein paar Minuten fernsehen oder einen Blogbeitrag lesen und man liest sofort Sätze wie „Deine Mutter zu sein bedeutet mir alles“ oder „Du bist mein Lebensinhalt! Deine Mutter zu sein ist das Beste, was mir je passiert ist!“ oder „Du bist meine Welt!“. „Ich wusste nie, was Liebe ist, bis ich dich geboren habe!“, um nur einige zu nennen.

Werbung

Von dem Moment an, als meine Tochter geboren wurde, haben mir diese Art von Kommentaren, nämlich, dass es anscheinend nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als Mama zu sein, dass dieses Mamasein Frauen Glück bringt, das sie sich nie hätten vorstellen können – das Gefühl vermittelt, dass irgendetwas grundlegend falsch mit mir sein musste und mich unglaublich einsam fühlen ließ. Weil…

Ich bin überhaupt nicht gerne Mama.

Mein ganzes Leben lang hatte ich mir ausgemalt, wie es sein würde, selber Mama zu sein. Ich liebte Kinder schon damals über alles. Ich habe babygesittet, ich gab Kindern Schwimmkurse. Ich war die coole Cousine und Tante, die bei jeder Familienfeier ununterbrochen mit den kleinen Kindern aus der Familie spielte. Ich liebte die Nähe zu Kindern. Die Reise der Mutterschaft, von der ich wusste, dass ich sie antreten wollte, brachte mich sogar dazu, meine Karriere als Ärztin in Frage zu stellen – bedeutete meine lebenslange Liebe zu Kindern nicht, dass es für mich mehr Sinn machen würde, eher Hausfrau und Mutter zu sein?

Ich musste mich der Erkenntnis stellen, dass ich das Mamasein leider weder wunderschön noch erfüllend fand. Ich empfinde es als langweilig, frustrierend, undankbar und monoton. Jetzt ist es raus.

Nachdem meine Tochter geboren wurde, wartete ich also auf das Einsetzen der Glücksgefühle. Ich wartete darauf, endlich diese besondere Freude spüren zu dürfen, diesen Funken, dieses Gefühl der absoluten Zufriedenheit. Vergeblich. Ich erfand Ausreden, um mich nicht mit anderen Müttern verabreden zu müssen, Mütter, die in ihrer neuen Rolle total aufgingen. Du hast eine postnatale Depression, redete ich mir selber ein. Sobald diese Phase überstanden ist, wirst du deine Rolle lieben, sagte ich mir. Mein Baby hatte keine Koliken, mein Baby war total „einfach“  und trotzdem war ich alles andere als glücklich. Ich habe das Glücklichsein einfach nur gespielt.

Im Laufe der folgenden Jahre musste ich mich der Erkenntnis stellen, dass ich, obwohl meine Tochter weiterhin ein einfaches Kind war und meine postnatale Depression tatsächlich nachließ, das Glück über meine neue Rolle als Mama ausblieb. Ich fand es weiterhin (und tue es immer noch) langweilig, frustrierend, undankbar und monoton. Zubereitung von Mahlzeiten. Aufräumen. Gesicht abwischen. Wäsche waschen. Aufräumen. Putzen. Weinen. Noch mehr weinen. Und alles von vorne. Die Tatsache, dass ich die Erfüllung im Mamasein, die Erfüllung, von der ich immer annahm, dass ich sie bis ins Mark erschüttern würde, nicht gefunden habe, brachte mich an den Rand der Verzweiflung.

Man weiß ja vorher nie, wie sehr man in einer neuen Rolle aufgehen wird, bis man es selbst erlebt. Da ich nun weiß, dass das Gefühl bei mir eben nicht aufkam, werde ich wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen. Wenn ich meine Freunde sehe, die bereits mit ihren zweiten (oder dritten) Kindern schwanger sind, fühle ich mich auch überhaupt nicht schlecht, weil ich selbst nicht schwanger bin. Ich fühle mich eher in Panik versetzt und habe Angst davor, noch ein Kind in die Welt zu setzen. Meine kluge, energiegeladene, lustige und mutige Tochter verbraucht all meine Energie. Ich selber habe nichts mehr zu geben.

Die traurige Realität ist, dass ich die Freuden des Mamaseins nicht gefunden habe, eine Freude, von der ich immer annahm, dass sie mich bis ins Mark erschüttern würde.

Eines kann ich euch versichern – meine fast vierjährige Tochter ist ein erstaunliches kleines Mädchen und sie hat ein unglaubliches schönes Leben. Ich verspreche euch, dass sie sehr geliebt wird, nicht nur von meinem Mann und mir, sondern auch von dem Rest der Familie und von all unseren Freunden. Wir spielen Spiele, lesen Bücher, schauen Filme; wir gehen nach draußen, wir gehen auf Spielplätze; wir springen gemeinsam durch Pfützen und wir kuscheln und wir küssen uns und sie sagt mir, dass ich ihre beste Freundin bin. 348.374.837 Mal am Tag. Ich bereue es nicht, sie in meinem Leben zu haben.

Es ist nicht einfach, aber ich lerne zu akzeptieren, dass ich nie die Mutter sein werde, die ihr Kind lieber bei sich hat, wenn ich mal einen freien Tag habe, anstatt sie in die Kita zu schicken. Es ist okay, so zu denken. Ich brauche meine Arbeit als Ärztin, um mich glücklich und frei fühlen zu können. Ich bin extrem introvertiert, das heißt brauche auch mal Zeit in Ruhe, nur mit mir selbst. Ich muss meinen Akku aufladen, ohne dass ein kleiner Körper auf mir herum krabbelt, was essen will, und mich fragt, warum der Himmel blau und nicht rot ist, und ich daneben sitzen muss, während der kleine Mensch Pipi macht. Vielleicht sind diese Baby- und Kleinkinderjahre auch einfach nichts für mich und vielleicht wird die Freude größer, wenn mein Kind größer wird. Vielleicht aber auch nicht.

Ich behandle hier gerade ein echtes Tabuthema, es gibt kaum die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden. Wenn du Mama bist und das eben nicht wirklich gerne, dann bist du sehr allein. Jedes Mal, wenn du andere Menschen siehst oder hörst, die sich darüber auslassen, wie erfüllend die Elternschaft doch für sie ist, oder wie glücklich sie das alles macht, oder wie sehr sie sich wünschen würden, nicht arbeiten zu müssen, damit sie zu Hause bei ihren Kindern bleiben könnten – spätestens dann fühlst dich schuldig und schrecklich, weil du dich nicht genauso fühlst. Ich bitte dich: Denk bitte daran, dass nicht alle Menschen so fühlen und das bedeutet auch nicht, dass du dein Kind weniger liebst als jemand, der anders fühlt als du.

Vertrau mir.

 

Werbung

5 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese ehrlichen Worte. Ich finde mich hier eins zu eins wieder. Und ich fühle mich auch schuldig, wenn ich mir eher Zeit ohne Kind wünsche, als sie bei mir zu haben. Meine Erfüllung liegt auch eher im Job als in der Rolle der Mutter. Vielen Dank, dass diese Worte hier, mir mehr Mut geben und mir helfen mich nicht so schuldig zu fühlen.

  2. Ich bedanke mich auch sehr für diesen authentischen Beitrag. Du sprichst mir aus der Seele und ja, es ist unheimlich traurig, dass wir uns deswegen schuldig fühlen müssen. Danke für deine Worte, die mich etwas aufgebaut haben. Schade, dass ich solche Mütter wie Euch nicht als Bekannte habe, um sich real darüber auszutauschen.

  3. Hey, ich fühle mich genau so und habe noch nicht einen einzigen Artikel gelesen, der diese passenden Worte preis gibt. Ich bin beruhigt, dass es tatsächlich noch Mütter auf dieser Welt gibt, denen es auch so geht… also ist man doch nicht alleine.

  4. Das Problem sind nicht die Kinder, sie bringen neue Aufgaben und Verantwortung in unser Leben. Warum sollte das glücklich machen- das ist unlogisch. Das Problem ist, dass wir von Kindesbeinen an indoktriniert werden, dass zu einem erfüllten Frauenleben Kinder als Sahnehäubchen zum Glücklichsein verhelfen. Vorher hoffen wir auf den tollen Prinzen, der uns einen Ring reicht, welcher uns zeigt:“ich bin wertvoll, denn da funkelt etwas an meinem Finger…“ und dann führt er uns an den Altar, dies wird dann gefeiert als glücklichster Tag des Lebens- noch bescheuerter geht’s kaum. Wer diesem Blödsinn auf dem Leim gegangen ist- kann nur enttäuscht werden. Frauenleben können heute alles sein- ob mit ob ohne Kinder- egal. Ich habe dieses Mutterglück auch nicht verspürt- Gottseidank hatte ich so viel Kontakt zu mir selbst, dass ich wusste, Schlafmangel, Selbstaufopferung und Haushalt machen mich dauerhaft nicht glücklich und jeder der berichtet, wie happy er ist, dem glaube ich nicht. In meinem Freundeskreis habe ich fast nur ehrliche Menschen, von denen ich weiß, dass sie genauso scheitern, Fehler machen und frustig sind, wie ich.Bei dem Wettbewerb „Wer ist die beste Mami“ mache ich schon lange nicht mehr mit. Die Kinder sind nicht dazu da, mich glücklich zu machen. Sie gehören zu mir, werden langsam groß und gehen dann ihren eigenen Weg.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.