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Hier schreibt Julia aus Oldenburg für euch.

Ich bin ein richtiges Landei. Ich wuchs in einer norddeutschen Kleinstadt auf und meine Kindheit war geprägt von Schützenfesten, Dorfjugend und viel Natur. Meine Eltern legten Wert auf Höflichkeit. So brachten sie mir sehr früh bei, immer brav „Vielen Dank“ und „Bitteschön“ und „Guten Tag“ zu sagen. Ihnen war es wichtig, besonders höflich älteren Menschen gegenüber zu sein. Es war ein richtiges Kleinstadtleben. Alle Kinder liefen barfuß durch die Gärten und jeder kannte jeden.

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Meine Oma sagte mir immer, ich solle mich doch wie ein „süßes Mädchen“ verhalten. Wenn ich mit meinen Geschwistern stritt und es mal heftiger zur Sache ging, sagte meine Mama mir immer: „Sei lieb, Julchen!““ Wenn ich in der Schule ein derbes Wort fallen ließ, sagte mein Lehrer stets: „Na, das gehört sich aber nicht für ein Mädchen!“ Und als ich älter wurde und anfing, mich mit Familienmitgliedern über Politik auseinander zu setzten und manchmal ein kleine Streit ausbrach, erntete ich im Nachhinein gerne mal folgenden Satz: „Julia, du warst doch sonst immer so eine LIEBE, was ist denn los mit dir?“

Mittlerweile bin ich selber Mama und Gott sei Dank kann ich jetzt selber entscheiden, welche meiner Lebenserfahrungen ich an meine Kinder weitergeben möchte. Da wir im Speckgürtel von Oldenburg leben, laufen wir im Sommer immer noch barfuß über die Wiesen. Ich finde es wichtig, dass Kinder die Bedeutung von „Danke“ und „Bitte“ kennen. Meine Tochter liebt Fußball. Sie kennt jedes Kind aus der Straße.

Es gibt jedoch eine Sache, die ich ganz bestimmt NICHT machen werde: Ich werde meiner Tochter niemals sagen, dass sie sich wie ein SÜßES Mädchen verhalten soll.

Gestern ist mir das mal wieder sehr vor Augen gehalten worden, als ich folgende Situation in einem Café´beobachten konnte:

Ich hatte meine Tochter zur Kita gebracht und wollte in der Bäckerei noch schnell ein Brot kaufen, allerdings entschloss ich mich spontan dazu, mich an einen der Tische zu setzen und einen Kaffee zu trinken. Mir gegenüber saßen zwei Mädchen, beide ungefähr um die 17 Jahre alt. Sie saßen zu zweit an einem Tisch, hatten Kopfhörer auf den Ohren und zwei Laptops standen aufgeklappt vor ihnen. Ich hörte, dass sie ein Referat vorbereiteten. Die Mädchen versuchten offensichtlich zu arbeiten, was einen ungefähr fünfzigjährigen Mann nicht davon abhielt, seinen Stuhl ungebeten an ihren Tisch zu schleppen. Als er ein Gespräch entfachte, warfen sich die Mädchen gegenseitig einen Blick zu, den alle Frauen auf der Welt kennen. Ich hatte gehofft, dass sie Mädels sich nicht ablenken liessen und den Mann stattdessen von ihrem Tisch weisen würden. Stattdessen nahmen sie ihre Kopfhörer ab und statteten sich mit einem falschen Lächeln aus. Sie verbrachten locker zwanzig Minuten damit, mit den Köpfen zu nicken, während dieser Idiot dummes Zeug von sich gab und die Mädels ungehindert voll sabbelte. Ich sah mich in ihrer Situation und bevor ich Mama wurde, hätte ich vielleicht auch genauso reagiert.

Aber an diesem Tag kochte mein Blut. Er beobachtete, wie er sich uneingeladen in ihrem persönlichen Raum zu Hause fühlte. Die Art und Weise, wie dieser Mann mit ihnen über die  Schule sprach, sie nach ihren Facebookseiten fragte und sich nach ihren Wochenendplänen erkundigte, war einfach widerlich. Mama Bär war bereit zum Kampf. Die Mädels fühlten sich sichtlich belästigt. Die Situation war ihnen sehr unangenehm.

Aber sie waren SO. VERDAMMT. NETT

Wir wollen, dass unsere Töchter sich in dieser Welt behaupten können. Gleichzeitig erwartet und schätzt man „süße, kleine Mädchen“, weil sie leicht zu handeln sind. Ist das ein Vorteil für unsere Mädchen? Definitiv nicht.

Mädels, ich würde euch gerne folgendes fragen: Habt ihr euch jemals mit einer unangenehmen Situation abgefunden, weil ihr niemanden „verletzen“ wolltet? Habt ihr jemals klein bei gegeben, weil ihr einen drohenden Konflikt vermeiden wolltet? Dachtest du, du tust das, weil es das Klügste sei, was man als Frau tun kann?

Ich sage euch was: Ich kenne das! Ich will dieses Verhaltensmuster allerdings NICHT an meine Tochter weiter geben.

Als ich sah, wie unwohl diese Mädels sich in der Situation fühlten, machte ich mir plötzlich Sorgen um die Zukunft meiner Tochter. Erziehe ich mein Mädchen dazu, für sich selbst sprechen zu können? Allerdings! Sie ist erst knapp zwei Jahre alt, und weißt du was? Ich habe mich bereits selbst dabei erwischt, wie ich „Komm schon, sei ein liebes Mädchen!“ zu ihr sagte. Verdammt!

Ab jetzt nicht mehr. Zum Teufel damit.

In unserem Haushalt gibt es nur noch ein Mantra, welches wir alle zu befolgen versuchen.

Bist du bereit?

Sei freundlich aber bestimmt, wenn du etwas nicht willst.

Im Falle der Mädels hätte es so laufen können: „Wir arbeiten hier gerade an einem Referat, es stört uns, wenn sie auf uns einreden. Bitte suchen sie sich einen anderen Platz aus.“ Es ist eben nicht unhöflich, „Stopp“ zu sagen, wenn Menschen eine physische Grenze überschreiten. Vielleicht wird es ihnen nicht gefallen. Vielleicht wird es nicht gut aufgenommen. Aber wen interessiert’s? Es geht nicht um sie. Es geht um eigene Grenzen.

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1 Kommentar

  1. Ich habe diese „Mädchen-Erziehung“ leider auch „genossen“ wie vermutlich viele von uns. „Na, das macht eine Dame aber nicht.“ oder ähnliches habe ich häufiger von meinem Vater gehört.

    Das Ergebnis dieser Erziehung wirkt sich bis ins Berufsleben aus. Viele Männer meckern, dass wir Frauen am Gender Pay Gap selber schuld seien, weil wir uns in der Gehaltsverhandlung nicht durchsetzen können. Das liegt aber daran, dass wir erzogen wurden lieb, brav und nett zu sein. Mein Bruder hat solche Sprüche nie hören müssen.

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