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Ein sehr ehrlicher Gastbeitrag von Jule aus Ludwigshafen

Ich fühle mich manchmal total verloren. Ungefähr so, wie, wenn man sein Auto mitten im Parkhaus plötzlich nicht mehr wiederfinden kann. Du weißt, dass du irgendwo geparkt hast; aber dir fällt zum Verrecken nicht ein, wo es steht. Bis du es aber gefunden hast, hast du bereits den Verstand verloren, genauso wie den Mini-Van, der dich dorthin gebracht hat. Du zweifelst auch daran, dass du ihn jemals wiederfinden wirst.

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So fühlte ich mich vor ein paar Wochen in unserer Küche: Verloren auf dem Parkplatz der Erziehung.

Die Freude über die Kinder hat anscheinend auch gleichzeitig sämtliche andere Freude aus meinem Leben gesaugt. Ich war überwältigt von Verpflichtungen, die ich gar nicht alle erfüllen kann. Ich war angewidert, dass das Badezimmer seit über einem Monat nicht mehr geputzt wurde. Ich erinnere mich noch genau daran, dass mein Mann mich morgens noch „Mecker-Ziege“ genannt hatte. Ich bereitete das Mittagessen für meine Tochter vor und schleppte mich von einer Aufgabe zur nächsten. Ich fühlte mich total verloren.

Meine Kinder sind noch klein – meine Tochter ist dreieinhalb Jahre alt und mein Sohn ist jetzt knapp ein Jahr alt – und weil sie so klein sind, fühlen sich manche Tage wie eine absolute Qual an. Zwischen dem Weinen und Jammern der Babys, der Häufigkeit, mit der ich Windeln wechsle oder den Arsch von jemandem abwische, und der Anzahl der Mahlzeiten, die ich jeden Tag mache, sehne ich mich nach Zeit. Zeit, um Dinge erledigen zu können, die ausnahmsweise mal nichts mit meinen Kindern zu tun haben. Zeit um einfach mal rumsitzen zu können. Zeit mit meinem Mann. Zeit für mich ganz allein. Ich sehne mich nur nach Zeit.

Der Mamajob ist das Selbstloseste, was ich je getan habe. Kleine Kinder machen mich aber auch egoistisch. Nach einem Tag, an dem man ununterbrochen mit mir gesprochen, gekuschelt, mich berührt, auf mir geklettert und geweint hat, möchte ich nur einen Ort finden, an dem ich mich verstecken kann, damit mich niemand finden kann. Ich will dann einfach mit niemandem mehr kommunizieren müssen. Ich will nicht, dass mich jemand um etwas bittet. Und ich will nicht, dass mich jemand anfasst.

Meine Freunde und Partner tragen dann die Hauptlast dieser egoistischen Gefühle, und meine Kinder ernten diese egoistischen Gedanken. Wenn mein Sohn vor dem Mittagsschlaf oder zur Schlafenszeit gegen den Schlaf ankämpft, dann denke ich mir so oft: Schlaf jetzt verdammt nochmal endlich ein! Schlaf einfach! Und wenn ich stundenlang mit beiden Kindern auf dem Spielteppich gespielt habe oder ihnen beim Spielen zugesehen habe, komme ich nicht umhin, daran zu denken, wie verdammt gelangweilt ich doch bin. Dann denke ich an all die anderen Dinge, die ich lieber tun würde, anstatt in der Situation zu sein, in der ich gerade bin.

Die beiden. Meine Kinder. Diese zwei Wunder, mit denen ich eigentlich nicht glücklicher sein könnte. Diese zwei kleinen erstaunlichen Menschen, die mein Leben perfekt gemacht haben. Ich wollte sie mehr als alles andere, aber manchmal will ich nichts mehr, als weit weg von ihnen zu sein.

Ich verberge meine Emotionen nicht, aber weinen muss ich tatsächlich fast nie. Ich weinte in dieser Nacht in der Küche wie ein Schlosshund. Mein Mann konnte gut damit umgehen, Gott sei Dank. Er hörte mir zu und liess mich einfach weinen. Außerdem sprachen wir über eine Möglichkeit, wie ich mehr Balance in mein Leben bekommen kann. Er erinnerte mich auch daran, dass es nicht für immer so schwer sein wird. Er half mir auch, den Glauben wiederzufinden, dass ich nicht wirklich verloren bin.

Die Person, die ich war, bevor ich Kinder hatte, ist also immer noch da. Sie ist an manchen Tagen nur schwerer zu finden. Was mich antreibt, sind die alltäglichen Dinge, die mit Kindern so viel Spaß machen. Eine Teeparty mit meiner Tochter z.B. Das Kichern meines Sohnes. Unsere erste Familienwanderung. Das Vor- und Nachbereitungen dieser glückseligen Dinge ist normalerweise anstrengend, stressig oder sogar chaotisch, aber währenddessen ist es wunderschön.

Meine Kinder werden noch viele Jahre klein sein, aber je älter sie werden, umso mehr können wir mit ihnen machen und unternehmen. Sie werden uns immer weniger brauchen. Das gibt mir Hoffnung. Das ist der Optimismus, an den ich mich erinnern muss, damit ich wieder atmen kann. Es ist noch nicht ganz greifbar, aber das wird schon noch. Die sehr reale Möglichkeit, dass ich mich wieder so verloren fühlen werde, ist natürlich genauso auch noch da, zusammen mit dem Gefühl, dass ich meinen Verstand genauso wie den Minivan, der mich ins Parkhaus gebracht hat, verlieren werde.

Ich glaube, ich bin damit nicht alleine. Ich bin ganz normal.

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