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Ein Gastbeitrag von Anna aus Ulm.

Neulich plauderte ich mit einer anderen Mama in einem Kaffee und ich erzählte ihr, das mein Sohn sich anscheinend gerade in der sogenannten Chefphase befand. Ihr wisst schon, dass ist die Phase, in der das Kleinkind nahezu über alles herrschen und bestimmen möchte. Ich erzählte ihr vom vergangenen Abendessen, Luis sagte nämlich plötzlich: „Du sitzt hier, Mami. Nicht da!“ Ich lächelte und setzte mich genau „da“ hin. Das erzählte ich meiner Tischnachbarin. Ihre Reaktion überraschte mich. Sie sagte: „Bitte, du lässt dich von deinem Sohn herum kommandieren?“ Ich weiß nicht mehr genau, wie genau ihr Wortlaut nun genau war aber sie war sichtlich erstaunt über meine Reaktion.

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Die Wahrheit ist: Ja, genau, ich lasse mich von meinem Kleinkind herum kommandieren.

Wisst ihr, dies ist kein „Ich mache das so, also solltest du das auch so machen“ Artikel, aber dieses Gespräch hat mich dennoch zum Nachdenken gebracht. Ich lasse mich also von diesem kleinen Tyrannen leiten. Absichtlich. Ich würde niemals behaupten, eine perfekte Mama zu sein, und ich versuche, andere nicht nach ihrem Erziehungsstil zu beurteilen. Ich bin noch ganz neu hier in diesem Reden-Lernen-Wachsen-Entwickeln-Kleinkind-Ding und auch wenn ich etwas falsch mache, so bitte ich dich, mich wenigstens anzuhören und ausreden zu lassen.

Ich gebe also nach, wenn mein kleiner Junge etwas von mir verlangt und das mache ich aus folgenden Gründen:

1. Es fördert das Vertrauen.
Ich bin keine Psychologin, aber ich würde stark annehmen, dass rechthaberische Kinder zu sehr zuversichtlichen Menschen werden. Sie bauen Befehle in ihre eigene Rede ein, die auf unabhängigem Denken über die Welt um sie herum basiert. Sie benennen die Dinge so, wie sie sind und übernehmen die Verantwortung, basierend auf ihrem jetzigen Wissensstand. Sie führen Gespräche auf der grundlegendsten Ebene überhaupt. Unsere Kinder sind eben noch nicht von einer „Nein“ oder „So funktioniert das nicht“ Welt erschöpft und sie sind noch so verdammt leidenschaftlich.

Ich persönlich will nicht diejenige sein, der für das Platzen der Blase verantwortlich ist. Jedes Mal, wenn ich einem rechthaberischen Befehl folge, sehe ich das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl meines Sohnes wachsen. Ich lasse ihn von Zeit zu Zeit die Führung übernehmen und lebe nach einer „Such dir den Kampf selber aus“-Philosophie. Wenn er will, dass ich beim Abendessen neben ihm sitze, er seine Gummistiefel trägt oder dass ich den kleinen Kinder-Lebensmittelwagen durch jeden Gang schiebe, während er gewissenhaft die Zahnpasta aussucht, weil er schon ein großer Junge ist und er „es kann, Mami“, wenn das also meine Aufgabe in dem Moment ist – Cool. Wenn er allerdings mit der Schere in der Hand anfängt rennen zu wollen, dann erlaube ich das natürlich nicht und zähle von drei rückwärts….Bei drei wird ihm die Schere dann auch konsequent weggenommen.

2. Es bietet mir die Gelegenheit, ihm Manieren (und andere Dinge) beizubringen.
Ich weiß, das hört sich jetzt komisch und unvorstellbar an, aber genau dieses Nachgeben meinerseits bietet meinem Sohn eine tolle Möglichkeit, dazu zu lernen. Wenn nämlich eine von ihm angeführte Forderung oder Anweisung nicht so funktioniert, wie er sich das vorstellt, lernt er, was es heißt Konsequenzen tragen zu müssen. Er lernt auch zu hören und zu gehorchen, wenn er sieht, dass ich seiner Richtung folge und ihn spiegele und er lernt wie man höflich nein sagt, wenn ich es mal nicht tue.

Natürlich sind Kleinkinder nicht immer kooperativ und manchmal auch einfach frech. Das gehört dazu. Wenn er z.B. mit Essen um sich wirft und nach mir tritt oder andere Kinder haut, dann sage ich ihm deutlich, warum dieses bestimmte Verhalten unhöflich oder unwillkommen ist, und dann nehme ich ihn bewusst aus der Situation oder ich verlasse den Raum. Ich ermutige ihn, „bitte“ und „danke“ zu sagen, bevor und nachdem er das, was er von anderen verlangt, in die Tat umsetzt. Und weißt du was? Es funktioniert bei uns meistens hervorragend.

3. Es ist altersgerecht.
Die Realität ist, dass Kleinkindern noch der soziale Scharfsinn fehlt, sie wissen noch nicht, was rechthaberisches Verhalten ist, sie wissen aber sehr wohl, was es bedeutet, gehört und gesehen zu werden. Sie erkennen, wenn wir, die Eltern, ihnen gehorchen und danach handeln. Sie wissen, wie man nach etwas fragt, was man gerne haben möchte, auch wenn sie den Ton dabei nicht immer treffen. Auch wenn sie ununterbrochene Forderungen stellen, besonders solche, die unvernünftig sind – hol mir die Waffel, aber nicht diese Waffel – Forderungen, die uns Eltern insgeheim verrückt machen. Es geht nicht um Macht. Du bist die Mama und dein Kleinkind ist immer noch ein Kleinkind. Es geht darum, Verhaltensweisen zu erlernen, die wir ihnen vorleben. Selbst wenn ich frustriert und total müde bin, achte ich darauf, ihm genau das Verhalten vorzuleben von dem ich möchte, dass er es übernimmt.

Vor den Kindern dachte ich, dass Eltern, die ihre Entschlossenheit verloren hatten, weil sie auf ihre rechthaberischen Kinder gehört hatten, schlichtweg zu faul sind, um anständige Menschen großzuziehen. Vor den Kindern saß ich auf meinem hohen Ross und schüttelte meinen Kopf, wenn ich mitbekam dass ein Kleinkind ihren Eltern den Schlafplatz diktierte und dann prahlte ich noch laut damit, dass ich nie diese Art von Elternteil sein würde.

Vor den Kindern habe ich nicht verstanden, dass Kinder fast immer kooperativ sein wollen, und wir nur lernen müssen, ihren Willen nicht zu brechen, damit sie sich frei entwickeln können.

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1 Kommentar

  1. Hallo!
    Mein Schnuff ist auch gerade sehr bestimmerisch und ich befinde mich zwischen „alles klar machen wir“ oder „strenge Mama“. Ich versuche ihn stets zu spiegeln, zu begleiten etc….. Das fällt mir zur Zeit aber sehr schwer weil ich mich noch fremdbestimmter fühle als so schon als Mutter. Haare schneiden „darf“ ich nicht, das ist OK weil es ihm Angst zu machen scheint wenn jmd an mir rum fummelt aber wenn dann kommt „Mama nein Frühstück essen“ fällt es mir mehr als schwer.

    Der Mittelweg wird es sein und ich werde immer mal wieder daneben laufen.

    Dein Artikel hat mich aber zu der grandiosen Idee gebracht ihm einfach täglich eine gewisse „BestimmerSpielZeit“ einzuräumen…. Ganz übertrieben und mit voller Leidenschaft

    Danke dir dafür…. Auch im Namen meines Spezialsschnuffs

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