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Ein Gastbeitrag von Lena aus Köln

Wenn eine Frau ein Baby bekommt, dann ist eines der ersten Dinge, die alle sofort wissen wollen, folgendes:  „Na, wie war die Geburt?“ „Ging es schnell oder musstest du lange leiden?“ Hattest du ne PDA?“? „Hat es sehr weh getan?“ „Hattest du einen guten Arzt?“ „Normale Geburt oder Kaiserschnitt?“

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Tja, die Geburt meiner ersten Tochter war alles andere als schmerzfrei. Ich lag fast 26 Stunden in den Wehen, bis die Ärzte entdeckten, dass mein Fruchtwasser bereits grün war. Die Entzündungswerte waren irgendwann auch nicht mehr gut und mir war jedes Mittel recht, solange sie dieses Kind nur aus mir raus holen würden. Als dann ihre Herzfrequenz schlechter wurde, war plötzlich klar, dass ich in den OP zum Kaiserschnitt musste.

Ich weiß noch, wie ich dachte: „Gott sei Dank, endlich tut sich was!“ Ich war sowas von bereit. Ich fühlte mich total beschissen und wollte nur noch mein Baby in die Arme schliessen. Der Moment, indem ich mein Mädchen schreien hörte war soooo schön! Alles war gut! Ich musste mich um nichts mehr kümmern. Ich bekam Medikamente gegen die Übelkeit, wurde fachmännisch vernäht und meiner Tochter ging es super. Ein HOCH auf den Kaiserschnitt!

Ich war reichlich verwirrt, als dann im Nachgang einige Leute „Oh, du hattest einen Kaiserschnitt? Das tut mir aber leid!“ zu mir sagten. Bitte? Ich habe gerade ein Kind und keinen Alien auf die Welt gebracht. Warum tut dir das leid? Sie ist perfekt, wir fahren als Familie Hause, Ende der Geschichte. Meine Bauchmuskeln werden bestimmt nie mehr die gleichen sein, aber das waren sie ja seit längerem nicht mehr. SO WHAT?!?

Im Laufe der Zeit erntete ich zeitweise auch traurige Blicke, wenn jemand z.B. mal nicht sein Mitleid aktiv aussprechen wollte. Es gab dann diesen mitleidigen Blick, den man jemandem zuwirft, wenn derjenige sagt, dass seine ganze Familie mit dem Noro Virus flach liegt. Das Schlimmste, was mal jemand zu mir gesagt hat, war „Es tut mir so leid, dass dir keine normale Geburt gegönnt wurde.“ Bitte was? Ich hatte also KEINE Geburt? War ich dann vielleicht auch gar nicht schwanger und habe mir das nur eingebildet? Wuchs in mir nicht genau das Baby heran, das jetzt gerade aus meiner linken Brust trinkt, während wir hier sprechen?

Dauernd lesen wir, wie toll es doch ist, dass es Kaiserschnitte überhaupt gibt und dann hat eine Frau einen und schon wird sie bemitleidet. Das ist doch verrückt! Ich weiß, dass es schön ist, wenn man vaginal entbinden kann, aber das heißt doch nicht automatisch, dass das DER WEG SEIN MUSS, um zufrieden zu sein.

Ach, wahrscheinlich ist es albern, sich darüber aufzuregen, denn wenn ich vaginal entbunden hätte, dann hätte ich mir bestimmt auch Dinge anhören können, wie: „Puhhh, sei froh, dass alles gut gegangen ist. Ein Kaiserschnitt ist doch viel sicherer!“ Um es kurz zu machen: Frauen sollten sich stolz auf ihre Leistung fühlen dürfen, egal, ob sie nun vaginal oder per Kaiserschnitt entbunden haben. Es ist EGAAAAAAAL!

Ich sage nicht, dass es keine Frauen gibt, die, weil sie einen Kaiserschnitt hatten, durchaus enttäuscht sind. Wenn also Menschen zu dir kommen und dir sagen, dass sie traurig über den Ausgang der Geburt sind, oder dass sie traumatisiert sind, dann ist es durchaus sinnvoll, dass du Mitgefühl zeigst und bitte auch fragst, wie du helfen kannst. Aber es ist nicht in Ordnung, immer direkt davon auszugehen, dass jemand, der eine vaginale Entbindung hatte, grundsätzlich glücklicher ist als jemand einen Kaiserschnitt hatte.

Bei meiner zweiten Geburt entschied sich meine Gebärmutter unter der Geburt zu reissen und wir wären beide fast gestorben. Ich musste diesmal wieder in den Operationssaal und ein Kaiserschnitt rettete mir und meinem Sohn das Leben.

Willst du mal wissen, was mir meine Kaiserschnittnarbe bedeutet? Sie erinnert mich daran, dass ich meine Kinder aufwachsen sehen darf. Das heißt, wenn meine Kinder fünfzig Jahre zuvor geboren wären, dann könnte ich sie nicht aufwachsen sehen. Diese Narbe zu haben, bedeutet, dass ich heute zum dritten Mal zusehen darf, wie mein Sohn nach einem weiteren Nutella Toast fragt. Ohne diese Narbe könnte ich heute nicht den Geschichten meiner Tochter lauschen. Der Kaiserschnitt hat es uns ermöglicht, dass ich beide Kinder glücklich in den Kindergarten schicken darf. Dank dieser Narbe kann ich miterleben, wie mein Sohn seine ersten Worte sagt. Dank dieser Narbe kann ich mich um alle Familienmitglieder kümmern, wenn sie alle den Magen-Darm-Virus haben. Letztlich ermöglichte mir der Kaiserschnitt auch, dass ich euch diesen Gastbeitrag schreiben konnte.

Meine Kaiserschnitte tun mir nicht leid. Die Geburtserlebnisse sind nicht schön, das gebe ich zu, aber das hat nichts mit dem Kaiserschnitt an sich zu tun. Am Ende zählt doch das Endergebnis, oder? Das Ergebnis sind meine beiden gesunden, wundervollen Kinder. Ich bin so dankbar, dass ich in einer Zeit leben darf, in der die Medizin derartige Fortschritte gemacht hat, um mir die Familie zu ermöglichen, nach der ich mich so lange gesehnt habe.

Es kommt also auf die Wortwahl innerhalb der Kommunikation an. Frauen, die gerade ein Baby bekommen haben, sind besonders verletzlich. Wenn du also das nächste Mal auf  eine Mutter triffst, die gerade einen Kaiserschnitt hatte, dann gratuliere ihr einfach. Mehr nicht.

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