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Ein Gastbeitrag von Annika aus Baden Baden.

Ich war immer schon dieses „seltsame Kind“. Es gibt einige gute Gründe dafür, aber die spielen im Moment keine Rolle. Es genügt, euch zu erzählen, dass ich seltsam war, immer noch seltsam bin und wahrscheinlich immer seltsam sein werde. Ich passe einfach nicht ins Bild. Ich erlebte die Brutalität des Mobbings von klein auf an, und auch wenn mir eine Kunsthochschule einen Sommer lang den Raum zur Entfaltung ermöglichte, war ich, als ich das Sommercamp wieder verließ, wieder genauso hilflos wie eh und je. Ich passe nicht ins Bild einer perfekten Mutter. Ich passe nicht ins Bild einer Angestellten. Ich bin fast immer irgendwie peinlich, grundsätzlich ein paar Minuten zu spät und ich erwische wirklich jedes Fettnäpfchen. Im Grunde genommen bin ich verdammt uncool.

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Aldi verkauft ein Getränk namens Red Thunder. Es ist wie Red Bull, nur günstiger. Ich fühle mich die meiste Zeit wie ein Red Thunder. Wie eine Art markenfremder Mensch, etwas, das nicht ganz richtig ist. Ich beschäftige mich nicht  mit den neusten Trends – diese Tatsache brachte mir den Spitznamen „Oma“ ein.

Ich bin wirklich seltsam. Ich schaffte es in der Schule schon nicht, zu den angesagten Mädels zu gehören. Mein Sinn für Mode hat sich seit 1990 nicht wirklich weiterentwickelt, allein das ist doch schon eigenartig. Ich werde ganz schnell süchtig: Nach Netflix Serien z.B. und nach Punk Rock Bands. Alle diese Dinge kennt allerdings kein Schwein. Wenn ich euch jetzt von meiner Lieblingsband erzähle, dann kennt die vielleicht 1 von 1000. Du hast vielleicht schon mal von meiner Lieblingsserie gehört, aber ich wette, du hast sie noch nie gesehen. Wir haben wahrscheinlich nichts gemeinsam, außer vielleicht, dass wir beide jeweils  Kinder erziehen, und selbst wenn wir beide uns über dieses Thema unterhalten würden, würdest du ziemlich schnell merken, dass ich alles andere als normal bin. Jemand hat mich kürzlich „Außenseiterin“ genannt. Es war als Kompliment gedacht. Es fühlte sich allerdings nicht so an.

Im Grunde genommen kenne ich das Gefühl schon lange, eine „Außenseiterin“ zu sein. Es tut mir leider auch heute noch in der Seele weh. Es tat auch weh, als ich herausfand, dass die Mütter aus der Kita eine Spielverabredungen planten und mich ausdrücklich nicht einluden. Es tat weh, als ich langsam merkte, dass eine Gruppe von Freunden gar nicht wirklich Freunde waren. Es tat weh, als mir klar wurde, dass ich anscheinend der Grund für viele Witze bin. Ich habe immer sehr lange gebraucht, um über die jeweilige Verletzung hinwegzukommen. Ich habe Monate damit verbracht, an meinem eigenen Selbstzweifel zu ersticken. Ich gerate in Panik wegen meines Selbstwertgefühls. Ich fühlte mich, als würde ich mit einem großen L auf der Stirn herumlaufen.

Dieses „Anderssein“ ist nicht einfach, es kann weh tun. Menschen wir ich beobachten andere Menschen und hassen die Leichtigkeit, mit der sie durchs Leben gleiten, wir hassen ihre Kommunikationsfähigkeit und ihr daraus resultierendes sicheres Auftreten. Derartige Menschen wissen immer genau, wann sie etwas Passendes zu sagen haben. Es passt immer. Dann stolperst du rein, und sie starren dich an, und du fühlst dich wie ein Außerirdischer von einem weniger schönen Planeten. Du hörst sie über dich lachen, von unten im Flur, von der anderen Seite des Zimmers, von der Treppe aus. Aber du lernst schließlich, dieses Lachen auszublenden. Du lernst, dich nicht darum zu kümmern. Du lernst, du selbst zu sein, denn offen gesagt, gibt es niemanden, der so ist wie du. Man kann es akzeptieren oder man kann sich dagegen wehren, und ehrlich gesagt ist es viel einfacher irgendwann nachzugeben und sich selbst zu akzeptieren.

Und genau in dieser Entscheidung liegt deine Macht: Die Macht, um seine eigenen Entscheidungen zu treffen, die Macht, um sein eigenes Ding durchzuziehen. Am Anfang mag das komisch sein. Komisch, weil du genau weißt, dass du jetzt deine eigenen  Entscheidungen triffst. Du weißt um deine Authentizität, und das können nicht viele Leute von sich sagen. Und irgendwann lernt man auch, sich umzudrehen und „Fick dich“ zu sagen. Du triffst den Entschluss Menschen zu finden, die so sind wie du.

Und dann gehst du aus.

Und du findest sie.

Und sie sind vielleicht ganz anders als du. Sie sind entzückend, wunderbar, verrückt und auch sehr seltsam. Dein bester Freund wird vielleicht immer einen Anzug tragen. Deine beste Freundin wird Ihren Kindern bereits im Alter von 2 Jahren alle Namen von dornigen Pflanzen beibringen. Dein Ehepartner rezitiert das Meeresleben wie Poesie. Ein Freund wird vielleicht die blutigsten Horrorfilme lieben. Ein anderer wird acht Katzen haben und schockierend gute Gedichte schreiben. Wiederum ein anderer wird von der lokalen Politik wie besessen sein. Ein drittes wird ein Mädchen mit einem der freundlichsten und wildesten Herzen sein, die du kennst. Du wirst sie alle lieben.

Und sie werden dich lieben.

Sie lieben deine Seltsamkeit und Verrücktheit und Unbeholfenheit und alles, was dich ausmacht.

Verurteile niemanden, in dessen Schuhe du nicht mindestens zwei Kilometer gelaufen bist.

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3 Kommentare

  1. Oh, ich bewundere Dich, dass du es geschafft hast, Freunde zu finden. Hast du doch, oder?

    Ich schaffte es nicht, ich begann mich einzuigeln, um nicht mehr verletzt zu werden und um dieses Anderssein nicht mehr zu fühlen.

    Ich gehe nur noch raus, um die Kinder zu bringen oder abzuholen oder um einzukaufen.

    Es tut trotzdem weh. Vor allen wegen der Kinder. Ich will nicht so eine komische Mutter sein, ich will nicht, dass sie sich irgendwann für mich schämen…

    Ich wünsche Dir ganz viel Glück, viele verrückte, liebe Leute und ein starkes Herz 🙂

  2. Als käme der Artikel von mir! Du sprichst mir aus der Seele, auch du, Sandria. Schade das ich wenn ich mich überwinde raus zu gehen die anderen Mütter die so empfinden nicht treffe- weil sie Zuhause sind, oder aber ebenso schlecht in Smalltalk sind wie ich, man gar nicht wirklich Kontakt aufbauen kann. Es ist leider nicht wirklich ein Trost zu wissen das es noch andere gibt, schöner wäre es sich finden und treffen zu können.

    GlG LaLa

  3. Das könnte gut ich sein…. mir ging und geht es ähnlich.
    Ich war immer eine Außenseiterin und ich werde immer eine bleiben – damit habe ich mich abgefunden.
    Und es ist nicht so, als hätte ich sie nicht gefunden, diese tollen Freunde, die ebenso anders sind, wie ich es bin. Leider wohnen die aber alle recht weit weg, was den Alltag nicht unbedingt erleichtert. Und schmerzt es doch noch öfter, das nirgendwo dazugehören.

    Eines meiner Kinder ist ebenso ein Außenseiter, wie ich es war. Und es tut furchtbar weh, mit ansehen zu müssen, dass mein Kind durch den gleichen Mist durch muss, wie ich. Aber viel mehr, als immer wieder zu trösten, erklären und unterstützen bleibt mir ja leider nicht.

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