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Ein Gastbeitrag von Stephanie aus Wien.

Du hast völlig Recht. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn ein Neugeborenes in meinen Armen stirbt, aber ich kann mir das Trauma und den unglaublichen Schmerz, den du erleben musstest, als du deinem Baby beim letzten Atemzug zusehen musstest, wirklich vorstellen. Das kann ich wirklich. Und es tut mir so unendlich leid, dass du ohne dein Kind weiter leben musst.

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Mein Herz bricht, weil ich diesen erdrückenden Herzschmerz kenne, den man verspürt, wenn man sein Baby verliert.

Aber du musst dir über etwas im Klaren sein.

Der Verlust eines Babys nach der Geburt schmälert in keiner Weisen den Verlust meines Kindes in der 20.ten Schwangerschaftswoche. Oder den Verlust meines Kindes in der 6.ten Schwangerschaftswoche. Dein Verlust sieht anders aus, ganz klar. Und deine Trauer sieht wahrscheinlich auch anders aus. Dennoch ich bin für meine Babys genauso eine Mutter wie du für deine.

Ich bin mir nicht sicher, warum du das Bedürfnis verspürst, meine Trauer mit deiner vergleichen zu müssen. Überwiegen die Unterschiede in unseren Erfahrungen wirklich die der Gemeinsamkeiten? Wir beide liebten unsere Babys. Und wir beide haben das Krankenhaus ohne sie verlassen müssen. Besitzen wir nicht genug Gemeinsamkeiten, um die Trauer des anderen zu unterstützen, anstatt sie permanent verteidigen zu müssen?

Du hast mich davon abgehalten, offen über meine Babys und meine Trauer zu reden. Du sagtest, dass du mich nicht verstehst, weil du anscheinend glaubst, dass nur vollständig ausgetragene Babys würdig genug sind, um um sie trauern zu dürfen. Das muss man sich mal vorstellen. Du denkst, nur weil deine Schwangerschaft länger dauerte als meine, macht das den Verlust meines Babys unbedeutender.

Genau du solltest doch wissen, dass die zwei rosa Linien auf dem Schwangerschaftstests das Leben meiner Babys offiziell bestätigte. Diese beiden rosa Linien haben mir meine Reise ins Glück bestätigt, genauso wie sie es für dich getan haben. Ich hoffte, mein restliches Leben mit meinen Kindern verbringen zu können, sie aufwachsen sehen zu können und am Ende eine ebenso wunderbare Großmutter für ihre Kinder werden zu dürfen. Und ich schätze, genau so hattest du es auch vor.

Du sagst, dass meine Erfahrungen im Gegensatz zu deinen nichtig und klein sind. Und vielleicht hast du auch Recht. Mein Verlust in der 6.ten Schwangerschaftswoche hinterließ mir kaum Beweise auf das Leben, das mal da gewesen war. Und mein Verlust in der fortgeschrittenen Schwangerschaft erlaubte es mir nicht, mein Baby atmen sehen zu können. Und obwohl unsere Erfahrungen so unterschiedlich waren, so nahmen beide das gleiche Ende. Ein Ende mit Babys, die es nie nach Hause geschafft haben.

Du sagtest mir auch noch, dass ich „keine Ahnung“ habe, wie es sich anfühlt, ein Kind verlieren zu müssen. Aber du könntest nicht falscher liegen.

Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, denn auch ich habe ein totes Baby in meinen Armen gehalten. Ein Baby, dessen kleine Tritte mich für eine kurze Zeit schwindlig vor Glück gemacht haben. Ein Baby, das vielleicht kleiner war als deins, aber es war mit 10 Fingern und 10 Zehen ausgestattet, genauso wie deins. Ein Baby mit zwei wunderschönen Augen und der Nase seiner großen Schwester. Ein Baby, dessen Herz bis kurz vor der Geburt noch kräftig schlug. Ein Baby, das in den Armen einer Krankenschwester verschwand, nur um nie wieder gesehen zu werden.

Ich habe wochenlang geblutet. Meine Brüste waren mit Milch gefüllt. Mein Babybauch ist geblieben. Jedes Detail dieser Schwangerschaft ist eine Erinnerung an das, was ich hätte haben können, aber nie erleben durfte. Und ich wette, ich kann das Gleiche über dich sagen.

Und während der Verlust meines Babys in der 6.ten Schwangerschaft nicht den gleichen Beweis auf ein Leben erbrachte, wusste ich dennoch, dass mein Baby existierte und gleichzeitig wusste ich, dass das Leben, das ich mir vorgestellt hatte, niemals stattfinden würde.

Meine Reaktionen auf jede meiner stillen Geburten war ähnlich. Ich schluchzte. Ich habe mich im Bett verkrochen. Ich fühlte mich für eine Weile völlig leblos. Allerdings sah meine Trauer nach jedem Verlust anders aus, denn jeder Verlust hatte seine eigenen Eigenschaften. Aber „anders“ heißt nicht automatisch „weniger wertvoll!“

Und genauso unterschiedlich meine Trauer auch wahr, genauso anders und unterschiedlich fühlst auch du. Es gibt keinen Grund, Vergleiche ziehen zu müssen. Ich habe deine Trauer nicht erlebt, und du hast meine nicht erlebt. Wir können jedoch gegenseitig anerkennen, dass wir beide einen Grund zur Trauer haben.

Ich habe großes Mitgefühl für dich, da ich weiß, dass auch du durch die tiefes Tal der Trauer gehst. Brachiale Trauer, die zu dem Glauben führen kann, dass dein Leiden größer ist als das Leiden eines anderen. Und das ist in Ordnung so. Ich bin im selben Boot.

Ich werde also mit dir um dein Baby trauern, und ich werde dir zuhören, wenn deine Trauer ein Ventil braucht. Aber ich werde nie damit aufhören, offen über meine Babys zu reden, die nicht mehr hier sind.

Und ich werde mich niemals dafür schämen, offen und ehrlich um sie zu trauern.

Es waren meine Kinder. Ich war ihre Mama und werde es immer sein. Genau wie du.

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