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Ein Gastbeitrag von Susanne aus Potsdam

Einen 3-Jährigen zu Fuß durch den Supermarkt laufen zu lassen, ist, wie mit einem Welpe ohne Leine spazieren zu gehen: Sie bleiben alle zwei Meter stehen, um sich etwas anzuschauen und innerhalb weniger Sekunden sind sie plötzlich komplett aus dem Sichtfeld der Mutter verschwunden. Mir waren die Risiken total bewusst aber ich war einfach zu müde, um mit meiner dreijährigen Tochter zu streiten, sie wollte laufen, Ende der Geschichte. Außerdem hatte ich mein müdes fünf Monate altes Baby dabei, um das ich mich parallel auch noch kümmern musste. Ich ließ also meine dreijährige Tochter zu Fuß durch den Supermarkt bummeln, anstatt sie im Einkaufswagen umher zu kutschieren.

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Sie verweilte bei den flauschigen Schmetterlingshausschuhen und warf mir ihre schönsten Welpenaugen zu. Sie hat für 25 Minuten genug Willenskraft aufbringen können, um tatsächlich auf wundersame Art und Weise vorwärts zu kommen. Bis wir zur Kasse kamen.

Die Augen meines kleinen Mädchens waren auf eine große Tüte von M & Ms gerichtet, die natürlich genau auf Augenhöhe platziert wurden. Verdammt, diese verfluchten, klugen Marketingleute mit ihren strategischen Platzierungen von Süßigkeiten und Erfrischungsgetränken, unnötigen Lippenstiften und Schrottmagazinen. Gerade als ich mir selbst, für einen erfolgreichen Ausflug mit zwei kleinen Menschen, ein High- Five geben wollte, kippte die Stimmung dramatisch und ich wusste welches Unheil mir drohte.

„Komm schon, Süße“, sagte ich mit meiner süßesten Mamistimme, ein nervöses Lächeln lag auf meinem Gesicht. „Keine Süßigkeiten heute. Die magst du doch außerdem überhaupt nicht. “

Sie sah mich an, als wäre ich komplett verrückt geworden. Welches Kleinkind mag bitte keine kleinen, farbigen Schokoladenlinsen? DUMME IDEE!

„Ich liebe die!“, jammerte sie, dann warf sie sich auf den schmutzigen Boden und schluchzte. Das fest schlafende Baby wachte auf und ergänzte das Geschrei mit lautem Geheule. Ich stellte meinen Wagen ab und bückte mich, um mit meiner älteren Tochter zu sprechen, die ihren Schreien bereits Tritte hinzufügte, während sich das Baby an meiner Brust entlang schlängelte und nach meinem Busen suchte.

Und dann passierte es. Ein Mann um die 60 Jahre kam mit bösem Blick auf mich zu. „Was stimmt denn mit diesem Kind nicht?“, fragte er wütend. „Ihr Kind dreht hier ja völlig durch, warum nehmen sie sie auch mit zum Einkaufen!“, schrie er. Dann schlenderte er davon und ließ mich mit meinem heulenden Kleinkind und dem schluchzenden Baby einfach so zurück.

Ich war geschockt. Bis zu diesem Moment hatte ich mich noch nie gefragt, ob etwas mit meinem Kind nicht stimmte. Sicher, sie war resolut und willensstark und ja, ich hatte mir dieses Buch über temperamentvolle Kinder gekauft. Aber es kam mir nie in den Sinn, dass mein Kind irgendwie „falsch“ war. Mein Mädchen ist genauso, wie sie ist- komplett richtig – ein sprudelndes, emotionales, Wunder, das zwar nicht immer den Anweisungen folgt oder gar die richtigen Entscheidungen trifft ABER erwähnte ich bereits, dass sie erst drei Jahre alt ist? WTF!

Ich wollte am liebsten meine Kinder schnappen und davonlaufen. Aber ich wollte auch diesem unhöflichen Arschloch hinterherlaufen und mit ihm ein ernstes Gespräch führen. Wie konnte er es wagen, zu sagen, dass etwas mit meinem Kind „nicht stimmt“? Ich stimme zu, dass ihr Verhalten nicht gerade vorbildlich war, aber das bedeutete noch lange nicht, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war.

Kinder sind die jüngsten Mitglieder der menschlichen Rasse. Das bedeutet auch, dass sie alle Emotionen noch sehr intensiv erleben, weil sie ja immer noch lernen, wie sie mit ihnen umgehen können. Manchmal machen sie Dinge, die uns ärgern oder frustrieren. Manchmal sind sie laut oder nervig und manchmal sind sie uns sogar unangenehm. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass etwas mit ihnen „falsch“ ist. Sie benehmen sich wie kleine Menschen, die sie nunmal sind. Mit all ihren großen Gefühlen und Wutausbrüchen, dem Kichern, Quieken und dem Kreischen. Das machen Kinder halt. Sie sind oft laut und wollen so auf sich aufmerksam machen.

Durch unserer Kinder fühlen wir selbst uns manchmal unwohl. Sie beschämen und frustrieren uns. Sie tun Dinge, die wir ihnen eigentlich ausdrücklich verboten haben. Sie weigern sich, uns dann zu folgen, wenn wir es uns am dringendsten wünschen. Aber HEY, verdammt! Das ist ganz normal! Sie erforschen die Welt um sie herum und sie erleben intensive Emotionen und die daraus resultierenden Auswirkungen. Sie werden nicht mit der Fähigkeit geboren, ihre Gefühle kontrollieren zu können. Ein Wissen darüber, was richtig und falsch ist, ist ebenfalls nicht angeboren. Sie handeln instinktiv, ohne die Menschen um sie herum dabei zu berücksichtigen. Und genau so sollen sie sich auch verhalten dürfen. ES SIND KINDER!

Unsere Aufgabe als Eltern und verantwortungsvolle Erwachsene ist es, ihnen geduldig und deutlich beizubringen, wie sie ihre Gefühle kontrollieren können, damit sie später mit akzeptablem, rücksichtsvollem Verhalten darauf antworten können. Soweit es mich betrifft, ist nichts „falsch“ mit Kindern, egal was sie tun oder sagen. Ihr Verhalten kann zwar falsch, schlimm oder gefährlich sein, aber sie selbst sind niemals falsch. Es ist mehr als schädlich für die psychische Entwicklung eines Kindes, wenn Erwachsene so tun, als wäre an dem Kind selbst etwas falsch. Ein Kind verinnerlicht eine solche Aussage schnell und beginnt zu glauben, dass es nicht liebenswert ist und dass es eventuell sogar unerwünscht ist.

Wenn du nun denkst, dass ich das Verhalten meines Kindes einfach hinnehme oder gar ignoriere, denke bitte noch einmal darüber nach. Wenn mein Kind sich daneben benimmt, tue ich nicht so, als ob es ok wäre oder lasse es weitermachen. Ich bitte es, aufzuhören und wenn es das nicht kann, verlasse ich den Ort an dem wir uns gerade befinden. Ich kann dir, Fremder an der Kasse, nicht zustimmen, dass das Verhalten meines Kindes nicht akzeptabel ist. Ich glaube nicht daran, das es richtig ist, meine Kinder in der Öffentlichkeit zu rügen, denn das ist ein sicherer Weg, ihr sich entwickelndes Selbstwertgefühl zu untergraben. Ich warte bis mein Kind und ich uns beruhigt haben. Erst dann erkläre ich ihr, was an ihrem Verhalten nicht in Ordnung war, und bringe ihr bei, wie sie es das nächste Mal besser machen kann und gleichzeitig bringe ich Verständnis für ihre Gefühle mit.

Es ist nichts falsch daran, enttäuscht und aufgebracht zu sein. Das sind Emotionen, die wir alle haben. Es geht nicht darum, diese Emotionen als „falsch“ abzustempeln, sondern es geht darum, zu lernen, wie man mit ihnen umgeht. Wir lernen, wie man das mit der Zeit und mit Übung hin bekommt. Kinder lernen täglich dazu und sie brauchen unsere Hilfe und Empathie, nicht unsere wütenden Gesichter und Zeigefinger.

Es ist nichts falsch daran, ein Kind zu sein.

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