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Als Mama fragt man sich irgendwann unwillkürlich, ob man das, was man jeden Tag tut oder auch nicht tut, denn eigentlich grundsätzlich richtig ist. Kindererziehung – allein das Wort jagt mir einen kräftigen Schauer über den Rücken, weil ich zu keinem Zeitpunkt der letzten 6 Jahre das Gefühl hatte, ich müsse meine Tochter erziehen. Sie kam bereits „fertig“auf die Welt. Ich glaube, dass die Grundzüge eines Menschen sehr wohl von Anfang an DA sind, sie sind kleine fertige Menschen, wenn ihr so wollt. Deswegen mag ich den Ansatz der BEziehung lieber, als den der ERziehung. Dazu kann ich sagen, dass der Unterschied für mich immens ist: Wenn ich mit einem Menschen eine Beziehung eingehe, dann beziehen sich beide Parteien aufeinander. Das schliesst ein, dass jeder etwas vom jeweils anderen lernt. Ich meine, das merkt man doch bei Freundschaften und langjährigen Partnerschaften auch, oder? Beziehungen verändern Menschen. Erziehung hat einen bitteren Beigeschmack, wenn ihr mich fragt. Natürlich bringe ich meinem Kind bei, dass es gewisse Regeln innerhalb von Gemeinschaften gibt, aber ich kann ihr das nicht auferlegen, ich kann sie nur DURCH die Erlebnisse begleiten und ihr vormachen, wie ich es mache.

Gucken wir uns mal eine typische Situation im Kleinkindalter an. Das Kind entdeckt in Augenhöhe ein Objekt der Begierde, sei es ein Ü-Ei oder ein Bonbon oder was auch immer. Es hat den Wunsch, dieses gerne besitzen zu wollen, weil es glitzert oder weil es gut schmeckt….Vielleicht kann das Kind äußern, dass es diesen Gegenstand haben möchte, vielleicht kommt auch nur ein:“ Daaa, Mama!“ aus ihm heraus. Die Mama findet, das es NICHT gekauft werden sollte. Das ist ihr gutes Recht, vielleicht ist es ungesund oder zu teuer oder oder……Anstatt in die Beziehung zu gehen und dem Kind zu sagen, dass man GUT verstehen kann, dass es dieses Objekt haben möchte und nun verständlicherweise frustriert ist, weil es das nun nicht gibt, kommt ein: „Gibt es nicht!“ aus der Mutter heraus. Das kleine Kind hat viele negative Gefühle im Bauch, die es nicht äußern kann und es fängt an zu weinen und zu schreien. Da ist dann ganz viel Wut über das nicht verstanden werden und viel Wut, weil man nicht Ernst genommen wird, da. Versteht mich nicht falsch, Kleinkinder können wahnsinnige Wutausbrüche haben, die verdammt anstrengend sein können aber mein heutiger Beitrag soll zum Umdenken anregen, die ein oder andere Situation mal wieder durch die eigenen Augen zu betrachten. Denn nochmal: Kinder sind vollwertige kleine Menschen, wir dürfen ihnen, nur weil sie körperlich unterlegen sind, die Gefühle in all ihren Facetten NICHT einfach so absprechen…..

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Stellt euch also folgende Situationen einmal vor……

  1. „Das war doch jetzt nicht so schlimm, stell dich nicht so an!“ 

Du bist mit deinem Mann unterwegs, ihr macht einen schönen Spaziergang und du merkst, dass dies nicht dein Tag ist. Die Beine sind schwerer als sonst, du hast vielleicht schlecht geschlafen und irgendwie bist du nicht auf der Höhe. Dann rutschst du aus und landest zwar auf weichem Rasen aber du hast dich sehr erschrocken. Die Hose hat einen Grasfleck und der Schreck sitzt dir in den Knochen. Dein Mann schaut dich an, er lacht und sagt: „Steh auf, das war nicht schlimm. Es ist ja NICHTS passiert. ICH will jetzt weiter!“ Wie fühlt sich das für dich an? Was erwartest du eigentlich von ihm? Du wünschst dir doch, dass er dich in den Arm nimmt und so etwas sagt, wie: „Och Mensch, Süße, du bist ausgerutscht, da erschrickt man sich, bestimmt, oder? Wollen wir kurz eine Pause machen?“

Fazit: Wir können, nur weil wir erwachsen sind, NICHT die Gefühle eines Kindes definieren, WEIL wir NICHT in der Haut desjenigen stecken. Wir können nicht bestimmen, ob ein Kind sich NICHT erschrecken darf, weil es uns nicht zusteht, die Gefühle von jemand anderem definieren zu wollen.

2. „Du musst dein Spielzeug teilen!“ 

Wieder eine Alltagssituation: Du hast zum Geburtstag endlich ein langersehntes Geschenk bekommen. Du freust dich wie verrückt und packst es aus. Ein Haarglätter! Den hast du dir schon so lange gewünscht. Deine Freundinnen wollen alle sofort mit dir ins Bad und alle wollen ihre Haare glätten. SOFORT! Du hast noch nicht mal die Verpackung geöffnet und schon reißen alle dran rum. Natürlich möchtest du sie nicht enttäuschen aber vielleicht möchtest du in Ruhe selber probieren, was dir da geschenkt wurde.

Fazit: Kinder haben diese Gefühle auch. Sie sind stolz auf das, was ihnen geschenkt wurde und Kinder wollen andere Kinder NICHT bewusst unglücklich machen. Indem wir ihnen aber keine Chance dazu lassen, sich selber ein Tempo zum TEILEN und ABGEBEN zu überlegen, wie sollen sie lernen, aus Freude zu teilen? Das geht meiner Meinung nach nicht. Wir können ihnen erklären, dass das andere Kind gerne auch mit dem neuen Sandspielzeug spielen möchte und vielleicht macht es zu zweit sogar mehr Spaß aber wenn der Wunsch nicht da ist, dann akzeptiere ich das als Mutter.

3. „Du musst aber langsam mal alleine schlafen!“

Du bist sehr verliebt. Du fühlst dich sehr wohl in der Nähe deines Partners/deiner Partnerin. Sie/Er erdet dich. Ihr wohnt in einer Wohnung und teilt euch das Bett. HERRLICH. Gemeinsam aufstehen und gemeinsam einschlafen, das gibt dir ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit. Drei Jahre später beschliesst dein Partner, dass es besser wäre, wenn du alleine in einem anderen Zimmer schläfst. Alleine. Auf die Frage nach dem WARUM, antwortet er/sie dir: „Na, weil alle großen Frauen das so machen!“ Ja, da kommt Freude auf. Weil alle das so machen. Wollen wir das unseren Kindern beibringen? Weil ALLE so handeln, muss man das auch so machen?

Fazit: Niemand hat das Recht, einem Kind das Gefühl nach Nähe und Geborgenheit abzusprechen. Wenn ein Kind mit vier oder fünf oder auch zehn Jahren noch gerne mit den Eltern zusammen in einem Bett schläft, DANN ist das so. Ich finde den Wunsch der Eltern, auch mal wieder ein Bett für sich haben zu wollen, wirklich legitim. Ich verstehe das. Ich glaube aber auch, dass es für eine Kinderseele sehr wichtig ist, selber entscheiden zu dürfen, wann es bereit dazu ist, alleine schlafen zu KÖNNEN. Ein Bett im Zimmer der Eltern kann auch helfen. Kein Mensch schläft gerne allein. Und wenn doch, dann äußert der Mensch das irgendwann.

4. „Das kannst du nicht anziehen, das ist was für Mädchen/Jungs!“

Ich gebe zu, das ist eines meiner Highlight-Sätze. Ich höre das noch so oft in meiner Umgebung. Blau ist für Jungs und rosa ist für Mädchen. Ahja. Demnach sind Jeanshosen auch nur für Männer und Röcke nur für Frauen. Ahhhja, und das rosa Hemd, was der Papa zum Anzug trägt ist dann Moment mal, eigentlich ein Frauenhemd? Und Mama, die keine Röcke mag und lieber Jeans trägt ist dann eigentlich ein Mann? Verwirrend, oder? Du möchtest morgens vor der Arbeit also sehr gerne deine Jeans und ein blaues Polohemd anziehen. Auf der Arbeit stehen dann schon zehn Leute parat, die dich angaffen und dir sagen, dass du ja anscheinend doch keine Frau sondern offensichtlich ein Mann bist, weil du dich so anziehst. Absurd, oder?

Fazit: Stereotype Rollenbilder werden uns vermittelt. In der Werbung, im Spielzeugladen und leider auch allzu oft in der Kita. Und in Bilderbüchern. Ich mag das leider gar nicht. Ruby hat einen ziemlich guten Freund, der monatelang im Elsa-Kleid in die Kita kam. Er trägt Glitzerhaarspangen und er spielt gerne mit Autos. Dieses Kind ist ganz normal. Er mag Glitzer und er mag Kleider und er mag auch Autos. Mädchen mögen blau, sie mögen Schwerter und Autos und vielleicht auch Puppen. Vielleicht aber auch nicht. Kinder wissen noch nichts von Rollenklischees, WIR vermitteln sie erst. Wir müssen unseren Kindern früh genug sagen, dass es in Ordnung ist, so zu sein, wie man eben ist. Jeder darf das mögen, was er mag und wenn das bei einem kleinen Jungen ein Kleid ist, dann ist das in Ordnung.

Er ist länger geworden, als ich dachte, mein Text. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und ich habe noch keinen Erziehungsratgeber komplett durchgelesen. Ich möchte nur wein wenig dazu beitragen, dass wir diesen kleinen Menschen NICHT ihre Gefühle absprechen, nur weil wir zufällig etwas älter sind. Gefühle kennen kein Alter, keine Religionszugehörigkeit und keine Farbe.

Gefühle sind echt. Immer.

 

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