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Ein Gastartikel von Julia aus Bremen

Ich erinnere mich noch lebhaft an die Zeit, als mein erster Sohn noch ein Kleinkind war. Ich verbrachte gefühlt mindestens 15 Millionen Minuten meines Lebens damit, ihn zum Schlafen zu bewegen. Ich stillte ihn, schob ihn mit dem Kinderwagen durch die Wohnung, ging mit ihm spazieren, trug ihn nonstop in der Trage, erzählte ihm lange, aufwendige Geschichten, sang ihm etwas vor….Ihr versteht, was ich meine.

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Glücklicherweise hatte ich damals Hilfe. Mein Mann und ich konnten uns abwechseln. Er verbrachte die halbe Nacht mit unserem Sohn auf einem Pezziball, die andere Hälfte der Nacht stillte ich ihn. Er trug ihn mit dem Maxi Cosi durch die Wohnung und dann löste ich ihn ab.

Es war ein Fulltime-Zwei-Personen-Job und es dauerte manchmal Stunden bis er endlich mal schlief.

Wir haben alles versucht – wir versuchten ihn tagsüber auszupowern, wir legten feste Schlafenszeiten fest, es gab wenig Zucker zu essen und und und – er kämpfte wie ein Löwe gegen den Schlaf an. Eisern. Mit viel Leidenschaft. Dieses Kind hasste schlafen. Sein Körper wehrte sich dagegen. Seine Augen waren ständig weit aufgerissen, um ja nichts zu verpassen und sein Gehirn war nonstop auf Aufnahme.

Zugegeben, nicht jede Nacht war ein Kampf, manchmal klappte es sogar problemlos (das hat uns davor bewahr, komplett verrückt zu werden!!) Und wenn er erstmal eingeschlafen war, schlief er ziemlich gut. Er konnte sich einfach nicht fallen lassen und entspannen.

Als er noch klein war, gab ich mir die Schuld an dem Dilemma. Ich machte mir unentwegt Vorwürfe, dass sein Leben irgendwie zu stressig sei und er deswegen nicht schlafen konnte.

Er war insgesamt ein gesundes und glückliches Kind, aber ich hatte trotzdem Angst, dass ich etwas falsch machen würde. Und natürlich habe ich mir die komplette Schuld an diesem Schlafchaos gegeben. Typisch, oder?

Fünf Jahre später kam unser zweiter Sohn auf die Welt. Um ehrlich zu sein, einer der Gründe, warum ich fünf Jahre zwischen meinen Kindern gewartet habe, war der Schlafmangel der mit unserem ersten Sohn einher ging.

Ich nahm an, dass mein zweiter Sohn mit Sicherheit ein genauso mieser Schläfer werden würde- schließlich gab ich mir als Mutter ja auch die Schuld an diesem Verhalten.

Jetzt rate mal, wer richtig überrascht war, als mein zweiter Sohn so gar keine Probleme mit dem Einschlafen hatte. Okay, auch er wollte am liebsten in den Schlaf gestillt werden aber hey, er schlief total schnell ein und durch. Selbst heute noch schläft dieses Kind super gerne.

Ich verrate euch folgendes: Wir haben mit unseren beiden Kindern genau die gleichen Dinge gemacht, wenn es um das Thema Schlafen ging. Ich stillte beide Jungs zum Einschlafen, sie durften so lange sie wollten bei uns im Familienbett schlafen und später begleitete ich sie weiterhin in den Schlaf in ihren Zimmern. IDENTISCH.

Mein erster Sohn kommt auch heute noch nicht zur Ruhe, er braucht ewig um sich auf eine Entspannung einzulassen und der Jüngste legt einen Kippschalter um und pennt, sobald sich sein Gesicht dem Kissen nähert.

Leute, ich bin kein Schlafforscher oder so, aber ich werde mich heute offiziell davon befreien, dass mein erstes Kind ein schwieriger Schläfer war, weil ich irgendetwas falsch gemacht habe. Ich stelle die Theorie auf, dass unsere Kinder genauso so wie alle anderen  Persönlichkeitsmerkmale auch mit einem ganz gewissen „Schlaftemperament“ geboren werden.

Ich beobachtete diese Unterschiede auch bei Freunden von uns. Selbst die entspanntesten Eltern bekamen unruhige Schläfer und die unruhigen Eltern wurden mit schnell einschlafenden Babys gesegnet. Mittlerweile glauben meine Freunde auch, dass Kinder bereits mit einem gewissen Schlaftemperament geboren werden.

Es ist so ähnlich wie bei Nachteulen und Morgenmenschen. Es gibt Kinder, von denen du dir wünschst, dass sie mit einem AUS Schalter auf die Welt kommen würden und Kinder, die selbst morgens um 11 Uhr noch nicht ausgeschlafen sind. Und auch alles dazwischen kommt vor.

Sobald du das für dich erkannt hast, kannst du aufhören, dir selbst die Schuld dafür zu geben, wie schlecht dein Kind schläft. Es ist wie eine Befreiung und ein riesiger Stein fällt dir von den Schultern, glaub mir.

Sobald du erkennst, dass dein Kind mit einem eher problematischen Schlaftemperament geboren wurde, kannst du ebenso aufhören, deinem Kind die Schuld zu geben – und wirklich anfangen, deinem Kind dabei zu helfen, besser zu schlafen.

Mein erster Sohn ist mittlerweile schon älter, und das Einschlafen ist für ihn manchmal immer noch eine große Herausforderung. Mein Ziel in letzter Zeit war es, ihm dabei zu helfen, sich selbst so anzunehmen, wie er eben ist und ihm dabei allerlei Werkzeuge an die Hand zu geben, anhand derer er besser entspannen kann.
Jedes Kind ist anders, aber Werkzeuge können Meditation, beruhigende Musik, weißes Rauschen, ein Elternteil, der sich mit dem Kind zusammen hinlegt, sein.

Ich fühle wirklich mit jedem Elternteil mit, der einen beschissenen Schläfer zu Hause hat, und ich weiß, dass diese Selbstkritik einen fast verrückt machen kann. Auch die unaufgeforderten Ratschläge von allen Seiten machen einen zusätzlich madig. „Nimm mal Lavendelöl!“ „Du musst leide singen!“ „Lass den Fernseher etwas laufen!““Es muss ganz still im Haus sein!“ und so weiter……und so weiter……

Du kannst den ganzen Schlafratschlag-Kram gerne ausprobieren – und hey, einiges davon könnte sogar wirklich funktionieren! Letztlich hat mich aber nur die Tatsache gerettet, dass der liebe Gott mich einfach mit einem genetisch grundsätzlich schlechten Schläfer ausgestattet hat.

Das ist die Wahrheit.

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